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aa) Anspruchsgruppen (Fünf-Schritte-Regel)

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Die Fünf-Schritte-Regel bezieht sich auf den Umgang mit und die Reihenfolge der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. Die Struktur des deutschen Privatrechts und die Systematik des Bürgerlichen Gesetzbuches geben hier eine Aufteilung in fünf große Anspruchsgruppen vor.

Ansprüche aus Vertrag sind bei der Falllösung stets an erster Stelle zu prüfen. Wenn sich aus einem konkreten Vertrag Ansprüche ergeben, sind diese individuell und im Verhältnis zu den gesetzlichen Ansprüchen immer vorrangig. Darüber hinaus ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Vertrages zwischen den Parteien für die anderen Anspruchsgruppen regelmäßig vorentscheidend. So kann z.B. das Bestehen eines Vertrages einer Partei ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB geben und einen dinglichen Herausgabeanspruch ausschließen. Zudem kann die Prüfung eines Anspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag bei Bestehen eines Vertrages knappgehalten werden. Das Tatbestandsmerkmal „ohne Auftrag“ kann nämlich grundsätzlich nicht erfüllt sein, wenn zwischen Geschäftsherrn und Geschäftsführer ein entsprechender Vertrag besteht.[144] Ebenso kann ein Vertrag die Rechtswidrigkeit einer Handlung ausschließen, wenn hiermit eine Einwilligung in die Verletzung von Rechtsgütern verbunden ist. In diesem Fall bestehen keine Ansprüche aus Delikt.[145] Vor allem Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung können schließlich dem Grunde nach nur bei Nichtbestehen eines Vertrages existieren. Nur dann ist das Tatbestandsmerkmal „ohne Rechtsgrund“ gegeben.[146]

|43|Zur Gruppe der vertraglichen Ansprüche gehören z.B. Ansprüche auf Erfüllung. Beim Kaufvertrag umfasst dies den Anspruch des Käufers auf Übereignung und Übergabe der Kaufsache (§ 433 Abs. 1 BGB) und den Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises sowie Abnahme (§ 433 Abs. 2 BGB). Weitere Ansprüche in der Gruppe der „vertraglichen Ansprüche“ sind Ansprüche auf Gewährleistung (z.B. Nacherfüllung nach § 439 BGB), auf Schadensersatz aus Pflichtverletzung (§ 280 BGB), auf Aufwendungsersatz (§ 284 BGB), Ersatzherausgabe (§ 285 BGB), und aus Verzug (§§ 286ff. BGB). Auch eine Verletzung von Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB kann zu einem „vertraglichen“ Schadensersatzanspruch führen.

Als zweite zu prüfende Anspruchsgruppe sind sogenannte vertragsähnliche oder quasivertragliche Ansprüche zu prüfen. In diese Kategorie fallen z.B. Ansprüche aus § 179 BGB und aus culpa in contrahendo (§§ 280, 311 BGB). Zudem sind Ansprüche beider Seiten aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff. BGB) in die Gruppe der quasivertraglichen Ansprüche einzuordnen.

In der dritten Anspruchsgruppe finden sich dingliche, gegebenenfalls auch familien- und erbrechtliche Ansprüche. Umfasst sind insbesondere Herausgabeansprüche (z.B. §§ 861ff., 985, 1007, 1065, 1227 BGB). Ebenso als „dinglich“ einzuordnen sind Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung nach § 1004 BGB.

Die letzten beiden Anspruchsgruppen – hinsichtlich der Reihenfolge besteht keine stringente Vorgabe – sind deliktische Ansprüche und Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung. Für deliktische Ansprüche ist allerdings das Konkurrenzverhältnis zu den dinglichen Ansprüchen im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zu klären (§§ 989ff. BGB).[147] Zur Gruppe der deliktischen Ansprüche gehören neben den Ansprüchen aus den §§ 823ff. BGB auch Ansprüche aus Gefährdungshaftung, so z.B. § 833 Satz 1 BGB, § 1 Abs. 1 ProdHaftG und § 7 Abs. 1 StVG.

Bei Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung (sog. Kondiktionsansprüche) geht es um den Ausgleich einer ungerechtfertigten weil rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung zwischen den Beteiligten. Die einzelnen Ansprüche finden sich in den §§ 812ff. BGB.

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