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Es ist schwer
ОглавлениеUnbewegt auf einem kleinen Kissen seine Atmung zu beobachten ist genau das, was man Meditation nennt, eine Praktik, die immer beliebter wird und die das einzige Thema dieser Erzählung gewesen wäre, wenn das Leben sie nicht, wie Sie noch sehen werden, in stürmischere Gegenden geweht hätte. Doktor Yang – Gott hab ihn selig – lehrte Meditation mit Bedacht. Er war Chinese und liebte gute Technik, er mochte nicht, wenn Dinge auf die Schnelle gemacht wurden, und betrachtete die Meditation als Krönung jeder Kampfkunst, aber auch als eine gefährliche Übung, weil sie äußerst starke Kräfte weckt. Er warnte uns vor ihren Gefahren, denen ich für meinen Teil scheinbar nie ausgesetzt war oder ich war mir dessen nicht bewusst oder, noch wahrscheinlicher, habe diese Stufe nie erreicht, ab der sie wirklich bedrohlich wird, und werde sie auch nie erreichen. Da Doktor Yang nicht wollte, dass wir uns auf den gefährlichen Wegen verirren, die ins eigene Innere führen, sich dort verzweigen und in Abgründe münden, und ein bisschen auch, als wolle man Anfängern einen Vorgeschmack auf die Verzückungen geben, die sie erwarten, wenn sie nur dranblieben, lehrte er uns mit vielen Diagrammen ein paar Grundzüge der Mediation wie Meridianverläufe, normale (buddhistische) und umgekehrte (taoistische) Atmung und den Kleinen und Großen Kreislauf, und wie ich auf dem Fragebogen zu meinem Niveau angegeben hatte, kenne ich mich ein wenig mit dem Kleinen Kreislauf aus. Später bin ich einem anderen Lehrer begegnet, Faek Biria, der seine profunde Kenntnis des Iyengar-Yoga von dessen Gründer B. K. S. Iyengar selbst erlangt hat, und Faek Biria geht weiter als Doktor Yang. Er behauptet, um die Grundzüge des Meditierens kennenzulernen, brauche man mindestens zehn Jahre regelmäßige Praxis. Man müsse erst Becken, Brust und Schultern geöffnet und die Bandhas und Chakren kontrolliert haben und alle Pranayama-Techniken beherrschen, bevor es zu dieser mysteriösen Art von Verwandlung komme, die wir Meditation nennen, und sie komme ganz von allein. Alles, was man zuvor getan habe, habe nur ein Ziel gehabt: ihr den Weg zu ebnen. Würde jemand in eine Iyengar-Yogaschule gehen und naiv fragen, ob man hier denn neben den Yogastellungen auch ein bisschen Meditation mache, würde man ihn zwar nachsichtig, aber doch wie einen Volltrottel anschauen. Man würde ihm freundlich erklären, ob die gerade angesagten Gurus und Bücher zur Persönlichkeitsentwicklung etwas Meditieren nennen oder heiße Luft, sei Jacke wie Hose: Wenn man diese lange Vorbereitung nicht gemacht habe, könne man sich noch so viele tausend Stunden auf sein Zafu setzen und auf den Atem oder die Stelle zwischen den Augenbrauen konzentrieren, da könne man auch gleich Mittagsschlaf halten.