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Kapitel 3

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Unterwegs stürzte sie und schrammte sich die Hände auf, weil diese verdammte Plastiktüte, die ihr Herr Meyer mitgegeben hatte, andauernd gegen die Beine baumelte. Es war bereits dunkel, als sie auf die Hofeinfahrt bog. Der Jeep ihres Vaters stand an seinem angestammten Platz und deutete darauf hin, dass er zurück war und aufs Abendessen wartete. Später als normal, stellte Vicky fest, der Weg von den Nordfeldern dauerte nicht länger als eine halbe Stunde.

Sie sprang vom Rad und schob es bewusst in den Schatten zwischen Scheune und Haupthaus, damit sie nicht sehen konnten, dass sie schon zurück war. Sonst hätten sie womöglich nach ihr gesucht, und das wollte sie vermeiden. Nicht, dass sie jemand in der Scheune vermutet hätte. Sie produzierten schon lange kein Heu mehr, sodass sie bloß als Lagerschuppen diente. Da die Ernteroboter im Freien oder in modernen Lagerhallen bei den Südfeldern gewartet wurden, blieb das Gebäude praktisch unbenutzt. Mutter hatte einmal vorgehabt, es in einen Anbau mit Wintergarten umzuwandeln, doch die Pläne waren die Jahre über im Sand stecken geblieben und es hatte ihnen an Geld gemangelt.

Vicky schlich sich durch die Hintertür, vorbei an rostigen Erntemaschinen der vorletzten Generation im Halbdunkel zu der Vorratskammer, in der sie M’xor untergebracht hatte. Wenn sie die Tür schloss, konnte sie das Licht einschalten, ohne dass jemand im Haupthaus davon etwas mitbekam. Er lag auf der alten Matratze genau so, wie sie ihn verlassen hatte, und ihr Herz schlug höher. War er gestorben? Wie sollte sie das den Behörden erklären? ›Herr Richter! Ich habe einen bruchgelandeten Außerirdischen im Schuppen unserer Farm krepieren lassen, aber meine Motive waren vollkommen in Ordnung! Ich wollte ihm nur helfen, weil er ein Feind der Xu’Un’Gil ist.‹ Das hörte sich nicht gut an.

Er regte sich nicht, doch als sie vorsichtig die Tüte absetzte, schlug er plötzlich die Augen auf und sie erschrak. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab, aber vielleicht bildete sie sich das nur ein, denn er schien eigentlich immer zu lächeln, und seine Grashüpferfühler bewegten sich auf lustige Weise. »Herr Vicky«, erklärte er mit leiser Stimme in seinem perfekt intonierten Intergal. »Sie sind zurückgekommen.«

»Frau«, korrigierte sie ihn. »Oder Mädchen. Ich bin eine sechzehnjährige Menschenfrau.«

»Ah«, raunte er und räusperte sich. Er wirkte schwach und verletzlich, machte keine Anstalten, sich aufzusetzen. Er musste an Kraft verloren haben. Auf terranisch fügte er hinzu: »Fräulein Vicky.«

»Das Wort ›Fräulein‹ ist sexistisch und wir verwenden es seit Jahrhunderten nicht mehr. Ein einfaches ›Vicky‹ reicht.«

»Ah, gut. Vicky sei es dann.«

»Wie geht es ihnen?«

Ihr fiel auf, dass ein Teil der Matratze von diesem grünen Glibber bedeckt war, bei dem es sich um sein Blut handeln musste. Das konnte kein gutes Zeichen sein.

»Wir können uns im Intergal gerne Duzen. Auch im Terranischen, was ich nur schlecht beherrsche. Liebe Vicky, es geht mir nicht allzu gut. Ohne Proteine kann ich mich nicht regenerieren, eine sehr schmerzhafte Situation.«

Sie holte die beiden Packungen hervor und zeigte sie ihm. Mühsam zog er sich an einem Metallregal empor, bis er aufrecht saß, und studierte die Aufschriften.

»Ich wollte keine Netzanfragen stellen, aber jemand, der sich hoffentlich auskennt, hat mir versichert, dass dieses Generikum für X’ur geeignet ist.«

Er nickte, und seine Fühler bewegten sich aufgeregt auf und ab. »Das sollte reichen, zusammen mit dem Wasser, das du mir schon gebracht hast und das hervorragend schmeckt.«

Er fummelte mit seinen eleganten, zangenartigen Fingern an der Packung herum, war aber offenbar zu schwach, um sie zu öffnen. Vicky half ihm, fand die Lasche und zog sie auf. Darin ruhten fünf kleinere Packungen, durchsichtige Plastiktüten, die in militärisch anmutender Intergal-Schrift und mit diversen Runenschriften bedruckt war. Sie enthielten eine grünlich-braune, zähe Flüssigkeit, die an eine Mischung aus gehacktem Spinat und Schlamm erinnerte.

»Ich hoffe, das ist genießbar«, murmelte sie.

»Wahrscheinlich nicht, liebe Vicky. Dennoch hege ich dieselbe Hoffnung.«

Ob es an ihrem Intergal lag oder ob er scherzte, konnte sie nicht sagen. Ein Plastikstrohalm war beigefügt, und dazu eine Reihe merkwürdiger Aufsätze, die wohl als Mundöffnungen dienten. M’xor ignorierte sie, pikste den Strohhalm wie bei einer Limonade für Kinder in die Tüte und probierte einen langen Zug der zähen Flüssigkeit. Er schüttelte sich am ganzen Körper auf eine Weise, in der sich kein Mensch schütteln konnte, eher wie ein Zittern aller Muskeln gleichzeitig, und die Fühler und der Kam sanken nach unten. Vicky war sich sicher, dass die Geste Schmerz oder Missvergnügen ausdrückte.

Er wies auf ein Rechteck voller wirrer Linien und Kanten, das Vicky für einen Code fürs Telefon hielt. »Da steht in meiner Sprache drauf, dass ich es essen kann. Doch schmeckt es eher ungenießbar.«

Er schlürfte weiter und schmatzte dabei laut, bis die Tüte leer war. Dann gab er ein zufriedenes Seufzen von sich, dass sich von einem menschlichen kaum Unterschied, und lehnte sich an das wackelige Metallregal. »Das reicht erst einmal. Über Nacht regeneriere ich, dann geht es mir wieder besser. Morgen nehme ich eine weitere Portion zu mir.«

Vickys Handy blinkte und zwei Textnachrichten erschienen. Eine kam von Tanxia, die andere von ihrer Mutter. Sie besagte: »Wo treibst du dich rum? Abendessen!«

»Die Verletzung ist morgen schon wieder verheilt?«, wunderte sie sich.

Er gab ein abgehaktes Keuchen von sich und Kamm und Fühler stellten sich auf. Sie war sich sicher, dass er lachte. »Aber nein, meine liebe Vicky. Wir X’ur sind zäher als ihr Men-shuk, doch ein Weilchen länger wird es dauern. Ich habe viel Blut verloren. Gesund bin ich morgen noch lange nicht, aber hoffentlich fit genug, um weiterzureisen. Ich muss weiter.«

»Ohne Raumschiff?«

Das Telefon meldete sich erneut und sie las: »Wo bleibst du? Bist du in Terville?«

»Oh«, murmelte er. »In der Tat, liebe Vicky, das habe ich nicht bedacht. Sieht es um das Schiff ... sehr schlecht aus?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe nicht viel von Raumschiffen. Es hat eine zweihundert Meter lange Schneise durch den Wald geschlagen. Das kann nicht gut sein.«

»Oh je, das hört sich schlecht an. Vicky, ich werde mich ausruhen, und morgen sehen wir weiter.«

Sie nickte, fragte ihn, ob er noch mehr brauche. Er studierte das Erste-Hilfe-Set und legte es zur Seite. Es gehe ihm gut, behauptete er, und er empfahl ihr, sich den menschlichen Familienangelegenheiten zuzuwenden, die gewiss wichtiger als ein Gespräch mit ihm seien. Die Art und Weise, wie er sich ausdrückte, brachte sie zum Schmunzeln. Er schien immer so zu sprechen und sie war sich nicht sicher, ob sein Intergal nicht bloß einfach gehobenerer als ihres war.

Sie verabschiedete sich und wählte einen Rückweg um die Scheune herum, sodass es so aussah, als käme sie mit dem Rad über den Feldweg. Diese kleine Täuschung fühlte sich wie eine schreckliche Lüge an, sie verstand sich bestens mit ihren Eltern und hatte in der Vergangenheit selten einen Grund gehabt, ihnen etwas vorzuspielen. Aber sie konnte ihnen zu diesem Zeitpunkt unmöglich reinen Wein einschenken. Dazu war die Herkunft des Bruchpiloten politisch zu brisant – und zwar auch familienpolitisch. Pete arbeitete nun mal letztlich für die Xu’Un’Gil, selbst wenn weder er noch Vater das wahrhaben wollten.

Vicky

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