Читать книгу Kartellrechtliche Schadensersatzklagen - Fabian Stancke - Страница 86
h) Rügelose Einlassung
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Die Zuständigkeit des Gerichts wird gemäß Art. 26 Abs. 1 EuGVVO auch dadurch begründet, dass sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt. Als Rechtsfolge des Unterlassens einer Rüge wird „das Gericht“ zuständig, es wird mithin die internationale Zuständigkeit des Gerichtslandes und auch die örtliche Zuständigkeit innerhalb der nationalen Jurisdiktion begründet.275 Da Einwendungen gegen die internationale Zuständigkeit für die Rechtsverteidigung der Beklagten von großer praktischer Bedeutung sind, gilt es, eine nicht beabsichtigte Begründung der internationalen Zuständigkeit durch rügelose Einlassung in jedem Fall zu vermeiden.
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Dabei muss der Beklagte beachten, dass eine Zuständigkeitsbegründung nach Art. 26 Abs. 1 EuGVVO nicht mit einer rügelosen Einlassung i.S.d. deutschen § 39 ZPO identisch ist. Die internationale Zuständigkeit kann bei Anwendbarkeit von Art. 26 Abs. 1 EuGVVO bereits durch eine Verteidigungshandlung im Vorfeld der mündlichen Hauptverhandlung begründet werden, nicht erst durch rügeloses Verhandeln in der mündlichen Hauptverhandlung, siehe § 39 ZPO. Auch bei Zweifeln an der Anwendbarkeit von Art. 26 EuGVVO sollte die Rüge der internationalen Zuständigkeit seitens des Beklagten vorsorglich immer auch den strengeren Maßstab von Art. 26 EuGVVO erfüllen. Zudem sollte der Beklagte stets ausdrücklich klarstellen, dass sich seine Rüge der örtlichen auch auf die internationale Zuständigkeit bezieht, auch wenn die Rüge der internationalen Zuständigkeit konkludent erfolgen kann276 und die Rüge des Beklagten im Zweifel als auf die Rüge der internationalen Zuständigkeit bezogen auszulegen ist.277
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Die Anwendung von Art. 26 Abs. 1 EuGVVO, der in seinem Anwendungsbereich § 39 ZPO verdrängt, setzt voraus, dass ein internationaler Sachverhalt und kein reiner Inlandsfall vorliegt.278 Auf den Wohnsitz der Parteien soll es nach wohl h.M. nicht ankommen, wobei nach Rechtsprechung des BGH dann zumindest ein Bezug zu einem Vertragsstaat der EuGVVO vorliegen muss,279 während der EuGH in einem obiter dictum angedeutet hat, dass auch dieses Kriterium entbehrlich sei.280
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Was eine zuständigkeitsbegründende (rügelose) Einlassung darstellt, ist autonom zu interpretieren.281 Danach muss keine Einlassung zur Hauptsache vorliegen, sondern es genügt bereits jede Verteidigungshandlung, die auf Klageabweisung abzielt.282 Nicht erforderlich ist, dass es sich um eine Einlassung zur Hauptsache handelt. Zur Rügepräklusion führen bereits Einwendungen, die nur das Verfahren betreffen.283 Die internationale Zuständigkeit kann also schon dann nicht mehr wirksam gerügt werden, wenn sich der Kläger zuvor auf das Fehlen anderer Zulässigkeitsvoraussetzungen berufen hat.284 Beispiele sind der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit, die Rüge der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, die Behauptung des Fehlens sonstiger Sachurteilsvoraussetzungen oder auch die Ablehnung eines Richters wegen Befangenheit.285 Aber auch das Bestreiten des klägerischen Anspruchs oder das Behaupten und Bestreiten von Tatsachen oder das Stellen von Beweisanträgen sind erfasst.286
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Letztlich gibt es mit Ausnahme der Rüge der internationalen Zuständigkeit selbst keine Konstellation, in der eine Einlassung auf das Verfahren nicht als zuständigkeitsbegründend angesehen werden kann.287 Auch spielt keine Rolle, ob das Verteidigungsvorbringen mündlich oder schriftlich erfolgt.288 Kein rügeloses Verhandeln liegt jedenfalls in einem bloßen Verstreichenlassen einer dem Beklagten gesetzten Frist.289 Deshalb kann ein Beklagter, der die Klageerwiderungsfrist hat verstreichen lassen, die internationale Unzuständigkeit des Gerichts auch noch zu Beginn der mündlichen Verhandlung rügen, wenn dies sein erstes Verteidigungsvorbringen darstellt.290 Freilich riskiert der Beklagte dann die Präklusion seines weiteren Verteidigungsvorbringens.
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Der Beklagte hat die Möglichkeit, die internationale Zuständigkeit des Gerichts zu rügen und sich nur hilfsweise zur Sache einzulassen.291 Er stellt dann seine Einlassung auf das Verfahren unter die innerprozessuale Bedingung, dass seine Rüge der internationalen Zuständigkeit zurückgewiesen wird. Der Beklagte muss also nicht wählen, ob er nur die internationale Zuständigkeit rügen und im Misserfolgsfall das Risiko tragen möchte, nach nationalem Zivilprozessrecht mit sonstigen Verteidigungshandlungen ausgeschlossen zu sein, oder ob er weitere Einwendungen gegen die Klage vorbringt und deshalb möglicherweise sein Recht verliert, die internationale Zuständigkeit des Gerichts zu rügen.292
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Die Wirkungen von Art. 26 Abs. 1 EuGVVO treten auch dann nicht ein, wenn der Beklagte den Mangel der Zuständigkeit gleichzeitig und nur hilfsweise mit seiner ersten Verteidigungshandlung nach der lex fori erhebt.293 Kläger und Gericht müssten bei der ersten Einlassung des Beklagten nur erkennen können, dass sich diese gegen die Zuständigkeit des Gerichts richtet.294 Diese Erkennbarkeit sieht der EuGH sowohl dann als gegeben an, wenn der Beklagte neben der Zuständigkeitsrüge hilfsweise andere Verteidigungsmittel vorbringt als auch, wenn er die fehlende Zuständigkeit gegenüber anderen Verteidigungsmitteln nur hilfsweise geltend macht.295
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Die vom Beklagten erhobene Rüge der internationalen Zuständigkeit ist ebenso wie alle sonstigen Prozesshandlungen im Anwendungsbereich der EuGVVO nach allgemeinen Grundsätzen der Auslegung zugänglich.296 Es genügt also, wenn sich bei Anwendung allgemeiner Auslegungsgrundsätze ergibt, dass der Beklagte den Einwand fehlender internationaler Zuständigkeit erheben möchte.297 Ein bloßer Vorbehalt der Zuständigkeitsrüge ist nicht ausreichend.298 Allerdings können sich weitere Anforderungen an die Art und Weise der Erhebung der Zuständigkeitsrüge, beispielsweise die Notwendigkeit einer Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt, aus der jeweiligen lex fori ergeben.299
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Das Gericht hat mit Ausnahme der für kartellrechtliche Schadensersatzverfahren nicht relevanten Sonderfälle in Art. 26 Abs. 2 EuGVVO keine Pflicht, auf die mögliche Rechtsfolge der Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung hinzuweisen.300 Zudem muss sich der Beklagte an einer einmal erfolgten Zuständigkeitsbegründung festhalten lassen. Da die rügelose Einlassung eine Prozesshandlung darstellt, ist sie keiner Anfechtung o.Ä. zugänglich.301
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Es empfiehlt sich für einen Beklagten, der die internationale Zuständigkeit rügen möchte, bereits bei Abgabe der Verteidigungsanzeige kenntlich zu machen, dass das weitere Verteidigungsvorbringen nur hilfsweise erfolgt. Bislang ist keine höchstrichterliche Klarstellung erfolgt, ob die Verteidigungsanzeige bereits ein Verteidigungsvorbringen des Beklagten darstellt. Zwar handelt es sich bei der Verteidigungsanzeige nach ganz h.M. nicht um ein Verteidigungsvorbringen im Sinne von Art. 26 EuGVVO, da diese einen rein rechtswahrenden Charakter besitzt.302 Gegen diese Auffassung könnte aber sprechen, dass das Vorverfahren nach § 276 ZPO nicht rein vorbereitender Natur ist. Der Beklagte gibt durch die Abgabe der Verteidigungsanzeige zu erkennen, dass er sich gegen den ihm bekannten Sachvortrag des Klägers wendet und den eingeklagten Anspruch nicht anerkennt. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn der Beklagte zusammen mit der Verteidigungsanzeige einen Klageabweisungsantrag ankündigt. Spätestens aber muss die Rüge der internationalen Zuständigkeit in der schriftlichen Klageerwiderung (zumindest hilfsweise) enthalten sein.303
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Weiter kann die zuständigkeitsbegründende Wirkung von Art. 26 EuGVVO auch noch während des laufenden Verfahrens eintreten, wenn der Beklagte an der Rüge der Zulässigkeit nicht weiter festhält.304 Obgleich der Beklagte seinen Verzicht auf eine einmal erhobene Rüge unmissverständlich zum Ausdruck bringen müsste,305 empfiehlt es sich aus Beklagtensicht, in jedem weiteren Schriftsatz klarzustellen, dass an der Rüge der internationalen Zuständigkeit festgehalten wird. Nicht zuletzt ist zu beachten, dass der Beklagte eine in erster Instanz wirksam vorgebrachte Zuständigkeitsrüge in der Rechtsmittelinstanz wiederholen muss, bevor er sich zur Sache einlässt.306