Читать книгу Vicky - Erich Rast - Страница 13
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ОглавлениеAm nächsten Tag konnte sie es kaum erwarten, endlich wieder M’xor zu sehen, zumal dies die letzte Gelegenheit sein sollte. Ob er tatsächlich nach Toulouse aufbrach und wie er als Gesuchter plante, in ein Raumschiff zu kommen? Ihre Mutter jedenfalls hielt von diesen Plänen nicht viel, und ihre Kollegen vom Widerstand offenbar noch weniger.
Zu Vickys Leidwesen steckte sie den ganzen Vormittag über auf der Farm fest. Vater arbeitete wie gewöhnlich auf den Feldern, aber Aldena hatte eigentlich keinen Grund, Hausarbeiten zu erledigen, statt in die Stadt zu fahren. Wahrscheinlich ging es ihr ums Prinzip, oder sie wollte keinen Verdacht erregen, jedenfalls machte sie keine Anstalten, sich auf den Weg zu machen. Stattdessen putzte sie die Küche, goss das Kräuterbeet hinter dem Haus, packte die Wäsche in die Waschmaschine und tat alles nur Erdenkliche, was sie normalerweise eher vor sich herschob. Vicky beschloss, dass sie es darauf angelegt haben musste, sie in den Wahnsinn zu treiben. Vielleicht dachte sie, ihre Tochter würde es sich anders überlegen und auf den versprochenen Besuch verzichten, der immerhin grundsätzlich gefährlich sein mochte. Wenn das ihr Motiv war, hatte sie sich aber mächtig getäuscht! Stur ertrug Vicky die Langeweile und schlug die Zeit damit tot, mit Tanxia Belanglosigkeiten über die Jungs in der Schule auszutauschen, für die sie sich sowieso nicht interessierte, und ihre schwere Krankheit vorzutäuschen.
Endlich, eine Stunde nach dem Mittagessen, packte ihre Mutter wortlos ihre Sachen in den Jeep. Vicky war sich sicher, dass sie allein gefahren wäre, wenn sie sie nicht vor dem Wagen abgepasst hätte.
Sie nahmen den Weg durch Terville und holten Meyer ab. Die beiden mussten sich abgesprochen haben, denn sie wechselten kaum mehr als ein paar Worte, die sich um unwichtige Dinge drehten. Er hatte mehrere Tüten dabei, die wahrscheinlich zusätzliche Proteine enthielten. Einmal, auf dem kurzen Weg zu Brenners Haus hörte sie hinter sich ein metallisches Klicken, wie wenn jemand in einer Holosendung sein Plasmagewehr durchlud. Sie erschauderte.
Diesmal erwartete sie Brenner vor dem Haus. Er saß auf einer Holzbank mit rustikalen Schnitzereien, trug auf dem Kopf einen grünen Filzhut. Über seinen Beinen lag locker ein gigantisches Plasmamaschinengewehr, ein mattschwarzes Ungetüm mit langem Zielfernrohr, als sei das die gewöhnlichste Sache der Welt. Zur Begrüßung führte er zum gespielten Salut die Hand an die Hutkrempe und brummelte: »Spät seid ihr dran.«
Mutter warf einen Blick auf die Uhr. »Kurz nach drei.«
»Er ist drinnen.«
Die Tür war unverschlossen, und diesmal fand Vicky ihn auf der Couch im Wohnzimmer statt im Bett wieder. Er studierte die Holonachrichten, die von der örtlichen Politik handelte. Meyer hielt ihre Mutter zurück, flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Also, verabschiede dich von ihm! Ich muss draußen was mit den anderen besprechen«, erklärte diese und ließ sie mit dem X’ur allein. Was für eine Geheimniskrämerei! Dabei hatte sie ihn doch gerettet!
»Hallo Vicky!«, begrüßte sie M’xor voller Freude und stellte den Ton leiser. »Sie wollen mich nicht nach Toulouse bringen. Ich soll in ein ›Safehaus‹, das mehrere Stunden entfernt ist.«
»Vielleicht liegt es näher am Zentralflughafen.«
Er strich mit einer seiner zangenartigen Greifhände über einen seiner Fühler, was ihn gleichzeitig menschlicher und mehr wie ein Grashüpfer aussehen ließ. Eine merkwürdige Mischung.
»Ich fürchte nein. Es ist mir immer noch nicht gelungen, ihnen klarzumachen, wie eilig ich die Erde verlassen und mich wieder meinem Auftrag zuwenden sollte.«
Vicky ließ sich zu ihm auf das Sofa fallen. »Du musst ihnen erklären, was genau du zu tun hast, dann hören sie dir zu. Solange sie nicht wissen, wie wichtig deine Mission ist, bleiben sie vorsichtig. Weißt du, die Aufstände sind lange her.«
Er deutete eine höfliche Verbeugung an. »Ich bin mir der Tatsache bewusst, meine liebe. Je mehr Einzelheiten ich jedoch verrate, desto mehr würde ich dich und deine Mutter gefährden. Es ist besser, zu schweigen. Man nennt dies ›operationelle Geheimhaltung‹.«
»Tja, wenn die korrupte Verwaltung dieses gottverlassenen Planeten eine Maglevstation gebaut hätte, dann könntest du vielleicht mit dem Zug abhauen. Du hättest auf einem weniger provinziellen –«
Er zuckte zusammen, als habe ihn ein elektrischer Schock getroffen. »Es gibt hier eine Maglev-Linie?«
Sie grinste verlegen. Das war ihr Spezialgebiet, was ihr in diesem Augenblick merkwürdig peinlich war. Dabei wusste ein X’ur vermutlich nicht, welche Hobbys für eine ›Men-shuk‹ ihres Alters als normal galten. »Sechs, um genau zu sein. Eine von ihnen verläuft nur zwei Kilometer von hier. Aber die läuft nur vierundzwanzig Kilometer über Terra, und natürlich haben wir vergessen, einen Bahnhof zu bauen. War ja klar.«
»Wohin führt sie?«
»Oh, dazu kann ich etwas sagen.« Sie kramte aus ihrem Rucksack das Notizbuch heraus und zeigte ihm ihre Einträge. »Wohin genau sie führen, hängt vom Transportunternehmen und von der Fahrtzeit ab. Nicht bei allen, bin ich mir sicher.« Sie zog eine Grimasse. »Aber das ist egal, sie halten ja sowieso nicht.«
»Ich kann die Schrift nicht lesen«, gab er zu und studierte dennoch mit weit geöffneten Augen die Einträge. »Fahren heute Nacht Züge?«
»Wie willst du ohne Haltestelle einsteigen?«
»Es gibt Wege. Jedoch nützt mir das nichts, wenn ich nicht weiß, wohin der Zug fährt. Könntest du mir deine Notizen erklären. Ich muss noch heute abreisen.«
Sie musterte ihn. Er saß schräg, was ihr nicht normal vorkam. Wahrscheinlich litt er unter Schmerzen. Egal wie zäh die X’ur sein mochten, ausgeheilt konnte er innerhalb von ein paar Tagen unmöglich sein. »Steht wirklich so viel auf dem Spiel?«
»Sehr viel. Mehr kann ich nicht verraten. Und deine Leute, so Recht sie aus ihrer Sicht haben mögen, wollen mich nicht nach Toulouse fahren. Sie sagen auf Terranisch, es müsse erst einmal ›Gras über die Sache wachen‹, was auch immer das bedeutet.«
»Ich könnte dich zur Bahnlinie bringen«, schlug sie vor.
Er wirbelte mit den Fühlern im Kreis und sein Kamm bewegte sich in Wellenlinien. »Deine Eltern würden das nicht gutheißen.«
Sie lachte und erwiderte mit einem lausbübischen Grinsen: »Sie müssen nichts davon erfahren. Operationelle Geheimhaltung. Außerdem war ich schon tausendmal bei der Maglev-Linie und die Xu’Un’Gil sind wieder abgezogen. Ich kann dich hinbringen und kenne die Zugverbindungen!«
Er wirkte unschlüssig, soweit sie das als Mensch einschätzen konnte, betrachtete gedankenversunken das Holobild, auf dem ein langweiliges Treffen von Politikern oder Managern gezeigt wurde, die um einen Tisch saßen und diskutierten.
»Ich müsste noch heute los ...«