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Lou Feldmann ließ sich von einem Taxi zu seinem Lokal fahren. Der Schriftzug LOU’s über der Tür war noch erleuchtet. Davor rappelte sich ein stämmiger Mittdreißiger hoch, ihm fehlte ein Schuh. Er trug ein weit aufgeknöpftes Hemd und eine dicke Goldkette um den Hals, griff nach einem auf dem Gehsteig liegenden Gucci-Slipper, zog ihn an und sah dabei zu Lou hoch, der neben ihm stehen geblieben war: „Die mach ich fertig, die Sau.“

„Du nicht“, sagte Feldmann und ging an ihm vorbei in das Lokal hinein.

Am Tresen saß ein letzter Gast, Feldmanns früherer Kollege vom SEK, Richard Mittelberger, den alle nur Ricardo nannten, und starrte auf sein Glas, dessen Inhalt zur Neige ging. Ricardo gehörte zu den Typen, die niemals sagen würden: Mein Glas ist halb voll. Seines war immer halb leer. Lou wusste, Ricardo trank gegen seine Depressionen an.

Remy Straub putzte die Bleche unter den Zapfhähnen. Aydin Celik hatte die Stühle auf die Tische gestellt und wischte den Boden. Feldmann ging an den Tresen, nickte Ricardo zu, bevor er sich an seine Geschäftsführerin wandte. „Hattest du Ärger?“

„Ich nicht“, sagte Remy ungerührt und putzte weiter die Bleche. „Der Lude da draußen. Er wollte, dass ich für ihn anschaffen gehe.“

Feldmann schaltete hinter dem Tresen die Außenbeleuchtung ab, stellte zwei Tassen unter die Kaffeemaschine und drückte auf den Knopf.

Ricardo, der sein Glas ausgetrunken hatte, schob Remy seinen Deckel hin. „Da passt noch was drauf.“

Remy antwortete nicht, sondern hielt Lou den mit Strichen fast vollständig bedeckten Deckel hin. Lou sah Ricardo unentschlossen an.

Ricardo wechselte das Thema. „Gestern Abend gab es eine Schießerei am Flughafen.“

„Geht mich das was an?“ Lou klang gelangweilt.

„Es ging um jemanden, den du gut kennst.“

„Um wen?“

„Manu“, sagte Ricardo trocken.

Lou knickte den Deckel zusammen, warf ihn in den Papierkorb und sah Ricardo gespannt an.

„Was ist passiert?“

„Er wurde angeschossen und konnte fliehen. Mehr weiß ich vorläufig nicht.“

Lou versuchte, seine Bestürzung zu verbergen. Er nickte Remy zu.

Sie schenkte Ricardo nach.

Der Kaffee war durchgelaufen. Feldmann nahm beide Tassen und ging zu seiner Bürotür, drückte die Klinke mit dem Ellenbogen nach unten, schob die Tür auf. Mit einer Kopfbewegung bat er Aydin Celik, ihm ins Büro zu folgen.

Er stellte die Tassen auf seinem Jugendstilschreibtisch ab, schob das Notebook zur Seite, rückte einen zweiten Stuhl vor den Schreibtisch und setzte sich dahinter. Er mochte dieses Büro, er mochte die Einrichtung, die noch vom alten Andersen stammte. Doch jetzt hatte er keinen Blick dafür, zu sehr hatte diese Nachricht ihn getroffen: Manu, der Sohn seines tödlich verunglückten Bruders, den er, nachdem kurz darauf auch die Mutter des damals Zehnjährigen ihren Verletzungen erlegen war, zu sich genommen und wie einen eigenen Sohn großgezogen hatte, war also zurück. Und er war angeschossen worden.

Aydin Celik war hereingekommen, hatte sich Feldmann gegenübergesetzt und eine der Tassen zu sich herangezogen. Sie trank nicht, schaute besorgt vor sich hin und schließlich Feldmann ins Gesicht. „Lou, ich weiß, dass Mehmet wieder spielt. Er war bei einem Psychologen, er war in einer Selbsthilfegruppe …“

Feldmann unterbrach sie. „Dein Mann bekommt furchtbaren Ärger. Das Geld, mit dem er seine Schulden bei Dimitri bezahlen wollte, ist weg.“

„Ist es viel?“

„Das kannst du hier in zwanzig Jahren nicht abarbeiten.“

Aydin sank resigniert in sich zusammen. „Ich habe so sehr gehofft, er würde aufhören, aber …“ Sie brach ab. Sie wusste, dass sie sich etwas vorgemacht hatte.

Lou Feldmann nahm den Packen Geldscheine, den er gewonnen hatte, aus seiner Jacke, zählte seinen Einsatz ab und schob den Rest Aydin über den Tisch zu. „Um elf geht ein Flieger nach Istanbul. Sag ihm, er muss ihn nehmen. Unbedingt. Ich schätze, ab Mittag werden Dimitris Leute hinter ihm her sein, um ihm die Knochen zu brechen. Ich will nicht, dass du auch noch seine Krankenhauskosten bezahlen musst.“

Aydins Blick wanderte zu dem vor ihr liegenden Geld. Sie musste die Scheine nicht zählen, um zu wissen, dass sie so viel in einem Vierteljahr nicht verdienen würde. Obwohl Lou gut zahlte.

„Ist das dein Ernst, Lou?“

„Aydin, du hast schon genug Probleme. Ich mache mir auch Sorgen um deine Tochter. Bring deinen Mann zum Flughafen, er soll für eine Weile untertauchen. Und sag ihm, wenn er die Maschine nicht nimmt – ein zweites Mal werde ich ihm nicht helfen.“

Aydin Celik nahm das Geld, bedankte sich, holte ihre Tasche, winkte Remy zu und lief eilig in die Nacht hinaus. Feldmann legte seine Füße auf den Schreibtisch und versuchte sich zu entspannen, aber ohne Erfolg. Der Gedanke an seinen Neffen ließ ihn nicht los. Verdammt noch mal, Manu, warum bist du nicht geblieben, wo auch immer du gesteckt hast? Hast du dir da auch die Finger verbrannt?

Als Manu aus seinem Blickfeld verschwunden war, waren die Sorgen um ihn allmählich abgeklungen. Und auch die Wut, die er auf ihn gehabt hatte.

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