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Manu Feldmann hatte, nachdem Lou in die Stadt zurückgefahren war, eine Weile unschlüssig vor sich hingestarrt, sich dann einen Ruck gegeben und aus dem Sessel, in dem er seit dem Gespräch mit seinem Onkel saß, hochgestemmt, um sich erst einmal im Haus umzusehen. Was er sah, erschien ihm passabel, auch wenn nach seinem Geschmack zu viele unnütze Möbel herumstanden. Immerhin gab es einen großen Fernseher in dem zum rückwärtigen Garten gelegenen Wohnzimmer und eine helle, gut ausgestattete Küche, von der aus man über ein paar Stufen in den Garten an der rechten Hausseite gelangte. Leider war dieser Teil des Grundstücks von der Straße aus einzusehen. Die durch das Wohnzimmer zu erreichende Terrasse und das anschließende Gartenstück dagegen waren durch dichte Büsche und Bäume den Blicken entzogen. Ich habe also auch Freigang, dachte Manu, ich muss nicht ganz ersticken. Und mit dieser Erkenntnis schien auch der Gedanke, sich hier auf unbestimmte Zeit verstecken zu müssen, etwas weniger schlimm. Zumindest für den Moment.

Dass es überhaupt dazu hatte kommen können, wollte ihm immer noch nicht in den Kopf. Niemand hatte von seiner Rückkehr gewusst. Niemand kannte den Namen, der in seinem Pass stand. Und doch hatte ihn jemand erwartet. Die Möglichkeit, dass man ihn mit einem anderen verwechselt hatte, schien nicht eben wahrscheinlich.

Manu öffnete die Terrassentür einen Spalt und lauschte hinaus. Alles still. Als er beide Türflügel weit aufstieß, machte sich die Wunde an seiner Seite mit einem stechenden Schmerz bemerkbar. Er drückte die Hand auf den Verband, bewegte sich vorsichtig ins Zimmer zurück und streckte sich auf dem Sofa aus. Es tat weh, bis er die richtige Stellung gefunden hatte, um durch die offene Tür in den Garten hinauszuschauen.

Ein sanfter Sommerwind lag in den Büschen und wiegte sie hin und her. Manu schloss die Augen, er hatte das Blockhaus vor sich, Hanna, ihr Gesicht, ihre vor Lebensfreude funkelnden Augen, sie umarmte ihn, drückte sich an ihn, aber jedes Mal wenn er sie festhalten wollte, lag sie plötzlich vor ihm auf dem Holzboden, mit dem Einschussloch in der Stirn, die Augen leer und das Haar in einer Blutlache. Und er hörte ihre Stimme sagen: Wir hatten doch noch so viel vor.

Ich hätte die Bullen holen müssen, sofort, dachte Manu zum tausendsten Mal, dann hätten sie mich verhaftet und später wieder laufen lassen müssen, ich hätte beweisen können, wo ich war, als Hanna erschossen wurde, die Frau von der Lottoannahmestelle hätte sich an mich erinnert, sie kannte mich ja, ich habe jahrelang bei ihr Lotto gespielt. Und die Bullen hätten weitergesucht. Nach der Tatwaffe und nach dem Mörder. Es hätte keinen Haftbefehl gegen mich gegeben und keine Fahndung. Und ich hätte Lou bitten können, das Geld aus dem Schließfach zu holen und es verdammt noch mal zu Dimitri zurückzubringen. Was sollte ich denn allein mit so viel Geld. Ohne Hanna. Dass ich abgehauen bin, hat alles nur noch schlimmer gemacht.

Manu öffnete die Augen, er hatte all das schon so oft gedacht und er war keinen Schritt weitergekommen. Er setzte sich auf und hielt sich die schmerzende Seite.

Ich muss mich beschäftigen, dachte er, ich muss irgendetwas tun. Die Decke fällt mir ja jetzt schon auf den Kopf.

Er ging in die Küche, ließ Wasser in ein Glas laufen, trank. Dabei streifte sein Blick den Behälter, den Lou als Brotbackmaschine bezeichnet hatte. Er hob den Deckel ab, untersuchte sein Innenleben, betrachtete die Schalter an der Außenverkleidung. „Backen für Dummies“, murmelte er. In der Speisekammer fand er einige Fertigbackmischungen. Er wählte die Bauernbrotvariante, studierte die Backanweisung und gab die Zutaten in die Teigschüssel. Als er den Deckel geschlossen und die Backzeit eingestellt hatte, fühlte er sich mit den Füßen wieder fester auf dem Boden.

Im Wohnzimmer stellte er den Fernseher an. Im Stehen zappte er durch die Programme, bis er bei einem Nachrichtenkanal ankam, der über die gestrige Schießerei auf dem Flughafen berichtete. Bisher fehle von den Tätern und dem möglichen Opfer jede Spur, hieß es, und die Polizei bitte die Bevölkerung um sachdienliche Hinweise. Manu wollte schon aufatmen, da hörte er die Sprecherin sagen: „Die Polizei schließt einen Bezug zu mehreren früheren Delikten, unter anderem dem Mord an der Polizistengattin Hanna S., nicht aus. In diesem Zusammenhang steckbrieflich gesucht wird nach wie vor der mittlerweile fünfunddreißigjährige Manu Feldmann.“ Jetzt sah Manu sein Konterfei auf dem Bildschirm. Er war so geschockt, dass er nicht mitbekam, was die Nachrichtensprecherin über ihn berichtete. Erst die letzten Worte – „… muss damit gerechnet werden, dass der Gesuchte bewaffnet ist …“ – drangen wieder zu ihm vor.

Manu erstarrte. Dann sank er in den Sessel, fuhr gleich darauf aber in Panik wieder in die Höhe, er merkte noch nicht einmal, dass durch diese schnelle Bewegung die Wunde wieder anfing zu bluten.

Bitte nicht, hämmerte es in seinem Kopf, nicht das auch noch. Die können doch nicht einfach behaupten, dass ich bewaffnet bin. Damit geben sie mich ja zum Abschuss frei. Das geht doch nicht.

In seiner Aufregung holte er sein Handy aus der Tasche. Er musste mit Lou reden. Sofort. Musste mit jemandem reden, der ihm glaubte. Er musste … Seine Hände zitterten. Dann zitterte er am ganzen Leib und ließ das Handy sinken. Es hatte keinen Sinn. Lous Telefon wurde bestimmt abgehört. Damit hätten sie seine Nummer und könnten ihn orten.

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