Читать книгу Glücksspieler - Elfi Hartenstein - Страница 17
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ОглавлениеAls Lou Feldmann am nächsten Morgen mit Einkaufstüten und einer großen Umhängetasche vor der Tür von Manus Exil stand, hatte dieser sich wieder gefangen.
Nachts war er mit sich übereingekommen, die Unterstellung, er sei bewaffnet, als einen normalen, bei Fahndungen üblichen Hinweis hinzunehmen. Dass nach ihm gefahndet wurde, war ihm schließlich nicht neu. Er durfte sich nicht kirre machen lassen.
Lou packte in der Küche die Einkaufstüten aus.
„Hast du das alles hergeschleppt? Hast du kein Auto?“, fragte Manu ihn erstaunt.
„Wenn ich mit meinem Wagen komme, haben sie dich gleich. So dauert es ein paar Tage länger.“ Feldmann legte ein Kinder-Überraschungsei auf den Tisch. „Hier. Hab ich dir mitgebracht. In Erinnerung an alte Zeiten.“
Manu grinste wie ein Bub, der bei einer bösen Tat erwischt wurde und nun mit Charme versuchte, die Angelegenheit milde zu gestalten. Und Manu hatte viel Charme. „Ich seh’s noch vor mir, wie du nach der Anzeige vom Kioskbesitzer auf den Typen vom Jugendamt einredest. Ich hatte den Karton mit den geklauten Überraschungseiern unter meinem Bett versteckt, und du hast ihm weisgemacht, dass wir die für einen Kindergeburtstag brauchten und ich schon mal losgelaufen sei, um sie zu holen.“
„Weil sie dich sonst ins Erziehungsheim gesteckt hätten. Nach dem, was du schon alles auf dem Kerbholz hattest.“
„Ich weiß auch nicht, warum ich immer wieder Scheiße baue“, sagte Manu betreten. „Und ich spüre, dass du genervt bist.“ Als Lou nicht antwortete, setzte er nach: „Es tut mir wirklich leid.“
„Ich habe deiner Mutter damals vor ihrem Tod versprochen, dass ich mich um dich kümmern werde. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass das dauert, bis ich alt und grau bin. Setz dich hin.“
„Soll ich dir einen Kaffee machen? Ich habe auch Brot gebacken.“ Manu wollte noch ein wenig Zeit schinden, bevor Lou zu einer Aussprache ansetzte, vor der er sich gerne gedrückt hätte.
„Setz dich“, wiederholte Feldmann.
Manu hockte sich an den Küchentisch, spielte mit dem Überraschungsei.
Lou war nicht nach Umwegen zumute. „Wer hat Hanna deiner Meinung nach erschossen?“, fragte er deshalb direkt.
„Wenn du wüsstest, Lou, wie oft ich mir diese Frage da unten in Patagonien gestellt habe, jeden Tag, jede Nacht. Ich war schon so weit, dass ich Hannas Stimme hörte, draußen im Wind. Dass ich durch die Gegend gerannt bin und sie gesucht habe, bis mir dann plötzlich wieder klar wurde, dass sie tot ist.“ Manu wand sich. Jetzt war sie wieder da, diese Szene.
„Irgendwer muss gewusst haben, wo ich wohne. Irgendwer hat uns gefunden.“
„Du warst ordentlich polizeilich gemeldet. Jeder konnte deine Adresse herausbekommen.“
„Aber wenn du mich fragst, wer Hanna umgebracht haben könnte: Vielleicht war es Dimitri Cordalis. Vielleicht einer seiner Pokerfreunde. Sind ja nicht nur brave Jungs dabei. Aber ich kannte keinen von denen. Und uns kann nur Dimitri erkannt haben.“
Lou schüttelte den Kopf. „Dimitri hätte erst mal das Geld zurückhaben wollen. Aber Hanna hatte es nicht. Und du warst nicht da.“ Er überlegte. „Warum sollte Dimitri Hanna erschießen? Warum, wenn er es gewesen sein sollte, hat er nicht auf dich gewartet?“
Manu nickte. Lous Logik war nichts entgegenzusetzen.
„Das heißt“, fuhr Lou fort, „der Täter ist jemand, dem es nicht um das Geld ging. Das Ganze sieht eher nach einer Beziehungstat aus. Und da denke ich natürlich zuerst an Schneider, der nicht verkraftet hat, dass seine liebe Gattin mit dir das Weite suchen wollte.“
Manu nickte wieder. Auch er hatte daran gedacht, aber es war ihm so unglaublich erschienen: Kriminalhauptkommissar Arno Schneider bringt seine eigene Frau um, aus purer Eifersucht.
„Lass uns mal unter einem anderen Aspekt an die Sache rangehen“, sagte Lou. „Du sagtest, Hanna hat euch Pässe besorgt. Weißt du, von wem? Kennst du den Fälscher?“
Manu schüttelte den Kopf. „Nein. Sie hat darüber nichts gesagt. Auch nicht, was sie gekostet haben, keine Ahnung. Sie hat nur gesagt, dass sie die von einem absoluten Profi habe machen lassen.“
„Hast du ihren Pass mitgenommen?“
„Nein. Als ich sie da liegen gesehen habe, konnte ich an überhaupt nichts denken. Ich war in Panik.“
„Hattet ihr denselben Nachnamen in den Pässen?“
„Nein, unterschiedliche. Ich heiße Michael Prahl, Hanna hieß Emilia Sonneberg. Warum ist das wichtig?“
„Ich will wissen, wie die gestern am Flughafen auf deinen wirklichen Namen kamen, beziehungsweise wodurch du dich verraten hast.“
„Keine Ahnung. Bei der Passkontrolle bin ich glatt durchgekommen. Aber die beim Zoll waren unangenehm, die haben mich erst lange warten lassen und dann bis auf die Haut gefilzt. Und sogar ihre Drogenspürhunde haben sie geholt. Insgesamt hat das über eineinhalb Stunden gedauert.“
„Hattest du Gepäck bei dir?“
„Nur Handgepäck. Eine Reisetasche.“
„Wo ist die?“
„Ich hab sie im Wagen gelassen, als sie auf mich geschossen haben und ich weglaufen musste.“
„War da irgendwas drin, was auf deine Identität schließen lässt? Fotos, Papiere, Briefe?“
Manu schüttelte müde den Kopf. „Nur ein bisschen Wäsche.“
„Aber sie fahnden seither nach dir. So schnell können sie die Fingerabdrücke auf deiner Tasche kaum identifiziert haben.“ Feldmann war unzufrieden. Er überlegte. Es musste einen anderen Anhaltspunkt geben. „In den Ermittlungsakten steht nirgendwo was über einen falschen Pass, der bei Hanna gefunden wurde. Du sagst aber, sie hatte ihn bei sich …“
Sie sahen sich an.
„Wir müssen herausfinden, ob Schneider am Tatort war“, sagte Lou. „Verstehst du? Vielleicht hat er eingeplant, dass du abhaust, dass du dich ins Ausland absetzt. Damit wäre der Fall klar. Der Verdacht fällt auf dich, nicht auf ihn. Und zur Unterstreichung seiner Glaubwürdigkeit hat er diese Zwanzigtausend als Kopfgeld auf dich ausgesetzt. Seine ganzen Ersparnisse, heißt es.“
„Und dann komme ich zurück …“
Lou sah Manu an.
Manu sah Lou an.
„Genau“, sagte Lou. „Dann kommst du zurück. Und damit besteht die Gefahr, dass sich herausstellt, dass du unschuldig bist. Das muss auf alle Fälle verhindert werden. Du darfst gar nicht erst wieder da sein. Du musst am besten gleich bei deiner Ankunft abserviert werden. Du …“ Feldmann unterbrach sich und lauschte. Ein Geräusch von draußen hatte ihn aufhorchen lassen. Er ging zum Fenster, spähte durch den Spalt am Vorhang. Auf der Straße vor dem Haus stand ein Streifenwagen mit laufendem Motor. Nach einer Weile fuhr er langsam weiter. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie dich hier finden“, sagte er zu Manu, der sich neben ihn gestellt hatte. „Wir brauchen ein anderes Versteck für dich. Und vor allem: Wir müssen etwas unternehmen.“
„Wir?“, fragte Manu ungläubig.
„Ja, wir. Wir machen das lieber zusammen, bevor du durchdrehst und Amok läufst.“