Читать книгу DAS GEHEIMNIS DER 7 FEIGEN - ELIYA LOREN - Страница 12
ОглавлениеFABIANO
Fabiano wollte mit mir einen Reitausflug machen und fuhr zu einem Reiterstall, um sich nach verschiedenen Routen zu erkundigen. Täglich besuchten wir eine Ausstellung. Diese Insel zog mich in ihren Bann. Sie hatte auf mich eine magische und gleichzeitig bizarre Wirkung. Fabiano zeigte mir die außergewöhnlichsten Plätze, und dabei entdecken wir täglich etwas Neues. Ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, wie sehr mir die Kargheit der Insel gefiel. Am meisten inspirierte mich der Norden der Insel.
Ich liebte es. Am meisten beeindruckte mich die Foundation Cesar Manrique. Meine Eindrücke waren überwältigend und ich konnte sie nicht in Worte fassen. Zur Erinnerung kaufte ich mir von dort eine wunderschöne CD „Los Elementos“.
Fabiano machte es spannend und kündigte einen besonderen Platz an. Er fuhr mit mir an einen Aussichtspunkt mit einem Café, nach Orzola – Mirador del Rio. Es war atemberaubend. Das Café befand sich auf einer Anhöhe. Von dem Aussichtsplateau – circa 500 Meter über dem Meeresspiegel – eröffnete sich ein einzigartiger Blick auf den blauen atlantischen Ozean. Das Meer war wild und bewegt. Zur linken Seite erstreckte sich die Steilküste von Orzola. Das Café war von dem Künstler Cèsar Manrique äußerst kreativ gestaltet. Man konnte vor einer riesigen Glasfront sitzen, die in die Felswand eingelassen war, und bei Kaffee und Kuchen den grandiosen Blick auf die vorgelagerte Insel La Graciosa genießen. Das laute Geräusch der Wellen vermischte sich mit dem Kreischen der Möwen.
Jeden Tag fiel Fabiano ein neuer Ausflug ein, mit dem er mich überraschte.
9. März
Plötzlich fängt die Zeit an zu rennen. Fabiano möchte mich malen und auch sonst … Ein bisschen schrullig wirkte er schon mit seiner altmodischen Brille und den dicken Gläsern. Er trug einen 5-Tage-Bart und am liebsten würde ich mit ihm zu einem guten Optiker gehen, um ihm eine neue Brille zu verpassen. Dennoch geht eine unglaubliche Lebendigkeit von ihm aus. Diese zwei Seiten stehen in einem eigenartigen Kontrast zueinander.
Die Geschichten, die er mir erzählt, sollte ich eigentlich bis ins kleinste Detail aufschreiben. Es sind so viele, denn er redet nicht gerade wenig. Es ist irisierend und sogar erotisierend, mit ihm zu sein und seinen Geschichten zu lauschen.
Er sagte, er wundere sich über sich selbst, denn er hätte sich noch nie jemandem so im Innersten anvertraut, so viel intime Dinge über sich selbst erzählt. Dabei kenne ich das, mir passiert das ständig. Immer erzählt mir jeder alles. Insbesondere Männer erzählen mir alles. Einmal hat mir jemand nach einem Engagement sogar sein Saxophon geschenkt – aus Dankbarkeit, weil ich völlig wertfrei seiner Geschichte zugehört hatte. Vielleicht spüren Männer instinktiv, dass ich sie verstehe, ohne zu urteilen. Angeregt unterhielten wir uns bis tief in die Nacht. Die Gespräche mit Fabiano verliefen immer ziemlich sinnlich.
Eine der netten Geschichten war die seiner Skulptur Marcan für eine Universität. Damit die armen Studenten in ihrem tristen Alltag etwas Sinnliches zum Anfassen und Fühlen bekommen, vor allem in der pathologischen Abteilung, fertigte Fabiano eine Skulptur an aus zart rosafarbenem Marmor. Die Skulptur war ca. 4 Meter hoch und stellte eine weibliche Vagina dar. »Ich wollte etwas Lebendiges schaffen, weil die armen Studenten doch täglich mit Leichen umgeben waren.« Die Skulptur sollte in einem Wasserbecken stehen und begehbar sein und vor allem fühlbar von Innen. »Du musst dir vorstellen, die inneren Wände der Skulptur sind ganz glatt geschliffen, sodass dadurch ein sensitives Tast- und Fühlerlebnis entstanden ist«, erklärte er mir.
Die etwas konservativen Professoren waren zu dieser Skulptur ziemlich kontrovers eingestellt und mussten erst überzeugt werden, dass Fabiano keine pornographische Darstellung kreiirte, sondern dass er durch die Darstellung der Skulptur seine große Wertschätzung für und an die Frau zum Ausdruck bringen wollte.
Dann endlich kam der Tag, an dem die Skulptur enthüllt werden sollte. Die gesamte Jury und alles, was Rang und Namen hatte, hatte sich versammelt und war anwesend. Da diese „Vagina“ begehbar war, wollten die Juroren nun wissen: »Würde das der Skulptur nicht schaden, wenn jeder ein- und ausginge?« Fabiano, der deutschen Sprache nicht wirklich mächtig, sagte in seinem holprigen Deutsch sehr ernst: »Nein, nein, meine Damen und Herren – je mehr Verkehr in der Vagina, desto besser für sie!« Die Jury warf sich weg vor Lachen. Oje, armer Fabiano! Er wusste gar nicht, wie ihm geschah, und war leicht irritiert. Wir beide fanden das Wort „Verkehr“ ein ziemlich phantasieloses Wort für die schönste Sache der Welt.
Noch unzählige andere Geschichten folgten. Wie zum Beispiel die Geschichte mit der Gräfin von und zu Pappenheim. Als er eines Tages nach langer Suche für eine Bleibe für sich und seine beiden Söhne vor ihrer Tür stand und an ihrer Schloßpforte klingelte und sich mit „del Chiero“ vorstellte, fühlte die Gräfin sich sofort unter ihresgleichen und gewährte ihm Einlass. Als er ihr sein Anliegen schilderte, war sie ihm so wohlgesonnen, dass sie ihm ihre Räumlichkeiten zur Miete anbot.
Oder die Geschichte seiner Videoinstallation mit dem Kind, über dessen Hand Wasser und Feuer lief. Auf den beiden Monitoren, die links und rechts neben der kleinen Skulptur standen, war jeweils ein Männer- und Frauengesicht zu sehen, deren Gesichter in slow motion Gefühle ausdrückten. »Sie drücken einen Orgasmus aus«, erklärte er mir in ausschweifenden Worten. »Wie konntest du dies filmisch einfangen?«, fragte ich ihn neugierig. »Das bleibt mein Geheimnis«, schmunzelte er.
Oder die Geschichte von dem Liebespaar, welches von ihm gemalt werden wollte während des Liebesaktes – aber es klappte und klappte nicht zwischen den beiden usw. usw.
Fabiano wollte mich malen. Drei Motive hatte er mir vorgeschlagen. »Du kannst wählen«, bot er mir an, »zwischen einem Mädchen, das an einem Billardtisch sitzt und zwei jungen Männern beim Spielen zuschaut, oder einer Frau, die in einem rot-orangenen Kleid am Hafen steht und die Hände in die Hüften stemmt. Das dritte Motiv, was ich gerne malen möchte, ist ein Akt in der wunderbaren Landschaft von Lanzarote.«
Die ersten beiden Vorschläge fand ich nicht so prickelnd, und letzterer kam für mich natürlich nicht in Frage. Ich würde mich ja wirklich nicht als prüde bezeichnen, aber mich nackt malen zu lassen? Noch dazu von einem fremden Maler? Niemals!
»Für einen Akt«, lehnte ich verlegen lächelnd ab, »bin ich viel zu schüchtern, auch wenn sich das bei mir niemand vorstellen kann.«
»Du bist schüchtern? Wieso?« Fabiano war erstaunt. »Du kannst es dir ja in Ruhe überlegen.«
Dass er mich nicht überreden wollte, rechnete ich ihm hoch an. Jedenfalls habe ich mit ihm immer ein Gefühl von großer Lebendigkeit und Tiefe. Und dies fühlte sich ziemlich gut an.
Jeden Vormittag fuhr ich in das Konservatorium nach Arrecife und korrigierte meine Kompositionen. Danach trafen wir uns und gingen gemeinsam irgendwohin zum Essen. Fabiano ließ sich täglich neue Unternehmungen an den interessantesten Orten der Insel einfallen, oder wir besuchten eine Ausstellung. Trotz ihrer Kargheit ist die Landschaft der Insel unglaublich vielfältig. Dazu ist Lanzarote eine ökologische Insel. So genießen wir die Landschaft mit den weiten Lava-Feldern, unsere Gespräche und das Zusammensein miteinander.
Alle Interessen, die er hatte, teilte ich auch, und es war wunderbar, jemanden zu haben, mit dem man so vieles teilen konnte.
°°°
Geduldig warte ich auf Fabiano – er ist beim Fliesenleger, um Fliesen für das Appartement auszusuchen, welches er gerade in dem Hotel umbaut.
Irgendwie ist er ein Phänomen. Unglaublich höflich und trotzdem – welch ein Kontrast – ziemlich verrückt. Und doch weiß er stets, was sich gehört.
Bevor er nach New York ging, hatte er sechs Jahre bei den Indianern gelebt, in einem Dorf in den Anden auf 4.000 Meter Höhe.
Manchmal erzählte er etwas ausufernd. Man musste sehr gut aufpassen – nicht nur wegen seiner Sprache – um den Faden nicht zu verlieren. Ein klein wenig anstrengend ist es, ihm zu folgen, und dennoch ist er einfach liebenswert!
Anregende und gute Gesprächsthemen gingen uns nie aus. Obwohl er eigentlich überhaupt nicht mein Typ Mann ist, hatte er irgendetwas, was auf mich ungeheuer anziehend wirkte.
Eines Abends – wir „verquatschten“ uns wieder einmal – sagte er plötzlich zu mir: »Jetzt möchte ich gerne mit dir schlafen.«
Irritiert schaute ich ihn an und dann gleich auf den Boden, um Zeit zu gewinnen. Oh nein, bitte nicht diesen Satz. Ist Fabiano del Chiero völlig verrückt geworden? Ich verstummte unangenehm berührt. Der von mir meist gehasste Satz. Wie phantasielos! Wie oft hatte ich diesen Satz schon gehört. Warum können Männer nicht sagen »Du, ich glaube, ich habe mich in dich verliebt«? Oder es ergibt sich einfach ohne große Worte.
Und obwohl ich schon einige Male in dieser Situation war, verschlägt es mir jedes Mal auf’s Neue die Sprache. Ich wurde verlegen und ärgerte mich über mich selbst, weil mir bis dato noch keine schlagfertige Antwort dazu eingefallen war.
Ich glaube, an diesem Abend hatte ich etwas schüchtern gelächelt und mich dann superschnell verabschiedet. »Ok, gehen wir schlafen, aber du gehst hübsch in dein Zimmer und ich in meines.« Ich hauchte ihm einen Gutenachtkuß auf die Wange und verschwand. Dabei nahm ich noch flüchtig sein Eau de Toilette wahr. Eine Mischung zwischen Sandelholz und Patchouli.
Am nächsten Morgen entschuldigte sich Fabiano hunderte Male für diesen Satz. Er hatte wohl bemerkt, dass er mit diesem Satz bei mir leicht daneben lag. Ich nahm es mit Humor, lachte ihn an: »Beruhig dich mal wieder, man kann eben nicht alles haben.« Und wir widmeten uns ausgiebig dem Frühstück.
Aber eigenartig – irgendwie hatte dieser Satz in mir plötzlich etwas ausgelöst. Ich spürte, wie ich innerlich unruhig wurde.
°°°
Am nächsten Abend gingen wir am Strand spazieren. Eine laue Nacht mit einer weichen Sommerbrise, die sanft über mein Gesicht strich. Fabiano erzählte mir wieder eine von seinen berühmten Geschichten, diesmal über ein Fest in Perú, oder war es der Carneval? Es ist schön, ihm beim Erzählen zu zuhören. Irgendwie genieße ich es, obwohl es wegen der Sprache immer etwas mühsam war, seinen Darstellungen zu folgen.
Wir schlenderten gemütlich am Strand entlang. Die Wellen gluckerten weich und samtig an den Strand. Die Sterne funkelten und wir setzten uns in den weichen Sand. Ich liebte das glucksende Geräusch der anrollenden Wellen. Das Meer war relativ ruhig zu dieser späten Stunde. Wir saßen so einige Stunden zusammen.
Als es zu fortgeschrittener Stunde etwas feucht wurde, standen wir auf und schlenderten langsam zum Hotel zurück. Seine Hand berührte die meine. Mich durchfuhr ein heißer Strom, aber ich wich nicht aus. Vor dem Hotel ließ er meine Hand wieder los, weil man im Hotel wusste, dass er noch mit Andrea verheiratet war. »Es ist besser so – die Leute erfinden hier sehr gerne Geschichten«, meinte er.
Ich konnte gar nicht verstehen, weshalb dieser Mann so eine erotische Anziehungskraft auf mich ausübte. »Ob ich mich doch von ihm malen lassen soll?«, überlegte ich für mich.
Im Konservatorium kam ich bestens voran mit meinen Korrekturen. Diesmal war Fabiano wieder mitgekommen und hörte sich einige meiner Kompositionen an. Er hatte auch einige gute musikalische Vorschläge. Dieser Mann erstaunte mich immer mehr. Er schien sich auch noch in der Musik gut auszukennen.
Jeden Nachmittag unternahmen wir etwas anderes. Oft saßen wir bei brütender Hitze im Auto und er erzählte und erzählte, bevor wir endlich ausstiegen – und ich lauschend in der Hitze zerfloss.
An einem Tag ging er mit mir in ein Hafenrestaurant. Ganz unscheinbar von außen – ich hätte es nie gefunden. Der Fisch war hervorragend und ich zum Platzen satt. Eine Frau saß am Nebentisch. Wir bzw. Fabiano kam mit ihr ins Gespräch. Sie sprach fließend Spanisch. Sie hatte in Deutschland alle Brücken abgebrochen und lebte und arbeitete nun schon seit 12 Jahren auf der Insel. Ich hörte interessiert zu. Ein absoluter Traum für mich – die Verbindung von Arbeit mit Urlaub.
Immer stärker fühlte ich mich von der Landschaft in den Bann gezogen. Beeindruckend und wild hatte sie in mir eine ungeheure Faszination ausgelöst. Wie in einem Märchen fühlte ich mich und genoss jeden Augenblick ganz real! Fabianos langatmiger Erzählstil gefiel mir irgendwie. Einmal hatte er angefangen, Kanarienvögel zu züchten. Auf einmal waren es mehrere Hundert. Er baute für sie einen riesengroßen Käfig und dann eines Tages – ließ er sie alle wieder frei und fliegen. Welch ein schönes Bild!