Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 17

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Marineschule, 1939, Sommer

Martin Haberkorn lag mit einer Lungenentzündung im Lazarett, heute war der erste Tag an dem das Fieber gesunken war. Fittig und Naumann, zwei seiner Crewkameraden standen vor dem Bett und unterhielten sich mit ihm.

„Obermaat Körner hat einen mächtigen Anpfiff vom Chef bekommen“ berichtete Naumann und Fittig ergänzte:

„Den hättest du sehen sollen, mit einem Mal war der ganz klein und friedlich.“

Haberkorn erinnerte sich an die vorige Woche. Es regnete ununterbrochen, war kalt und das Übungsgelände war nur noch ein modriger Acker, auf dem Pfützen standen. Die Exerzierausbildung war hart, ihm machte sie allerdings wenig aus, sein trainierter Körper steckte die Anstrengungen weg und wenn die ersten bereits nah am Zusammenbruch waren konnte er noch ausreichend Reserven mobilisieren. Irgendwie war er aber für Körner wie ein rotes Tuch, vielleicht spürte dieser seine intellektuelle Unterlegenheit ihm gegenüber, und wenn er vor ihm stand konnte Haberkorn auf ihn herabblicken, Körner war nicht einmal einen Meter siebzig groß. Der Obermaat scheuchte Haberkorn gnadenlos durch das Gelände, befahl robben, Sprung auf, robben. Martin Haberkorn kam außer Atem, erholte sich aber schnell wieder. Vor dem Abendbrot säuberten die Männer ihre schlammverkrusteten Uniformen so gut und schnell es ging, die Nässe drang bis auf die Unterwäsche durch. In der Hoffnung, dass die Uniform besser trocknen würde wenn er sie auf einen Kleiderbügel hängte zog Haberkorn die Jacke aus und platzierte den Bügel an seinem Spind.

Unverhofft stand Körner in der Stube, riss theatralisch die Augen auf und begann zu brüllen:

„Ein Matrose ohne Jacke in der Dienstzeit, wo gibt es denn so was? Ja wo kommen wir denn hin, wenn hier alle rumlaufen wie es ihnen gefällt? Sind wir denn hier bei den Negern?“

In der Stube war Schweigen, die Männer standen stramm. Körner umkreiste Haberkorn und musterte dessen Uniformhose und die Stiefel.

„Dreck, überall Dreck, ich fasse es nicht. Das ist eines Soldaten des Führers unwürdig. In zwei Minuten mit Sturmgepäck auf dem Hof, dalli.“

Haberkorn zog sich ruhig an, schnallte die Teile des Sturmgepäcks auf, den Helm in der Hand rannte er die Treppen herunter, er schaffte die zwei Minuten locker. Körner folgte gemächlich, baute sich vor Haberkorn auf und sagte ihm:

„Matrose Haberkorn, Sie beziehen Stellung auf der kleinen Anhöhe dort, Sie beobachten den Horizont, der Gegner kann ihre Stellung einsehen, deswegen bewegen Sie sich nicht. Nach dem Stubendurchgang werden Sie abgelöst, ich kann ihre Stellung vom Speisesaal einsehen. Sprung auf, Marsch!“

Haberkorn lief zu dem zugewiesenen Platz und warf sich in den Schlamm, Körner konnte ihn genau sehen da er Hang aufwärts lag. Jetzt war es kurz vor 18 Uhr, bis zum Stubendurchgang 20 Uhr würde er hier liegen müssen und er wusste genau, dass Körner ihn beobachten würde. Nach kurzer Zeit hatte der Regen seine Uniform durchnässt, die Temperaturen lagen bei knapp zehn Grad, er begann zu frieren. Eine Stunde später hatte er nur noch wenig Gefühl in den Gliedern und als Körner kam, konnte er sich nur mit Mühe erheben, er schlotterte am ganzen Körper.

Körner sah ihn zufrieden an, beinahe sanft sagte er:

„Sie können auf die Stube wegtreten, Matrose Haberkorn.“

Martin Haberkorn quälte sich mit steifen Beinen die Treppe empor, riss sich im Waschraum die nassen Sachen vom Leib und wusch sich schnell, die Uniform säuberte er nur oberflächlich, es war ihm egal. In der Stube kroch er sofort ins Bett, langsam spürte er wieder Blut in Armen und Beinen pulsieren. Als er am nächsten Morgen mit den anderen vom UvD geweckt wurde fiel ihm der Morgenlauf schwer, wie mit Bleigewichten behängt kroch er über die Aschenbahn, sein Kopf dröhnte. Er war froh, dass vormittags Theorie auf dem Dienstplan stand, die Ausführungen über Aufbau und Wirkungsweise von Dieselmotoren zogen wie Nebel an ihm vorbei. Obwohl er gern und viel aß, hatte er zum Mittagessen keinen Appetit und ließ die Hälfte auf dem Teller, Naumann fragte „was ist denn los mit dir“ und er erwiderte matt „keinen Hunger heute“. Die Ausbildung am Nachmittag und den abendlichen Stubendurchgang überstand er irgendwie, in der Nacht begann er aber heftig zu fiebern und kalter Schweiß lief ihm das Gesicht hinab. Beim morgendlichen Kompanieappell stand er schwankend in der Reihe, Fittig sah ihn besorgt an und als sich die Reihe in Marsch setzte ging Haberkorn zu Boden. Er merkte noch, dass er hochgehoben wurde, hörte Stimmengewirr und dann hatte er keine Erinnerung mehr.

„Jetzt geht es wieder bergauf, Männer“ sagte er zu den beiden, „das Fieber geht zurück, die haben mir richtige Bomben von Medizin verpasst, außerdem habe ich fast nur geschlafen. Nächste Woche bin ich wieder mit dabei.“

„Lass dir Zeit, du hättest an der Sache auch eingehen können“ bemerkte Naumann.

„Quatsch“ erwiderte Haberkorn, „was einen nicht umbringt macht härter.“

Die beiden gingen und er war froh, noch einige Tage im Lazarett mit seinem ruhigen Tagesablauf bleiben zu können, er hatte von Naumann noch erbeten den Ausbilder für Motorentechnik zu fragen, ob er ihm etwas zu lesen geben könnte. Nach dem Abendbrot brachte Naumann ein Buch über Dieselmotoren vorbei, Haberkorn las bis zur Nachtruhe.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

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