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Der Ärger mit der Unendlichkeit

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In dieser Aufbruchsstimmung fand im Jahr 1900 der internationale Mathematiker-Kongress in Paris statt. Aus Göttingen, damals wohl gerade die Welthauptstadt der Mathematik, reiste der junge Professor David Hilbert an. Mit seinen achtunddreißig Jahren galt er bereits als einer der ganz Großen seines Fachs. Man erwartete von ihm eigentlich einen Rückblick, eine Zusammenfassung großer mathematischer Erfolge der Vergangenheit. Doch stattdessen beschloss Hilbert nach vorne zu schauen und dem Publikum eine Liste großer, ungelöster mathematischer Aufgaben zu präsentieren, die im neuen Jahrhundert gelöst werden sollten. Es war die größte Verteilung von Mathematik-Hausaufgaben der Wissenschaftsgeschichte.

Als die „Hilbert’schen Probleme“ ging diese Aufgabensammlung in die Geschichte ein. Und die Nummer zwei auf dieser Liste sollte die Welt der Mathematik dauerhaft verändern. Es war eine Frage, in der es um die Axiome der Mathematik ging: Lässt sich mathematisch beweisen, dass Peanos Axiome (oder ähnliche andere Konzepte) in sich widerspruchsfrei sind?


Das ist vielleicht die wichtigste Forderung, die man an die Mathematik stellen kann: Niemals darf die Mathematik zwei Aussagen zulassen, die einander widersprechen. Die beiden Sätze „A ist B“ und „A ist nicht B“ können niemals beide richtig sein, sonst würde die gesamte logische Struktur der Mathematik zusammenbrechen. Man könnte dann jede beliebige Aussage beweisen – etwa „Acht mal sieben ist vier“ oder „Deine Mutter ist ein Pinguin“.

Der große Logiker Bertrand Russell erklärte das in einer Vorlesung und wurde dann von einem Studenten gefragt: „Das heißt, unter der Annahme, dass 1=0 ist, können Sie beweisen, dass Sie der Papst sind?“ Für Russell war das kein Problem: „Wir addieren auf beiden Seiten eins – dann bekommen wir die Gleichung 2=1. Die Menge, die nur mich und den Papst enthält, hat zwei Elemente. Aber 2=1, also hat sie nur ein Element, also bin ich der Papst.“

Ist es möglich, dass aus Peanos Axiomen derart widersprüchliche Aussagen folgen? Lässt sich streng beweisen, dass ein solcher Widerspruch niemals auftreten kann? Das ist doch gar nicht nötig, könnte man vermuten. Peanos Axiome über die natürlichen Zahlen klingen doch so harmlos, so einfach und eindeutig – wie sollten sich daraus innere Widersprüche ableiten lassen? Aber solche Vermutungen sind in der Mathematik nicht genug. Ein zwingender Beweis muss her.

Dass David Hilbert einen solchen Beweis suchen wollte und dieses Projekt zu den bedeutendsten Aufgaben für die Mathematik des zwanzigsten Jahrhunderts zählte, hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass in der Mathematik damals nicht alles so glatt und reibungslos lief, wie man sich das gewünscht hätte. Es gab einige verwirrende Probleme, über die in Mathematikerkreisen heftig gestritten wurde.

Zu den besonders komplizierten mathematischen Themen, mit denen man im neunzehnten Jahrhundert ziemlichen Ärger hatte, gehört der Begriff der Unendlichkeit. „Unendlich“ ist keine Zahl, mit der man nach den üblichen Regeln rechnen kann. Fünf ist immer fünf, und wenn das Ergebnis einer anderen Rechnung wieder fünf ist, dann ist das genau dasselbe Fünf wie vorher. Aber ist auch das Unendliche immer gleich? Gibt es unterschiedliche Arten von unendlich? Ist unendlich mal unendlich ein größeres Unendlich als unendlich plus unendlich?

Mit solchen Fragen beschäftigte sich der Mathematiker Georg Cantor. Er begründete die Mengenlehre, um die Gesetze des Unendlichen fassbar zu machen. Wenn die menschliche Intuition versagt, dann muss man eben schwammige Begriffe durch exakte Definitionen ersetzen, schlampige Gewohnheiten fallen lassen und präzise Regeln aufstellen.

Dabei stieß Georg Cantor auf erstaunliche Überraschungen, etwa als er über folgende Frage nachdachte: Haben auf einer Fläche mehr Punkte Platz als auf einer Linie? Sowohl auf einer Linie als auch auf einer Fläche lassen sich unendlich viele Punkte einzeichnen. Aber eine Fläche kann man sich aus unendlich vielen Linien zusammengesetzt denken. Sollte die Unendlichkeit der Punkte auf der Fläche also nicht noch viel unendlicher sein?

Verblüfft saß Cantor schließlich vor seinen Ergebnissen und stellte fest: Das stimmt nicht. Beide Unendlichkeiten sind tatsächlich gleich groß. „Ich sehe es, aber ich glaube es nicht“, schrieb er an seinen Freund und Kollegen Richard Dedekind. Wenn es schon Cantor selbst schwerfiel, seinen eigenen Beweisen zu vertrauen, dann darf man sich nicht wundern, wenn manche Fachkollegen die merkwürdigen Unendlichkeitsregeln Cantors noch viel kritischer sahen. Als „Verderber der Jugend“ beschimpfte man ihn, als er seine Thesen unterrichtete.

Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl

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