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VIERTES KAPITEL

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Josephs ausgezeichnete Selbstbeherrschung.

1. Den Joseph kaufte von den Händlern ein Ägypter Petephres*, der Küchenmeister des Königs Pharao, und hielt ihn hoch in Ehren. Denn er ließ ihn in den freien Künsten unterrichten, gab ihm bessere Nahrung, als bei Dienern üblich war, und machte ihn zum Vorsteher seines Hauses. Joseph nahm das alles an, ohne von seiner gewohnten Tugend abzuweichen; vielmehr bewies er, dass Klugheit die größten Schwierigkeiten des Lebens überwinden könne, wofern sie nur rein und unbefleckt und nicht bloß den augenblicklichen günstigen Verhältnissen angepasst sei.

2. Es war nämlich seines Herrn Weib wegen seiner Schönheit und Geschicklichkeit von Liebe zu ihm entbrannt, und sie glaubte, sie werde, wenn sie ihm dies mitteile, ihn leicht zu sündigem Umgang verlocken können, ja er werde es als ein Glück betrachten, dass seine Herrin solches von ihm verlange; denn sie dachte nur an seinen gegenwärtigen Stand eines Knechtes, nicht aber an seine guten Sitten, die trotz des veränderten Standes dieselben geblieben waren. Als sie aber ihr heftiges Verlangen ihm verriet und ihm den Beischlaf antrug, wies er ihr Begehren zurück und hielt es für unrecht, dass sie ihm eine Gunst gewähren wolle, welche über den, der ihn gekauft hatte und ihn in so hohen Ehren hielt, nur Schmach und Schande bringen würde. Dann ermahnte er sie, ihre Begierde zu zügeln, und nahm ihr die Hoffnung, als ob er je ihr willfahren würde; denn so, meinte er, werde sie eher von ihrem ungestümen Verlangen abstehen. Auch habe er sich fest vorgenommen, eher das Äußerste zu erdulden, als ihr zu Willen zu sein. Denn wenn es sich auch für den Knecht nicht zieme, der Herrin sich zu widersetzen, so glaube er doch für seinen Ungehorsam gegen ihren Befehl hinreichende Entschuldigung zu haben. Da sie aber solchen Widerstand nicht erwartet hatte, wurde ihre Liebe nur noch heftiger, und weil ihre schlechte Begierde sie dazu trieb, beschloss sie, ihn ein zweites Mal zu bestürmen.

3. Als nämlich ein öffentliches Fest bevorstand, dessen Besuch auch für die Frauen Sitte war, schützte sie bei ihrem Gatten Krankheit vor, um ihr Verlangen an Joseph wieder stellen zu können, wenn Ruhe und Stille im Hause herrsche. Als sie das erreicht hatte, bestürmte sie ihn mit noch einschmeichelnderen Worten als früher: Es sei besser gewesen, wenn er früher ihrem Verlangen willfahrt und keinen Widerstand geleistet hätte, teils aus Ehrfurcht vor ihr, teils wegen der Heftigkeit ihrer Liebe, die sie, die Herrin, veranlasst habe, sich unter ihre Würde zu erniedrigen. Doch könne er durch kluges, entgegenkommendes Benehmen seine Unterlassung wieder gutmachen. Wenn er eine zweite Bitte ihrerseits erwartet habe, so tue sie das jetzt, und zwar inständiger als zuvor. Sie habe Krankheit vorgeschützt und seine Gesellschaft dem rauschenden Feste vorgezogen. Habe er aber ihren früheren Worten misstraut und ihnen deshalb nicht nachgegeben, so könne er jetzt daraus, dass sie auf ihrem früheren Verlangen bestehe, leicht entnehmen, dass sie keine böse Absicht habe. Deshalb könne er sowohl das gegenwärtige Glück, das ihm schon winke, genießen, wenn er ihr Verlangen erfülle, als auch auf noch größeres hoffen. Dagegen aber könne er sich auf ihren Hass und ihre Rache gefasst machen, wenn er ihre Bitte zurückweise und lieber seine Keuschheit bewahren, als seiner Herrin zu Willen sein wolle. Die Keuschheit werde ihm übrigens wenig nützen, denn sie brauche nur die Anklage gegen ihn vorzubringen und ihrem Manne vorzulügen, sie sei von ihm angegriffen worden, und Petephres werde doch ihren Worten mehr Glauben schenken als den seinigen, und wenn sie noch so sehr den Schein der Wahrheit an sich trügen.

4. So beschwor ihn das Weib unter Tränen; doch ließ er sich weder aus Mitgefühl noch aus Furcht von seiner Keuschheit abbringen, sondern er widerstand ihren Bitten wie ihren Drohungen und verabscheute das Böse. Denn lieber wollte er bitteres Leid ertragen, als augenblickliches Wohlbehagen genießen und dem Weibe zuliebe etwas begehen, das ihm, dessen war er sich bewusst, von Rechts wegen den Tod zuziehen musste. Auch ermahnte er sie, ihrer ehelichen Verbindung und Pflichten zu gedenken und beschwor sie, darauf mehr Rücksicht zu nehmen als auf die Befriedigung einer augenblicklichen Lust. Denn dieser würden Reue und Schmerz folgen, die die Sünde nicht ungeschehen machen könnten; zudem werde sie in beständiger Furcht vor Ertappung schweben und es als einzige Wohltat betrachten, wenn der Frevel geheim bliebe. Mit ihrem Gatten dagegen könne sie ohne Gefahr verkehren und habe dann auch noch die Zuversicht eines guten Gewissens vor Gott und den Menschen. Auch werde sie, wenn sie ihre Reinheit bewahre, eher das Recht der Herrin ihm gegenüber vertreten können, als wenn die Scham über sein Mitwissen um ihre Sünde sie darin beschränke. Denn es sei besser, den rechten Weg offen zu wandeln, als im Geheimen zu sündigen.

5. Durch diese und ähnliche Vorstellungen versuchte er die heftige Begierde des Weibes zu zügeln und sie von ihrer verkehrten Leidenschaft zu vernünftigem Nachdenken hinüberzulenken. Sie aber bestand nur umso fester auf ihrem Begehren, und da sie daran verzweifelte, ihn mit Worten sich geneigt machen zu können, legte sie Hand an ihn und versuchte ihn mit Gewalt zu zwingen. Joseph aber floh entrüstet, und indem er das Kleid, an welchem sie ihn gefasst, zurückließ, stürmte er aus ihrem Schlafgemach hinaus. Da sie aber befürchtete, er möchte ihrem Gatten von der Sache Mitteilung machen, hielt sie, schmerzlich ergriffen wegen ihrer schmachvollen Niederlage, es für geraten, den Joseph bei Petephres falsch anzuklagen und so Rache für die ihr widerfahrene Beleidigung zu nehmen. Denn sie hielt es für klug und ihr als Frau wohl anstehend, ihm mit der Beschuldigung zuvorzukommen. Und so saß sie betrübt und verwirrt da und heuchelte Schmerz, als ob ihre Schamhaftigkeit verletzt worden sei, während sie in Wirklichkeit doch nur aufgebracht darüber war, dass ihre Begierde nicht gestillt worden war. Als nun ihr Gatte heimkehrte und sich über ihren Anblick entsetzte, fing sie auf seine Frage nach dem Grunde ihrer Betrübnis an, den Joseph zu beschuldigen und sprach: »Du verdienst zu sterben, o Gemahl, wenn du den nichtswürdigen Knecht, der dein Ehebett entehren wollte, nicht mit gebührender Strafe belegst. Denn uneingedenk des Zustandes, in dem er unser Haus betrat, und uneingedenk der Wohltaten, die du ihm erzeigtest, hat er, statt Dankbarkeit gegen uns zu beweisen, tückischerweise dein Ehelager zu entweihen versucht, und dazu noch an einem Festtage in schlauer Berechnung deiner Abwesenheit. Die Bescheidenheit, welche er früher zur Schau trug, legte er sich nur aus Furcht vor dir auf, und nicht etwa, weil er wirklich rechtschaffenen Gemütes war. So ist es aber gekommen, weil er wider Verdienst und Erwarten zu Ehren gelangt war; infolgedessen hielt er es für billig, dass er, dessen treuer Verwaltung du alle deine Güter anvertraut und den du über deine älteren Diener gesetzt hattest, sich nun auch an deiner Gattin vergreifen dürfe.« Nach diesen Worten zeigte sie ihm das Kleid, gleich als wenn er es zurückgelassen hätte, als er ihr Gewalt antun wollte. Petephres aber, der weder den Tränen und Worten seiner Gattin noch dem Augenschein misstraute und sie überdies sehr liebte, stand von weiterer Untersuchung des Sachverhaltes ab, lobte sein Weib ob ihrer Schamhaftigkeit und ließ den Joseph, den er nun für nichtswürdig hielt, ins Gefängnis werfen. Von seiner Gattin dagegen dachte er nur Gutes, weil er ihre Züchtigkeit und Keuschheit erprobt habe.

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