Читать книгу Mord im Hause des Herrn - Franziska Steinhauer - Страница 9

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»Hanne Steenkluth?«

Hanne hatte sich erhoben, als die Inspektorin auf sie zutrat.

»Ich bin Britta Lilliehöök. Wir nehmen jetzt deine Aussage auf. Würdest du bitte mit in mein Büro kommen?«, stellte sich die junge Frau freundlich vor und dirigierte Hanne geschickt in ihr Büro zu dem Besucherstuhl vor dem Schreibtisch, wo bereits das Diktiergerät auf sie wartete.

»Stört es dich, wenn ich das Gespräch aufzeichne? Sonst muss ich alles mitschreiben, und das dauert viel länger. Außerdem kann man sich dabei nicht so gut unterhalten.«

Hanne Steenkluth schüttelte den Kopf.

»Gut. Die Zeugin ist mit der Aufzeichnung einverstanden. Also, du bist Hanne Steenkluth, wohnst Skyttevej 25, Holm und hast heute Morgen in der Kirche eures Ortes einen toten Mann gefunden?«

»Ja.«

»Was wolltest du denn eigentlich schon so früh in der Kirche? Da ist doch noch keine Messe, oder?«

»Nein. So früh natürlich noch nicht. Ich komme aber jeden Tag schon um die Zeit. Einer muss sich doch um alles kümmern.«

»Was heißt kümmern genau?«

»Ich komme schon seit über fünfzig Jahren jeden Morgen und wische das Gestühl ab, reinige den Altar, putze den Staub weg, sortiere die Gesangbücher und zähle nach, ob noch alle da sind. So was eben. – Weißt du, die Jugend kümmert sich um solche Dinge nicht mehr. Die kommen sowieso nur noch zu Weihnachten zum Gottesdienst. Sonst triffst du die das ganze Jahr nicht in der Kirche. Wenn ich nicht das komplette Inventar in Schuss halten würde, könnten wir den Pfarrer hinter einer Nebelwolke aus Alltagsstaub nur noch erahnen«, sagte sie und sah Britta trotzig an, als hätte die Ermittlerin die Wichtigkeit der anstehenden Tätigkeit nicht verstanden. »Na, und weil sich für solche Arbeiten niemand mehr findet, mach ich das eben.«

»Aha.«

Hannes Augen blitzten erstaunt auf. Sollte die junge Frau etwa das Ausmaß ihrer, Hannes, Selbstlosigkeit noch immer nicht erfasst haben?

»Ich kümmere mich selbst um die Gräber von denen, deren Angehörige weggezogen sind – sonst würden die doch verwahrlosen. Dieser Faulpelz, der oben auf dem Friedhof arbeitet und sich ungestraft Gärtner nennen darf, der schert sich doch einen Dreck darum, ob die Gräber gepflegt aussehen oder eben nicht Aber so ist das heute. Das Geld stecken sie ein, aber wenn sie dafür arbeiten sollen, hört der Spaß auf. Ist ja auch kein Wunder, wenn keiner den Kerl kontrolliert, oder? Pfarrer Landulf ist viel zu nachsichtig mit seinen Schäfchen. Das hätte es bei unserem alten Pfarrer – Friede seiner Seele – nicht gegeben!«, schnaufte sie und senkte, wie um sich zu entspannen, den Kopf. »Und frische Blumen stelle ich auch auf den Altar. – Aber jetzt werde ich wohl nie mehr in unsere Kirche gehen können, ohne mich zu gruseln!«

Plötzlich brachen sich dicke Tränen Bahn.

Mitfühlend tätschelte Britta der Zeugin den feisten Unterarm und reichte ihr die bereitstehende Taschentuchbox. Dankbar zog Hanne sich eines heraus und putzte sich umständlich die Nase. Irritiert sah Britta Lilliehöök zu, wie sie das zusammengeknüllte Tuch in den Ärmel ihrer Strickjacke schob. Das musste wohl ein alterstypisches Verhalten sein, dachte sie. Ihre Großmutter hatte das auch immer gemacht; bei ihrer Mutter hatte sie es beim letzten Wochenendbesuch ebenfalls bemerkt und sie beschloss, ein wachsames Auge auf sich selbst zu haben.

»Heute Morgen hast du also auch Staub gewischt?«

»Ja. Ich habe einen dieser modernen Staubwedel dabei und mit dem gehe ich über alles rüber.«

»Und danach? Was tust du nach dem Staubwedeln?«

»Mit der Möbelpolitur reibe ich den Altar gründlich ein. Ab und zu auch die vorderen Reihen.«

Verschwörerisch beugte sie sich zu Britta über den Tisch.

»Ich mische sie selber. Altes Familienrezept. Der Pfarrer mag zwar den Geruch nicht, aber was sein muss, muss sein.«

»Und dabei hast du dann heute den Toten entdeckt?«

»Stell dir nur mal vor: Ich war die ganze Zeit mit dem Toten allein! Ich war mit dem Altar beschäftigt, und erst als ich anschließend die Reihen abwischte, sah ich ihn da im Gestühl hinter der Säule liegen.«

»Was hast du getan, als du den Mann entdeckt hattest?«

»Na, ehrlich gesagt dachte ich ja erst: du meine Güte, muss der aber besoffen gewesen sein. Schläft seinen Rausch dreist in der Kirche aus. Ich habe gleich gesehen, dass es ein Fremder sein musste. Wegen der Haarfarbe, weißt du? Die hat keiner der Männer von Holm. Dann bin ich ein bisschen näher ran. Vorsichtig natürlich. Schließlich weiß man bei Männern ja nie. Und da habe ich plötzlich das Kreuz auf ihm liegen sehen. Weißt du, dieses scheußlich moderne Ding von Knut Hallmansson. Pfarrer Landulf ist es das liebste Stück. Es ist verflixt schwer. Ich habe den Mann dann angesprochen und mit einem Mal war mir klar, dass der in diesem Leben niemanden mehr hört.«

»Vor der Kirche stand ein fremdes Auto. Aus Dänemark. Ist dir das aufgefallen, als du am Morgen gekommen bist?«

»Nein. Was für ein Wagen war das denn?«, fragte sie erstaunt.

»Ein grauer Saab – auf der hinteren Scheibe klebte ein blaues Schild mit einem Rollstuhlfahrer drauf.«

»Vielleicht war ich zu sehr in Gedanken ... Außerdem kenne ich niemanden, der im Rollstuhl sitzt.«

»Was hast du gemacht, als du gemerkt hast, dass der Mann tot ist?«

»Da habe ich so laut geschrien, wie ich kann – zum Glück kam gleich Grete angerannt. Und dann haben wir die Polizei angerufen.«

Hannes Stimme klang plötzlich merkwürdig piepsig, als wäre ihr dieser Teil der Geschichte peinlich.

»Meinst du, der Kerl wollte mich auch umbringen?«, fragte sie mit flackerndem Blick.

Britta seufzte.

»Nein, Hanne. Für dich bestand keinerlei Gefahr. Das Opfer war schon seit ein paar Stunden tot und der Mörder mit Sicherheit nicht mehr in der Kirche.«

»Der Herr wacht eben über die Seinen«, schloss Hanne selbstgerecht.

»Tja, dann hat er letzte Nacht wohl zumindest einen der Seinen aus den Augen verloren, meinst du nicht auch?«, fragte Britta scheinbar leichthin.

Mord im Hause des Herrn

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