Читать книгу Vicky - Erich Rast - Страница 6

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Ihr Leben lang hatte sie davon geträumt, zu den Sternen zu reisen, die vielen anderen Spezies kennenzulernen, die das Universum bevölkerten, oder wenigstens wie ihr Bruder einmal von der Oberfläche runterzukommen und ein paar Monate auf einer modernen Raumstation zu verbringen, und dann fällt dem ersten Außerirdischen, dem sie abgesehen von den Echsenköpfen begegnet, zur Erde nichts weiter als das Wort ›Scheiße‹ ein? Sie unterdrückte den Zorn und einen Anfall von Lokalpatriotismus, der wider Willen in ihr aufkam. Es gab Wichtigeres zu tun, als den verletzten Piloten über die Vorzüge von Terra aufzuklären, an die sie selbst nicht glaubte.

»Es kommt bald Hilfe«, erklärte sie. »Die Behörden sind sicher schon auf dem Weg.«

Dass es sich dabei erst einmal wohl bloß um den Dorfpolizisten und den Bürgermeister handelte, die sicher just in diesem Moment an der elterlichen Farm vorbei mit dem Jeep unterwegs waren, verschwieg sie. Der Außerirdische stöhnte erneut und begann, mit beiden Greifzangen am Gurtsystem herumzufummeln. Sie trat näher und half ihm, obwohl er ihr instinktiv Furcht einjagte. Davon hatten sie im Xenobiologieunterricht gelernt, die Angst vor dem Unbekannten war den Menschen wie den meisten vernunftbegabten Spezies angeboren und musste erst überwunden werden. Sie hatte das immer für Propaganda der Xu’Un’Gil gehalten. Vielleicht war wirklich was dran.

»Bitte ...«, murmelte der Grashüpfer-Drache. »Keine Behörden.«

»Sie kommen gleich«, versuchte sie ihn zu beruhigen. Sie ging mittlerweile davon aus, dass er verwirrt war, und ihr fiel ein Riss an der Seite seines Raumanzugs auf, aus dem eine Menge zähflüssiger grüner Flüssigkeit lief, bei der es sich nur um Blut handeln konnte.

»Nein ... bitte ... keine Behörden. Muss ... weiter.«

Sie fand den Sicherungsknopf, den er suchte, und das Gurtsystem sprang auf. Er packte mit beiden Armen die Kapselwände und hievte sich heraus, stolperte jedoch über den Kraterrand. Sie fing ihn auf, stützte ihn und vergaß dabei die Angst vor dem Unbekannten.

»Bitte, sie sind verletzt, sie brauchen ärztliche Hilfe. In Groß-Menlow betreiben die Xu’Un’Gil eine Xenoklinik, dort kann ihnen –«

»Oh, nein! Keine Xu’Un’Gil!«

Das Sprechen kostete dem Besucher sichtbare Mühe, aber die Botschaft war eindeutig. »Keine Xu’Un’Gil?«

Seine Fühler bewegten sich auf und ab. »Richtig.« Halb auf sie gestützt betrachtete er den Himmel. Er starb doch nicht etwa schon, während sie ihn stützte?

»Sie sind ein Men’shuk?«

»Ein Mensch, ja.«

»Richtig. Menuschuk«, wiederholte er das fremdartige Wort, das natürlich bloß als Lehnwort ins Standard-Intergal übernommen worden war. Dazu gab es festgelegte Transliterationsvorschriften, anhand derer die Laute an das vereinfachte phonetische System des Intergal angepasst wurden.

»Bitte nur Menschuk’en – keine Xu’Un’Gil. Ich muss weiter ...«

»Sie müssen sich ausruhen und brauchen Hilfe«, hielt sie dagegen, und er widersprach nicht. Aber er bestand darauf, so schnell wie möglich von der Rettungskapsel wegzukommen, also tat sie das Beste, was ihr in diesem Augenblick einfiel, und führte ihn zur Scheune der elterlichen Farm. Der Weg dauerte normalerweise höchstens zehn Minuten und sie brauchten eine halbe Stunde, doch jedes Mal, wenn sie anhalten wollte und vorschlug, im Netz nach Hilfe zu suchen, lehnte er ab und zog sie fast weiter, obwohl er deutlich humpelte, mit dem linken Fuß kaum aufsetzen konnte, und schrecklich blutete. Wie viel Blut er wohl verlieren konnte?

Ihr Eltern brachten sie um, wenn sie erfuhren, wen sie da in der Scheune beherbergte, und nicht nur ihre Eltern. Der Pilot wollte nichts mit den Behörden zu tun haben, fürchtete sich vor den Xu’Un’Gil. Wenn er nicht gut mit ihnen stand, dann hatte sie nicht vor, ihn an sie auszuliefern. Aber sie musste auf der Hut sein und die Neuigkeit erst einmal für sich behalten.

Vicky

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