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I. D Schiffsdarstellungen in ihrem Kontext
ОглавлениеWir verstehen hier unter dem Kontext zunächst die Beschaffenheit der unmittelbaren Umgebung einer Schiffsdarstellung, durch die ihre Funktion, ihr Bedeutungsinhalt und ihre Wahrnehmung über den eigentlichen Objektcharakter hinaus wesentlich mitbestimmt werden. Auch der ‚Beschreibstoff selbst kann, wie beispielsweise im Fall von Wandgemälden, Bestandteil der Kontextumgebung eines Schiffsbildes sein. Diese Umgebung wirkt wesentlich daran mit, wie ein Betrachter das Schiffsbild perzipiert und rezipiert. Auch die Zweckbestimmung des Gebäudes oder Monuments (profan, sakral, sepulkral) wird auf die Bildwahrnehmung Einfluss haben. Umgekehrt wird aber auch das Bild selbst auf seine Umgebung einwirken und seine Präsenz dem spezifischen Kontext einen Stempel aufdrücken. Mithin bewegt sich das Verhältnis zwischen der Schiffsdarstellung und ihrem Kontext in einem reziproken Spannungsfeld, das zudem zeitabhängig variieren kann. Es liegt auf der Hand, dass sich dieses Verhältnis umso exakter bestimmen lässt, je präziser wir den Anbringungsort eines Schiffsbildes fassen können.
Hier werden bezüglich der Kontexte vier Sektionen unterschieden, von denen jede wiederum in Untersektionen untergliedert werden kann (s. Tabelle 3)25. Vereinigen sich in einem Gebäude mehrere Funktionen, dann wird bei der Kontexteinordnung zunächst der primäre Gebäudezweck berücksichtigt, der aus dem archäologischen Befund meistens eindeutig hervorgeht. Bei Exemplaren, deren genauer Fundort unbekannt ist, kann der wahrscheinliche ursprüngliche Kontext dennoch oftmals aus dem Gegenstandscharakter und den Darstellungsinhalten erschlossen werden (z.B. Schiffe in Sarkophagreliefs), jedoch ist hier größere Vorsicht geboten, wie etwa die inhaltlich eng verwandten Bilder paganer und frühchristlicher Sarkophage anmahnen.
Eine wesentliche Gruppe stellen die Objekte aus öffentlich-profanem Umfeld dar, also aus Gebäuden, zu denen eine breitere Öffentlichkeit Zutritt hatte. Hier wird im Folgenden zwischen Bauwerken unterschiedlichster Funktion unterschieden. So fallen in diese Kategorie Wirtschafts- und Handelsplätze, wie beispielsweise der Piazzale delle Corporazioni und die diversen Horrea in Ostia, aber auch das Hafengebäude bei Pietra Papa am Tiber südlich von Rom. Auch die Macella, welche verschiedentlich Schiffsdarstellungen aufweisen, werden hierunter gezählt. Des Weiteren werden Verwaltungsbauten in dieser öffentlich-profanen Sektion geführt, insofern sie zwar einerseits auf eine definierte, mit administrativen Aufgaben versehene Personengruppe zugeschnitten sind, andererseits aber auch auswärtigen Besuchern (Clientes) besuchweise offenstanden. Wir haben es hier mit eingeschränkt öffentlichen Bauten zu tun. Bauten für gastronomische Zwecke (Tabernae, Thermopolia, Cauponae) bilden eine weitere Unterrubrik.
Unter die Gebäude mit öffentlich-profanem Nutzungsprofil fallen außerdem städtische Thermen, welche hier von den privaten Thermen römischer Wohnhäuser getrennt behandelt werden, sowie Gebäude der Unterhaltungskultur (z.B. Theater).
Als weitere Unterkategorie stehen im öffentlich-profanen Sektor die Darstellungen auf oder im Verbund mit Staatsmonumenten, welche zwar funktionell ebenfalls einer der vorgenannten Kategorien (Wirtschafts-, Verwaltungs-, Unterhaltungsgebäude) gewidmet sein konnten, bei denen jedoch erkennbar die herrscherliche Propaganda im Vordergrund stand. Darunter zählen etwa die mittelkaiserzeitlichen Säulenmonumente für Trajan und Marcus Aurelius, bei welchen die Funktion als propagandistische Bildträger neben jener als kaiserliche Grabmonumente deutlich aufscheint. Im Hinblick auf die Schiffsdarstellungen ist hier von einem großen Adressatenkreis auszugehen, der keinen wesentlichen Zugangsbeschränkungen unterlag.
Das Spektrum öffentlicher Profanbauten in römischen Städten ist gewiss größer, als es die hier gegebene Aufzählung suggeriert. Schiffsdarstellungen sind jedoch lediglich aus den genannten Gebäudetypen überliefert und bekannt.
Einen deutlich anders zusammengesetzten Adressatenkreis haben die Bilder im öffentlich-sakralen Kontext, unter welchen diejenigen aus paganen Heiligtümern von denen aus frühchristlichen Kirchen zu unterscheiden sind. Für letztere können lediglich zwei spätantike Beispiele – in Kirchen Ravennas und Aquileias – angeführt werden. Während die Unterscheidung zwischen paganer und frühchristlicher Prägung im Falle der Heiligtümer zumeist eindeutig gelingt, ist sie bei Grabbildern vereinzelt etwas schwieriger.
Darstellungen aus sepulkralem Umfeld bilden im Rahmen dieser Kontextuntersuchung die dritte Hauptsektion. Auf die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen heidnischen und christlichen Werken hat A. Effenberger hingewiesen, wobei für die Zuordnung primär der Darstellungsinhalt bestimmend und in den Blick zu nehmen ist, weniger hingegen die Glaubenseinstellung der Grabinhaber oder der Auftraggeber26. Im eigentlichen Sinne christliche Kunstwerke wurden erst mit der Abbildung biblischer Szenen ab dem frühen 3. Jh. n. Chr. geschaffen27.
Schließlich werden Schiffsdarstellungen in großer Anzahl auch im ‚privaten‘ Umfeld angetroffen, seien es solche in Wohngebäuden (z.B. Domus, Villae) oder in privaten Wirtschaftsbauten, die als Stätten für das kleine Handwerk bisweilen an die Wohntrakte angeschlossen waren. Im Falle der Wohngebäude ist von einem begrenzten und sehr spezifisch zusammengesetzten Adressatenkreis auszugehen, d.h., den Auftraggebern oblag weitgehende Kontrolle darüber, wer diese Bilder zu Gesicht bekommen würde.
1 Unter die ältesten überlieferten Schriftzeugnissen römischer Seefahrt fällt der sogenannte Zweite Karthagervertrag, der um 340 v. Chr. zwischen Rom und den Puniern geschlossen wurde und dessen Wortlaut Polybios überliefert, s. Pol. III, 24. Dieser Vertrag, dem ein früherer vorausgegangen sein muss, grenzte die jeweiligen Einflusssphären zu Lande und auf dem Meer gegeneinander ab; s. dazu allgemein FERENCZY 1969, 269–281, zu den Auswirkungen zur See PETZOLD 1972 und MAREK 1977, jeweils passim. Dieser Vertrag hatte wahrscheinlich bis 306 v. Chr. Bestand.
2 Satyricon 71,9 (Gastmahl des Trimalchio): „Te rogo, ut naves etiam […] in monumenti mei facias plenis velis euntes, et me in tribunali sedentem Übersetzung nach L. Friedländer, Petronii Cena Trimalchionis (Leipzig 1891): „… Ich bitte dich, dass du auch Schiffe […] an der Frontseite meines Monumentes machst, die mit vollen Segeln fahren, und mich selbst, wie ich auf der Tribüne sitze …"
3 Mitten im Bundesgenossenkrieg und in Vorwegnahme der späteren integrativen Maßnahme war schon 90 v. Chr. mittels der lex lulia de civitate allen latinischen und bundesgenössischen Städten Italiens, die Rom die Treue hielte, das römische Bürgerrecht angeboten worden, vgl. BELLEN 1994, 106 unter Verweis auf Vell. 2,16,4.
4 Phil. VIII,3.
5 BELLEN 1994, 107. Die Einwohner der in den nördlich des Po gelegenen, transpadanischen Städte erhielten das latinische Bürgerrecht.
6 Dig. 1,5,17.
7 Die Berechnungen anhand von Zensuszahlen und die Schätzungen zur Bevölkerungsentwicklung Italiens sind sehr unterschiedlich, s. HIN 2007, 2–15.
8 Res gestae 8.
9 FRIER 2000, Taf. 5–6.
10 Vergleiche auch SCHEIDEL 2007, 10.
11 RUSSEL 1958, 65–83.
12 SCHEIDEL 2007, 12f.
13 Romanisierung wird hier verstanden als Wandlungsprozess und Akkulturationsphänomen bezüglich kultureller, sozialer und ökonomischer Lebensweisen mit Italikern als Trägern dieser neuen und anderen Lebensart; vielfach ist jedoch auch eine aktive Aufnahme insbesondere durch die lokalen Eliten belegt; s. dazu PFEILSCHIFTER 2009, 27–42; das Phänomen Romanisierung war, wenngleich nicht unter diesem Begriff verschiedentlich bereits antiken Autoren bewusst, s. etwa Tac. Agr. 21, 1–2.
14 LOMAS 1995, 107f.
15 Einschränkend sei gesagt, dass an der Ostküste Mittel- und Süditaliens sowie im Binnenland östlich des Apennin Funde von Schiffsdarstellungen generell wesentlich seltener als im Westen vorhanden sind. So können außerhalb des latinischen und des kampanischen Kerngebietes mit Ocriculum/Otricoli, Spoletium, Alba Fucens, Aesernia, Barium/Bari und Tarent lediglich einige wenige Fundorte ausgemacht werden. Dies dürfte zuvorderst demographische Gründe haben, da nämlich die Ostküste im Vergleich zur Westküste weit weniger stark besiedelt war. Ein geringeres Interesse an maritimen Themen zeichnet sich dadurch nicht ab.
16 Römische Münzen mit Schiffsbildern liegen in nahezu dreihundert unterschiedlichen Prägungen vor, sie wurden unter anderem besprochen bei ORNA-ORNSTEIN 1995, 179–200 und bei SCHAAFF 2003, hier zuletzt besonders ausführlich. Unter den bereits von H. Menzel und dann erneut von K. Goethert Polaschek untersuchten römischen Tonlampen sind auch solche, deren Spiegel ein Schiffsbild ziert, vgl. etwa MENZEL 1954, Kat. 83 oder GOETHERT POLASCHEK 1987, 121f. 140. Einzeluntersuchungen aller Schiffsdarstellungen auf Tonlampen oder Terra Sigillata liegen m.W. bislang nicht vor.
17 RUFFING 2011, 22.
18 LANGNER 2001, 12.
19 Eine umfassende Zusammenstellung der Lastrae mit Schiffsdarstellungen unternahm bereits EHLER 2012, 683–694.
20 Davon ausgenommen sind Objekte, die innerhalb eines Bildes Fahrzeuge unterschiedlicher Größen vereinen, denn in diesen Fällen ist eine sprachliche Unterscheidung notwendig.
21 Hierzu insbesondere VIERECK 1996, 21.
22 So existieren sowohl Darstellungen groß dimensionierter Fahrzeuge ohne Deck, vgl. etwa LA111, LA228, LA237 als auch kleinere Boote mit Andeutung eines Decks, s. KA47.
23 Wir verstehen unter Schiffstypen jeweils alle diejenigen Fahrzeuge, die eine ähnliche Bauart sowie identische Verwendungszwecke und Einsatzgebiete aufweisen, so etwa Fahrzeuge für den Gütertransport auf Binnengewässern, seegehende Frachter oder seetaugliche Kriegsschiffe. Der Begriff der Schiffsklasse wir hier im weitestmöglichen Sinne verstanden, indem wir zwischen zivilen Frachtern, Fischerbooten und militärischen Einheiten unterscheiden. Schiffsklassen im Sinne von Baureihen völlig identischer Fahrzeuge begegnen in größerem Umfang erst seit dem 20. Jh. und sind in der römischen Antike, von wenigen Ausnahmen im militärischen Bereich abgesehen, sehr selten. Im Bildmaterial sind sie nicht aus zumachen.
24 Eindeutige Ladungsbestandteile sind nur bei knapp 10 % der Darstellungen sichtbar; zumeist handelt es sich um Gefäße, seltener um Tiere.
25 Die im Katalog verwendeten Kürzel (öffentlich profan, öffentlich sakral, …) für den Kontext geben die hier definierten Kategorien wieder, während die Einzelheiten zur räumlichen Fundsituation soweit bekannt, unter dem Fundort, notiert sind.
26 EFFENBERGER 1986, 14. 18f. und bes. 62 zu den Sarkophagreliefs.
27 Siehe a.O. (Anm. 12); neuer dazu auch SÖRRIES 2013, 54.