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II. Forschungsgeschichte, Forschungsfragen und methodischer Zugriff II. A Forschungsgeschichte
ОглавлениеDie bisherige Forschung zu römischen Schiffen, Schiffsdarstellungen und ihren Kontexten lässt drei inhaltliche Schwerpunkte erkennen. Da ist zunächst der umfangreiche Literaturbestand zur römischen Schifffahrt als solcher, der sich teilweise auf Bilddarstellungen, vielfach aber auch auf archäologische Überreste und die literarische Überlieferung stützt. Dieser kann hier nur auszugsweise einbezogen werden, wobei der Fokus auf Schlüsselwerken zum maritimen Leben in der römischen Antike liegen soll. Ein zweiter wesentlicher Forschungsschwerpunkt umfasst diejenigen Arbeiten, in denen Schiffsbilder in ihren spezifischen Kontexten betrachtet werden, meist einzeln oder in kleineren Gruppen. Da in jüngerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit der Struktur römischer Wohnhäuser und mit den dort vorhandenen Wand- und Bodendekorationen stattgefunden hat, soll die hierzu bislang erschienene Literatur als dritter Aspekt ebenfalls durchleuchtet werden. Es finden sich in diesen Arbeiten wichtige Aspekte für die Kontextanalyse maritimer Bilder.
Eine der wichtigsten zeitgenössischen Schriftquellen für die spätantike Seefahrt, die im 4. Jh. n.Chr. entstandene Abhandlung ‚Epitoma rei militaris‘ des Flavius Vegetius Renatus, die zahlreiche Anweisungen für das militärische Flottenwesen enthält, haben D. Baatz und R. Bockius im Hinblick auf die seinerzeit verwendeten Schiffsklassen und -typen analysiert1. Diese Arbeit von 1997 stellt noch immer einen der wichtigsten Beiträge zum Verständnis des römischen Flottenwesens dar und ermöglicht insbesondere die funktionelle Unterscheidung verschiedenster Bautypen gemäß ihrem Einsatzzweck. Bilddarstellungen stehen hier freilich nicht im Fokus.
Eine Reihe von jüngeren Arbeiten demonstriert ein wachsendes Interesse an der Auseinandersetzung mit sozialgeschichtlichen Aspekten des Lebens am und auf dem Meer. Im Hinblick auf Ostia hat C. Liedtke in einer 1999 erschienenen Abhandlung insbesondere die durch den Hafen geprägte Wohnkultur der Stadt am Tibermund beispielhaft untersucht und die hier vorgefundenen Verhältnisse denjenigen in Rom gegenübergestellt2. Wenngleich das spezifische Verhältnis Roms zu seinem Hafen Ostia in dieser Konstellation für die Antike einzigartig ist, enthält die Arbeit wesentliche Erkenntnisse darüber, wie eine vormals abhängige Hafenstadt als auf das Meer bezogener Lebensraum durch das Meer geprägt und gestaltet wird. Mit der Frage, wie das Leben am Meer Gesellschaften formte, beschäftigte sich auch F. Lätsch in ihrer 2005 gedruckten Dissertation ‚Insularität und Gesellschaft in der Antike‘. Hier wird die Eigenart des Meeres als Landmassen und Menschen gleichermaßen trennendes wie verbindendes Element sorgfältig herausgearbeitet3. Die Kollegien der Schiffsbauer in den Hafenstädten Ostia und Portus Romae und deren öffentliches Erscheinungsbild stehen im Mittelpunkt einer knappen, 2001 publizierten Untersuchung von H. Konen4, die insbesondere die divergente Entwicklung der Schiffbauerkollegien beider Städte hervorhebt, welche sich ungeachtet ihrer räumlichen Nähe zu eigenständigen, selbstbewussten Organisationen herausgebildet hatten.
Schon früher hatten sakrale Aspekte des Lebens am und auf dem Meer das Interesse der Forschung gefunden. Bereits 1967 hatte D. Wachsmuth mit seinem Werk ‚Πόμπιμख़ॢ ὁ δαίμων. Untersuchungen zu den antiken Sakralhandlungen bei Seereisen‘ die römische Seefahrt aus religiöser Perspektive in den Fokus genommen, wenngleich diese Abhandlung in der Folgezeit zunächst wenig rezipiert wurde5. Erst 1992 ging A. Göttlicher mit seiner Arbeit ‚Kultschiffe und Schiffskulte‘ derselben Problematik nach, indem er die sakralen Handlungen von Seeleuten an Bord sowie im Hafen anhand schriftlicher und archäologischer Quellen nachzuvollziehen versuchte6. Es zeigt sich, dass das Leben auf den Schiffen und Erträge aus dem Meer schon in republikanischer Zeit starken Niederschlag in den Siedlungen an Land gefunden hat, und zwar im öffentlich-sakralen Umfeld ebenso wie im Privaten. Darüber hinaus ist vor allem die 2004 von D. Steuernagel vorgelegte Habilitationsschrift ‚Kult und Alltag in römischen Hafenstädten‘ zu nennen, welche den Fokus erneut auf die religiöse Komponente römischer Seefahrt legt, wobei ein wichtiger Aspekt dieser Untersuchung auf der Funktion des Hafens als Einfallstor und Sammelbecken für fremde Kulte liegt7. Es war mithin die römische Schifffahrt lange im Fokus einer an technischen und sozialgeschichtlichen Aspekten antiker Lebenswirklichkeit interessierten Forschergemeinschaft, wobei sich ein auch gegenwärtig unverändert großes Interesse an diesem Themenfeld in einer Reihe eigens etablierter Zeitschriften und Tagungsreihen im In- und Ausland offenbart8.
Eine umfassende Auswertung der im Mittelmeerraum vorhandenen Schiffsdarstellungen liegt aus jüngerer Zeit nicht vor. Bezeichnenderweise ist die 1929 abgeschlossene Schrift ‚Das Schiff in der Bildenden Kunst‘ von F. Moll die bis heute letzte Untersuchung, die sich über die Grenzen einzelner Denkmälergattungen hinweg übergreifend mit der Rolle des Schiffs als Bildmotiv auseinandersetzt9.
Seither sind der Forschung zahlreiche neue Denkmäler bekannt geworden, die jedoch jeweils nur in Einzeluntersuchungen in ihrem regionalräumlichen Umfeld behandelt oder ohne tiefere Kontextanalyse katalogartig erfasst wurden. Einen solchen umfangreichen Katalog der römischen Schiffsdarstellungen Europas, Afrikas und Vorderasiens hat I. Pekáry in langjähriger Arbeit zusammengetragen und 1999 publiziert, wobei die Autorin auf eine Auswertung dieser Bilder verständlicherweise verzichtet hat10. Nachdem bereits 1954 J. Le Gall die damals bekannten Schiffsgraffiti Roms und Pompejis publiziert hatte11, liegt seit 2001 eine neuere Sammlung aller Schiffsgraffiti im Mittelmeerraum in der von M. Langner verfassten Dissertation ‚Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung‘ vor12. Hier sind die Zeichnungen nach formalen Kriterien wie der Fahrzeuggröße oder dem Antrieb geordnet, während eine Einordnung nach Funktionen und Fundkontexten wiederum nicht angestrebt wird. Die 2011 von Z. Friedman in Oxford publizierte Arbeit ‚Ship iconography in mosaics‘ behandelt neben anderen die Tessellate mit Schiffsdarstellungen, legt den Fokus aber nicht ausschließlich auf römisches Fundmaterial. Hier treten die Kontexte der Mosaikbilder zugunsten einer verstärkt inhaltlich-konstruktiven Ausdeutung in den Hintergrund13.
Es liegt auf der Hand, im Rahmen dieser Untersuchung auch solche Literatur zu berücksichtigen, die nicht spezifisch auf Schiffsdarstellungen fokussiert, sondern auf römische Wohnkultur und die Nutzungsgewohnheiten der Bewohner bestimmter Raumtypen. Eine ausführliche Untersuchung der nordafrikanischen Mosaiken mit Meeresthemen hat C. Belz mit ihrer 1981 fertiggestellten Dissertation ‚Marine Genre Mosaic Pavements of Roman North Africa‘ vorgelegt14, die hinsichtlich der hier angestrebte Analyse von Bodenbildern in Wohnhäusern eine gute Wissensbasis vermittelt. Die in Belz’ Arbeit vorgenommene Eingrenzung auf diejenigen Darstellungen, die Menschen in einer realen Umwelt zeigen, lässt solche Abbildungen außen vor, die ausschließlich die marine Fauna und Flora thematisieren sowie mehrheitlich auch die Bilder mythologischen Inhalts. Belz hat die fraglichen Mosaikszenen mit Meeresthematik bezüglich ihrer Komplexität in vier Sektionen klassifiziert. Sie seien vor allem in ausgedehnten Villen und Domus15 anzutreffen und dort besonders zahlreich in den größeren Räumen. So soll das Atrium häufigster Anbringungsort maritimer Genreszenen sein. Danach folgten Exedren und Brunnenbecken, welche gleichwohl keine eigenständigen Räume bildeten, sondern oftmals anderen Räumen angegliedert seien. Ferner fänden sich Schiffsmosaiken auch häufig in den von Belz zur Gruppe der Repräsentationsräume zusammengefassten Oeci, Tablina und Triklinia16, wohingegen lediglich drei Exemplare privaten Thermen innerhalb von Wohngebäuden zugeordnet werden. Ob und inwieweit sich diese früheren Beobachtungen auch in den Schiffsmosaiken konkreter fassen lassen, soll unten geprüft werden.
Wirkungsgeschichtlich besonders folgenreich waren A. Wallace-Hadrills Arbeiten zur römischen Wohnkultur. Im seinem 1988 innerhalb der BSRSerie erschienenen Aufsatz ‚The social structure of the Roman house‘, der die Verhältnisse ab der späten Republik thematisiert, wurden zunächst die einzelnen Räume im Wohnhaus nach ihrer Zugänglichkeit für Gäste von außen unterschieden. Diesbezüglich sah Wallace-Hadrill zwei Typengruppen, nämlich einerseits Räume, die sämtlichen Besuchern (Clientes) der familia offenstanden und andererseits solche, die einem klar definierten Personenkreis, den Amici, vorbehalten blieben17. Es wird damit die Unterscheidung in öffentliche und private Bereiche teilweise aufgehoben, da diese Aspekte in der römischen Wohnwelt ineinandergreifen18. Die hier begonnenen Überlegungen wurden in der 1994 publizierten Monographie ‚Houses and Society in Pompeii and Herculaneum‘ auf eine breitere Basis gestellt. Um Funktion und Bedeutung eines Raumes zu beurteilen, wurden anhand von Grundrissen sowohl die Lage innerhalb des Hauses als auch die Anbindung an andere Räume erfasst und ausgewertet19. Als eine bedeutende Raumgruppe machte der Autor dabei die von ihm so genannten Convivia sowie die personal spaces‘ aus, bei denen es sich jeweils um Räume mit überdurchschnittlich reicher Dekor- und Mobiliarausstattung handele. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte 1997 M. Graham am Beispiel der Casa del Fauno in Pompeji, wo umfangreiche Daten zur Zugänglichkeit und zur Verteilerfunktion einzelner Räume genutzt wurden, um deren Funktionen im Gebäude zu bestimmen20.
Eine Auseinandersetzung sowohl mit den Rahmenbedingungen von Mosaikdarstellungen in Wohnhäusern als auch mit deren Rezeption durch Bewohner und Gäste begann S. Muth in ihrer Dissertation ‚Erleben von Raum, Leben im Raum. Zur Funktion mythologischer Mosaikbilder in der römisch-kaiserzeitlichen Wohnarchitektur‘ von 1998. Bestimmend für letzteres sei der individuelle Wissens- und Erfahrungsschatz des Betrachters ebenso wie dessen Bereitschaft, die Bilder auf sich wirken zu lassen21. Muth wies darüber hinaus auf die besonderen Bedingungen hin, welche für die Wahrnehmung von Fußbodenmosaiken gelten und sah für diese selten eine „zentrale Bedeutung beim Erleben des Raumes“. Diese These soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit überprüft werden. Wenngleich das Wirkungspotenzial der Mosaiken nach Muth demnach begrenzt blieb, sei doch die spezifische Themenwahl, ähnlich wie bei Wandgemälden, in direkter Abhängigkeit von der Funktion des Raumes innerhalb eines Wohnhauses zu sehen22. Den Zugang über die Wandgemälde wählte E. Winsor Leach in ihrer 2004 in Cambridge veröffentlichten Schrift ‚The social life of painting in ancient Rome and on the bay of Naples‘, in der neben den Gemälden selbst auch zeitgenössische Schriftquellen zu den Wanddekorationen herangezogen werden. Anhand dieser Zeugnisse werden Unterschiede zwischen der Metropole Rom und der Landstadt Pompeji herausgearbeitet. Im Ergebnis kommt Winsor Leach zu dem Schluss, dass die Gemälde ein eindrückliches Bild zeichnen sowohl von der Rolle des Hausbesitzers im familiären Kreis als auch von seinem Status im öffentlichen Leben seiner Heimatstadt23.
Eine stark rezipierte Arbeit zum römischen Wohnen ist die 2008 veröffentlichte Dissertation ‚Bilder machen Räume. Mythenbilder in pompeianischen Häusern‘ von K. Lorenz, die ihren Ausführungen eine ausführliche Positionsbestimmung und terminologische Diskussion vorausschickt. Insbesondere warnt sie davor, antik überlieferte Begriffe wie Triklinium oder Cubiculum, welche etwa Vitruv (De architectura 6,5) gebraucht, ohne weiteres mit Raumtypen im modernen Sinne – Esszimmer und Schlafzimmer – zu identifizieren24. Heutige Nutzungskonzepte bestimmter Wohnräume, die im Wesentlichen auf eine erst im 19. Jh. einsetzende Entwicklung zurückgingen, besäßen für römisches Wohnen keine Gültigkeit. Lorenz würdigt den älteren Forschungsansatz von Wallace-Hadrill insoweit, als sie sich dessen Verzicht auf die Anwendung schriftlich überlieferter Raumbegriffe selbst zu eigen macht und zudem die ebenfalls modern geprägte Unterscheidung in öffentlich und privat vermeidet. An anderer Stelle übt sie gleichwohl Kritik an Wallace-Hadrills Ansatz. So weist sie auf die Schwierigkeiten hin, die Komplexität menschlicher Interaktion im Wohngebäude allein anhand architektonischer Grundrisse zu bestimmen, da hierbei beispielsweise Türen und andere Wanddurchlässe, welche den Personenverkehr sowie die Kommunikation ganz wesentlich mitbestimmen, unberücksichtigt blieben25. Stattdessen schlägt Lorenz eine Differenzierung primär nach Raumgruppen vor, denen bezüglich ihrer Lage im Wohnhaus besondere Eigenschaften zukämen. Dies seien zunächst die Räume im Eingangsbereich, nämlich Prothyra (Vestibula), Atria und Alae, die sich typologisch und funktional von den ‚tiefer‘ im Haus gelegenen Räumen deutlich abgrenzen ließen. Als weitere Kategorie werden die sog. Dreiraumgruppen oder Empfangsräume beim Peristyl ausgemacht, die Lorenz als Cenationes zusammenfasst und die den Convivia bei Wallace-Hadrill entsprechen26. Diese seien vorwiegend in größeren Wohnhäusern anzutreffen. Des Weiteren werden solche Räume zusammengeschlossen, die beim Atrium oder beim Peristyl liegen, aber nicht zu den vorher genannten Gruppen gehören. Hierzu zählen für Lorenz neben Tablina auch diejenigen „kleineren Räume“, deren oft wechselnde Bezeichnungen als Oeci, Triklinia oder Cubicula die Schwierigkeit einer universal anwendbaren Nomenklatur deutlich erkennen lassen. Peristyle und Viridaria werden als größtenteils offene Flächen dem Gartenbereich zugerechnet27. Die von Lorenz etablierten Raumgruppen weisen jeweils spezifische Dekorationsausstattung auf. So kämen „im vorderen Hausbereich“ vorwiegend auf die Repräsentation der familia ausgelegte Mythenbilder vor, hingegen in den „kleineren Räumen“ sowie im Gartenbereich in erster Linie solche mit emotional-diskursivem Charakter. In den Dreiraumgruppen sei das Dekorationskonzept der Wände auf männliche Statusrepräsentation ausgelegt. Letztere Beobachtung stimmt mit einer bereits früher bei P. Zanker formulierten Ansicht überein, wonach die Ausstattung gerade dieser Räume besonders stark auf individuelle Repräsentation abgestellt gewesen sei28.
Die vorgenannten Arbeiten beziehen sich geographisch primär auf Italien. Mit den Besonderheiten von Wohnhaus und Wohnraum in nordafrikanischen Städten zwischen der mittleren Kaiserzeit und der Spätantike befasste sich der 2003 von S. Bullo und F. Ghedini herausgegebene Sammelband ‚L’edilizia residenziale nelle città della Tunesia romana‘, in dessen Beiträgen verschiedene Raumtypen nach Lage und vermutlicher Funktion separat besprochen werden29. Hier zeigen sich teilweise wesentlich andere Dekorationsprinzipien als in den Häusern italischer Landstädte. Im Ergänzungsbeitrag von 2007 wird der Denkmälerbestand um mehrere Dutzend spätkaiserzeitliche Komplexe erweitert30.