Читать книгу Legt doch mal das Ding weg! - Ella Brandt - Страница 5
ALLE HABEN EINS, MAMA!
ОглавлениеNachdem er sich bei einer Tasse Kakao etwas beruhigt hatte und die Tränen getrocknet waren, bestimmte nun ein unendlich verzweifelter Blick seine nach wie vor kummervolle Miene: »Mama, wir haben eine Umfrage gemacht, und alle haben eins, nur ich nicht!« Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, dass er von einer Spielkonsole sprach. Geräte wie Nintendo DS, Playstation und Gameboy gehörten in der Klasse zum Alltag (selbst wenn sie in der Schule nicht benutzt werden durften) und die aufgeschlossene Klassenlehrerin hatte das an diesem Tag mal in den Unterricht integriert.
Das Ergebnis des Klassenbrainstormings kam einem Vernichtungsschlag gegen meine pädagogischen Grundfesten gleich. Mein Kind wurde als einziges von 24 Schülern demnach mutwillig vom digitalen Paradies ferngehalten: Alle außer ihm besaßen ein elektronisches Spielgerät, wenn nicht gleich ein Smartphone. Manche hatten sogar mehrere Geräte. Und noch mal: Er war der Einzige in seiner Klasse! Tatsächlich. Normalerweise neigen Kinder in diesem Alter ja zu Übertreibungen. »Alle« sind meistens zwei, drei gute Freunde oder Freundinnen. Diesmal hieß »alle« wirklich »alle außer Ben«.
Bisher hatte ich alles elektronische Gerät aus dem Kinderzimmer ferngehalten und war auch stolz darauf, es hatte bis zu diesem Zeitpunkt in unserem Haushalt auch keine bimmelnden Plastikspielzeuge gegeben (okay, bis auf ein Geschenk, das sofort entsorgt wurde, als die Batterie nachzulassen begann). Aber jetzt geriet dieser Stolz gewaltig ins Wanken, denn ich wollte keinen Außenseiter aus meinem Kind machen. Etwas später, am Elternsprechtag, sprach mich die Klassenlehrerin sogar noch einmal darauf an, wie sehr sich Ben doch so ein Ding wünschen würde.
Jetzt gab es kein Halten mehr. War ein solches Gerät schon seit Langem sein größter Wunsch gewesen, wurde es nun dieses Weihnachten zum einzigen Wunsch! Bisher konnten wir das irgendwo am Ende aufgelistete elektronische Gerät einfach ignorieren. Aber jetzt, kurz nach der Klassenumfrage, stand da nur noch: »Plestasion«.
Es war genau das passiert, was ich als Mutter nicht leiden kann, weil ich keinerlei Einfluss darauf habe: Die peer group hatte mobilgemacht. Der soziale Druck, den schon Grundschüler ausüben können, ist immens, das hatte ich hier zu spüren bekommen. Und die Moral von der Geschicht: Das Kind bekam zu Weihnachten sein Gerät, das heißt, wir alle bekamen es, Mama, Papa, Ben und seine beiden kleineren Brüder.
Seit ungefähr eineinhalb Jahren hatte jeder Wunschzettel unseres erwartungsvollen Sohnes die Worte »Playstation« oder »Nintendo DS« enthalten. Groß geschrieben, rot umrandet und mit vielen Fehlern.