Читать книгу Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer - Страница 5

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Der Weg zur alten Kirche hinauf war beschwerlich. Doch von hier oben mochte sich, wenn man unbedingt an solche Dinge glauben wollte, für die Toten eine berückende Aussicht auf das Tal eröffnen.

Hanne Steenkluth hielt das allerdings alles für Humbug.

Am Ende der Straße konnte sie schon die imposante Mauer erkennen, die den Kirkogaard umgab und deren Aufgabe es sein sollte, die Lebenden vor den Heimsuchungen durch die Toten zu schützen. Da mochte wohl so manchem daran gelegen sein, diesen Wall so hoch und unüberwindlich wie nur möglich zu bauen, dachte Hanne boshaft und zerrte an ihrem bockig tänzelnden Trolley.

Das ist das Alter, dachte sie ungehalten, es schwächt den Körper und zwingt den nach wie vor beweglichen Geist in immer engere Bahnen. Sie beschleunigte ihren Schritt. Wer weiß, wie lange ich noch jeden Tag in die Kirche gehen kann, sorgte sie sich.

Wer sollte sich denn um die Kirche und die Gräber kümmern, wenn sie nicht mehr war! Die Jugend hatte doch an all dem heute kein Interesse mehr! Tot und vergessen galt heute. Gegen diese moderne Lebensauffassung hatte Pfarrer Landulf grade erst am letzten Sonntag wieder vehement gewettert. Ganz besonders die jungen Leute auf Holm hatten ihre Wurzeln gründlich vergessen. Sie zog es nach Göteborg zu den Abenteuern der Großstadt.

Bald war Weihnachten und sie würde wie in jedem Jahr zu ihrem Sohn und ihrer verhassten Schwiegertochter nach Göteborg fahren, um das Fest mit deren verzogenen Kindern zu verbringen. Auch wenn ihre Enkel immer nur auf ihr Geld aus waren, so würden die paar Tage doch eine willkommene Abwechslung bringen. In ihrem Leben passierten schon lange keine aufregenden Dinge mehr, und ohne das Fernsehen wäre es vor Langeweile wahrscheinlich gar nicht auszuhalten.

Schon wieder Weihnachten.

Wenn man älter wird, vergeht die Zeit wie im Flug, dachte sie nachsichtig lächelnd. Als sie noch ein Kind war, schien es Ewigkeiten zu dauern, bis man wieder Geburtstag hatte oder es endlich wieder Weihnachten war. Heute verging ein Jahr so schnell, dass sie manchmal gar nicht mehr genau sagen konnte, wie alt sie geworden war.

Sie seufzte, als sie die Friedhofsmauer erreicht hatte. Im Sommer hatte die Gemeinde den Hauptweg zum Kirchenportal mit kleinen, weißen Kieselsteinen auffüllen lassen. Seither versanken die Kirchenbesucher bei jedem Schritt fast bis zum Knöchel in diesem Kiessumpf, der Hanne jeden Morgen zwang, ihren Trolley mit blockierten Rädern durch die knirschenden Steine zu zerren.

Sie drehte sich um und betrachtete spöttisch die Spuren, die ihr Einkaufsroller gezogen hatte. Wahrscheinlich war das mit den Kieselsteinen nur ein Trick, um wenigstens den Arbeitsplatz des Gärtners zu sichern, dachte sie und verlor sich in allerlei Überlegungen über die letzte Predigt von Pfarrer Landulf, in der er von der Allgegenwart von Sünde und Verführung sprach, so dass sie das graue Auto mit dem fremden Kennzeichen gar nicht bemerkte, das etwas abseits von der Friedhofsmauer parkte.

Mord im Hause des Herrn

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