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AUSGERECHNET BLANKENBURG

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Der Streit um die Umwandlung der Universität Dorpat in eine russische Hochschule hatte einen Exodus zur Folge. Nicht nur reichsdeutsche, sondern auch deutschbaltische Professoren verließen Russland und bemühten sich um eine Anstellung im Deutschen Reich. Einer nahm sich im Embach das Leben. Denn man sah sich nicht mehr als Vorposten der deutschen Kultur, sondern auf einem verlorenen Posten im Russischen Reich. Begabte Studierende zogen es vor, ihr Glück in Deutschland zu versuchen. Dort entstand eine baltische Diaspora, Russland dagegen musste einen intellektuellen Aderlass hinnehmen.1

Auch Carl Eduard Erdmann fasste die Emigration ernsthaft ins Auge. Finanzielle Erwägungen und Rücksichten auf die Familie sprachen dagegen. Doch auf dem Sterbebett soll er seine Frau gedrängt haben, mit den Kindern nach Deutschland zu ziehen. Auch über den Ort sei man sich einig gewesen.2 Wenige Jahre später erfüllte die Witwe den Wunsch ihres Mannes und ließ sich mit ihren fünf eigenen Kindern in Blankenburg am Harz nieder. Die Kinder aus Erdmanns erster Ehe blieben in Livland. Sie hingen an dem Land, hatten schon ihre eigenen Familien gegründet oder waren im Begriff, das zu tun. Als Untertanen des Zaren erlebten sie die bald einsetzenden Wirren der russischen Geschichte, zwei Revolutionen und zwei Kriege, unmittelbar. Die älteste Tochter, Helene, verbrachte den Ersten Weltkrieg in Moskau, beteiligte sich – zusammen mit ihrer jüngeren Schwester – an der Betreuung deutscher Kriegsgefangener und fasste ihre Erlebnisse in einem Buch mit dem Titel: »Vier Jahre in russischen Ketten« zusammen.3 Eine andere ihrer Schwestern, Mary, musste, als ihr Mann als Arzt am Russisch-Japanischen Krieg teilnahm und zu Hause die Revolution ausbrach, nach Blankenburg fliehen, wo sie für eine Weile Unterschlupf fand. Nach wie vor und ungeachtet der räumlichen Entfernung hielt die so weit verzweigte Familie zusammen.4 Als im Gefolge des Hitler-Stalin-Pakts die Deutschbalten in die soeben eroberten polnischen Gebiete umgesiedelt wurden, mussten die noch verbliebenen Familienmitglieder die Heimat verlassen. Damit war »viel Schmerz und Sorge« verbunden. Hilfe und Trost fanden die Betroffenen bei den Verwandten in Deutschland.5

Fackel in der Finsternis

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