Читать книгу Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1 - Frank Hille - Страница 18

Оглавление

Ausgang, 1939, Sommer

Beyer sah sich die Kragenbinde zum wiederholten Mal an, am Abend hatte er sie ausgiebig mit einer Bürste geschrubbt, für seinen Geschmack war sie makellos sauber. Das konnte der Spieß ganz anders sehen, oft mussten die Männer wieder wegtreten um scheinbare Schmutzspuren zu beseitigen. Auch die Stiefel waren ein leidiges Thema: mit Nadeln hatte er Dreck aus den Rillen gekratzt, die Schuhe ausdauernd poliert, so dass er sich fast darin spiegeln konnte, der Spieß war nur schwer zufrieden zu stellen. Beyer hätte diese übertriebene Genauigkeit eingesehen wenn es um ihre Waffen gehen würde, schließlich konnte das Gewehr oder die Kampfwagenkanone ihr Leben schützen, ob die Stiefel im Gefecht glänzten dürfte dagegen vollkommen egal sein. Er wusste aber, dass diese Schikanen zum System der Armee gehörten, den Männern wurde eingetrichtert ihren Vorgesetzten blind zu vertrauen und jeden Befehl ohne Diskussion umzusetzen.

Mit Franke trat er vor dem Zimmer des Hauptfeldwebels an, dieser erschien und baute sich vor ihnen auf.

„Nun meine Herren, ich erwarte, dass Sie sich in der Stadt ordentlich benehmen. Gegen ein Bier ist nichts einzuwenden aber wenn Sie betrunken Mist bauen können Sie sich auf etwas gefasst machen. Und zum Erscheinungsbild eines deutschen Soldaten gehört auch eine perfekte Kleiderordnung. Umdrehen und Stiefelsohle zeigen.“

Beyer hatte dies erwartet, der Steg seiner Schuhsohle war ordentlich eingecremt. Etwas enttäuscht ließ sich der Spieß die Kragenbinden vorweisen, dann die Taschentücher und schließlich gab er ihnen die Ausgangspapiere.

Auf dem Weg in die Stadt plauderten Beyer und Franke, die Abendsonne zauberte eine friedliche Stimmung über das Land und die letzten Bauern kehrten von den Feldern zurück. Beide ahnten, dass diese idyllischen Bilder trügerisch waren, nicht umsonst übten sie immer wieder mit scharfer Munition. Auf dem Panzergelände probten die Besatzungen verschiedene Angriffsformationen, Verteidigung oder defensives Verhalten kam so gut wie nicht vor.

Franke war ein logisch denkender Mann, als Schriftsetzer hatte er täglich Texte vor Augen, las viel und konnte aus Sachverhalten Schlüsse ziehen.

„Wir werden fit gemacht, bald geht es los. Was wir jetzt lernen kann uns später das Leben retten, deswegen stört mich auch der Drill nicht sonderlich“ sagte er.

„Aber der Führer will doch keinen Krieg, die anderen sind doch diejenigen, die mit den Säbeln rasseln“ erwiderte Beyer.

„Das behauptet Goebbels“ antwortete Franke „schau dich doch um, unsere Industrie produziert Waffen in Hülle und Fülle, immer mehr Männer werden eingezogen. Und die Waffen die Wehrmacht, Luftwaffe und Marine jetzt besitzen sind für die Offensive gedacht. Du bist doch Abiturient, über welche Bodenschätze verfügt Deutschland? Brauchst nicht zu antworten, bisschen Kohle, wenig Erz, kein Öl. Wo gibt es Ackerland, das viele Menschen ernähren kann? Denk einfach ein bisschen weiter und du wirst erkennen, wohin die Reise geht.“

Beyer nickte, solche Gedanken hatte er auch schon gehabt und die Propaganda prügelte täglich auf ihn ein, so dass er sich Argumente zurecht legen konnte, die einen Krieg rechtfertigten. Bisher war die Bedrohung Deutschlands durch seine Nachbarn in jeder Rede des Führers oder Goebbels zu hören und die Deutschen kamen sich durch die Folgen des ersten Weltkrieges wie ein Volk zweiter Klasse vor. Besonders die Älteren waren von Hitler begeistert, er würde den alten Glanz des Landes wieder herstellen. Er selbst konnte sich aber nicht vorstellen dass man es riskieren würde, wieder einen langen und verlustreichen Krieg anzuzetteln.

Aber wenn er es recht betrachtete zeigte besonders Hitlers Forderung an die Polen, die Freie Stadt Danzig wieder in das Reich einzugliedern, die Richtung. Als Hitler im April 1939 den deutsch-polnischen Nichtangriffspakt kündigte vertieften sich die Spannungen und der Ton wurde schärfer. Dass auch andere in diesem Konzert mitspielten blieb für ihn unüberschaubar, die Polen wollten die Russen nicht düpieren, die Briten sicherten den Polen militärische Unterstützung zu, im April schlossen die beiden Staaten einen Beistandspakt. Auch die Franzosen wollten den Polen zur Seite stehen. Dass die Zeichen auf Sturm standen blieb Beyer nicht verborgen, unvorstellbar war für ihn jedoch ein großer Krieg, der die Welt wieder in einen Untergangsstrudel riss.

In der Stadt suchten sie sich eine gemütliche Kneipe und kamen schnell mit den dort sitzenden Männern ins Gespräch.

„Na, wie ist der Dienst“ fragte einer.

„Die Grundausbildung war kein Zuckerschlecken aber jetzt ist es richtig interessant“ entgegnete Franke „wir üben viel und werden immer besser.“

„Gut so“ fuhr der Mann fort „die Polen werden jeden Tag aufmüpfiger. Wird Zeit, dass die in die Schranken gewiesen werden. Aber der Führer weiß, was er tut.“

Beyer nickte, das Bier hatte ihn angeregt und ein wohliges Gefühl machte sich in ihm breit.

„Herbert“ rief der Mann durch den Raum „bring uns dreien mal einen Schnaps.“

Der Wirt trat an den Tisch und stellte die Gläser hin, sie prosteten sich zu und kippten die Schnäpse.

Als sie die Kneipe verließen standen für jeden vier Schnäpse auf der Rechnung, der Mann hatte ihren Vorschlag selbst zu bezahlen weggewischt.

„Ihr werdet kämpfen, ich gehe in meinen Betrieb“ war die Begründung gewesen und er ließ keine Diskussion zu. Mit etwas unsicherem Gang erreichten sie die Kaserne, kamen unbeschadet an der Wache vorbei und fielen ins Bett.

Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Sammelband 1

Подняться наверх