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II. B Forschungsfragen und methodischer Zugriff

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Eine umfassende Analyse römischer Schiffsdarstellungen unter Berücksichtigung sowohl der Motive und Themen als auch der Bildkontexte liegt bislang nicht vor, weshalb der aktuelle Forschungs- und Kenntnisstand in dieser Hinsicht durchweg unbefriedigend ist. Die vorliegende Untersuchung soll zur Füllung des beschriebenen Desiderats beitragen.

Der untersuchende Teil zielt begreiflicherweise auf das Hauptanliegen dieser Arbeit, gilt also primär den Themen und Anbringungskontexten der römischen Schiffsdarstellungen in Italien, Sizilien und den zentralen Gebieten Nordafrikas, welche der italischen Peninsula gegenüberliegen.

Forschungsfragen

Wenn Schiffsdarstellungen in ihrem Umfeld untersucht werden, sind begreiflicherweise diejenigen Darstellungen besonders vielversprechend, für die umfangreiche Kontextinformationen vorliegen, denn sie gestatten – dem Fokus dieser Arbeit gemäß – Zugänge zum Objekt, die nicht primär in seiner Gestalt, dem Material oder dem Bildumfang liegen. Es wird also zu prüfen sein, welche Gebäudetypen (Wohnhaus/Villa, Heiligtum, Grab, ...) und welche spezifischen Raumeinheiten bevorzugt mit Schiffsbildern dekoriert wurden. Des Weiteren wird untersucht, welche anderen Bildthemen (figürliche und ornamentale) im Umfeld der Darstellungen begegnen und wie sich die Schiffsbilder in das Ensemble dieser Dekorationen einfügen.

Die Beziehung einzelner Orte zur Schifffahrt wird von weit mehr Faktoren geprägt, als nur von ihrer Lage, sei es am Meer, an einem Fluss, im Küstenhinterland oder in größerer Distanz zu den Meeresufern. Es zeigt sich eine Vielzahl möglicher Motivationen für die Anbringung von Schiffsbildern in öffentlichen oder privaten Räumen, die im Einzelnen aufgeschlüsselt werden sollen. Wenn Schiffsdarstellungen im Binnenland begegnen, dann ist zu fragen, welche womöglich ferneren Gründe vorliegen könnten, die über den puren Zufall einer willkürlichen Verbringung in solche Gebiete hinausgehen mögen.

Ausgesprochen häufig begegnen Schiffsdarstellungen in privaten Wohngebäuden, jedoch durchaus mit zeitlicher und landschaftlicher Differenzierung. Wir wollen prüfen, wann und wo private Wohnhäuser römischer Bürger mit Schiffsbildern dekoriert wurden und welche Gründe für diese Motivwahl vorlagen. So soll untersucht werden, welche interregionalen Abhängigkeiten und potenziellen Ableitungen zwischen den Bildbeständen bestimmter Gebiete existieren, etwa in der Hinsicht, dass die speziellen Ausprägungen der Schiffsbilder einer Landschaft andernorts Vorbildwirkung hatten. Weitere spezifische Forschungsfragen gehen über den Kontext der Schiffsdarstellungen hinaus und heben stärker auf die Darstellungsinhalte ab. So wird im Abgleich mit unserem aus anderen Quellen erhaltenen Wissen um römischen Schiffbau und römische Schifffahrt geprüft, welche Darstellungsgattung (Relief, Mosaik, Graffito, ...) die durchschnittlich naturgetreuste Wiedergabe des Motivs ‚Schiff‘ aufweist und es wird gefragt werden, welchen Umständen sich das verdankt. Der Variantenreichtum der Bilder ist mitunter ebenso bestechend wie die Fülle an dargestellten Details; sie werden im Zuge dieser Arbeit ebenfalls in Breite analysiert. Die häufigste Schiffsantriebsart ist das Segel. Welche Segeltypen lassen sich in den Schiffsbildern nachweisen und sind bestimmte Segeltypen wiederum bevorzugt bestimmten Schiffstypen zuzuordnen? Welche Antriebsarten existierten neben dem Segel und dem Ruder? Erscheinen etwa gepaddelte, gestakte oder getreidelte Schiffe in den Bildern? Darüber hinaus wird auch zu fragen sein, inwieweit Schiffsbesatzungen als die Fahrzeuge belebende Elemente zur Darstellung gelangen und ob sie mit ihren spezifischen Positionen und Aufgaben an Bord glaubhaft differenziert werden. Neben Marineschiffen nehmen solche der zivilen Frachtschifffahrt im Bilderspektrum einen wesentlichen Raum ein. Wir prüfen mithin auch, welche Handelsgüter bevorzugt abgebildet wurden und inwieweit sie Aufschluss geben über die Beweggründe hinter der Motivwahl.

Wo römische Bilder untersucht werden, steht auch immer die Frage im Raum, inwieweit sie zur Rekonstruktion römischer Technik und technischer Innovationen beizutragen vermögen. So werden hier die Schiffsdarstellungen auch dahingehend konsultiert, was sie zur Technik aussagen und ob sie die tatsächlichen Verhältnisse antiker Wirklichkeit, hier Technikgeschichte, realistisch wiedergeben. Aus dieser Mikroanalyse ergeben sich weitere Fragen. Erweisen sich Bilder als authentisch, dann liegt es nahe, sie nicht nur zur Rekonstruktion bestimmter technischer Aspekte heranzuziehen, seien es die Bugformen seetüchtiger Schiffe, die Handhabung der Takelage oder die Funktionsweise des Ladegeschirrs, sondern diese auch virtuell auszutesten. Es soll darüber hinaus jeweils untersucht werden, wo konkrete Innovationen auftreten und welchen Nutzen sie gebracht haben mögen und ob solche Neuerungen genuin römischen Ursprungs sind. Zu jedem Schiff gehören schließlich die Besatzung und gegebenenfalls auch die Fracht, weshalb gefragt werden wird, welche Rolle die Schiffscrews in den Bildern spielen und inwieweit möglicherweise standardisierte Gebinde die Transportlogistik optimiert haben.

Private sowie öffentliche Wirtschaftsinteressen, getragen von Einzelpersonen oder den Negotiantes einer Stadt, waren vielfach kausal für die Anbringung von Schiffsdarstellungen an bestimmten Orten. Es sollen deshalb auch der römische Seehandel und sein Spiegelbild im maritimen Kunstschaffen einer knappen Betrachtung unterzogen werden. So konstituierte der Transport von Menschen und Gütern per Schiff auf dem Wasser neben dem Landtransport einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Während Importe etwa aus Ägypten selbstverständlich auf dem Seeweg nach Italien gelangten und ebenso die für Italien bestimmten Getreidelieferungen von der sizilischen Insel, konkurrierten andernorts die Seetransportrouten mit solchen über Land. Der Piazzale delle Corporazioni in Ostia ist mit seinen zahlreichen Handelsdependancen auswärtiger Städte ein wichtiger Fixpunkt und zugleich Indiz für das oft weit verzweigt zu denkenden Netz von Handelsbeziehungen einzelner Städte. Es soll geprüft werden, wo und in welchem Umfang Seerouten und mithin dem Schiffstransport der Vorzug gegenüber Landtransporten gegeben wurde.

Methodischer Zugriff

Die Untersuchungen gehen jeweils von einer allgemeineren Darstellung der siedlungsräumlichen Verhältnisse einer Fundlandschaft aus, bevor der Blickwinkel auf einzelne Fundorte sowie Fundplätze verengt wird und schließlich auf die Einzelobjekte – einzelne Schiffsbilder in ihrem Kontext – fokussiert. Bei Städten mit zahlreichen Einzelobjekten (z.B. Rom, Ostia, Pompeji) werden zudem die topographischen Beziehungen der einzelnen Fundplätze innerhalb der Stadt herausgearbeitet. Zur Einordnung der Funde in einer Stadt werden relevante ‚äußere‘ (Lage, Handelsrouten, ...) und innere (Bevölkerungsstruktur, Stadtgeschichte, lokale Mythentraditionen) Faktoren zur Bewertung herangezogen.

Eine Beurteilung der Schiffsdarstellungen unter technischen und Innovationsgesichtspunkten muss sich letztlich von den Bildern selbst lösen und zunächst reale, zeitgenössische Schiffe – nämlich Wracks – in den Fokus nehmen. Neben den anhand archäologischer Überreste erarbeiteten Fahrzeugtypen31, mit deren phänotypischer Erscheinung die Bilddarstellungen verglichen werden, besteht eine weitere anschauliche Möglichkeit im Abgleich mit experimentellen Nachbauten, welche sich aus ersteren ableiten. Diese ‚Versuchsfahrzeuge‘, Forschungsschiffe im weiteren Sinne, lassen die Funktionalität spezifischer Bauteil ebenso erkennen, wie die Eignung für bestimmte Einsatzzwecke. Voraussetzung ist, dass ihre Rekonstruktion überwiegend auf erhaltener Substanz beruht, also auf den eigentlichen stofflichen Überresten, sie also gerade nicht anhand bildlicher Darstellungen rekonstruiert wurden. Weitgehend unbrauchbar für eine Wiedergewinnung äußerer Formen sind literarische Zeugnisse. In diesen werden zwar bisweilen technische Einzelheiten zusammenhanglos genannt, visuelle Gesamteindrücke aber selten vermittelt32. Die in jüngerer Zeit vor allem von G. Boetto und R. Bockius vorgenommenen theoretischen Rekonstruktionen mediterraner Frachtfahrzeuge33 erfüllen weitgehend die oben genannten Kriterien. Da Rekonstruktionen mediterraner römischer Kriegsschiffe mangels stofflicher Überreste bislang unterblieben sind, sind hier andere Quellen zu befragen. So kann behelfsweise der experimentelle Nachbau einer griechischen Triere – OLYMPIAS34 – herangezogen werden, anhand dessen technische Gebote des antiken Kriegsschiffsbaus aufgezeigt und die Fahrpraxis mit solchen Schiffen beurteilt werden können. Von indirektem Nutzen sind ferner die in den letzten Jahren auf Kiel gelegten Nachbauten römischer Flussschiffe aus Mitteleuropa. Zwar sind diese Fahrzeuge mit niedrigem Freibord für die offene See nicht geeignet, für Binnengewässer jedoch so überaus tauglich, dass mittels der auf ihnen gewonnenen empirisch Erfahrungen die technischen Ansprüche an den Schiffbau und die Schiffsführung umrissen werden können. Im Abgleich mit den Schiffsdarstellungen ist es dann auch möglich, technisch Notwendiges von unnötiger Staffage zu unterscheiden35.

Eine spezifische Klassifizierung der Schiffe wird nur insoweit vorgenommen, als festgestellt werden soll, ob an einer Stätte die Darstellungen von Kriegsschiffen, Fischerbooten, Frachtern oder von anderen Fahrzeugen der zivilen Seefahrt (vgl. Zeichnungen und Definition) überwiegen. Diese Herangehensweise soll jeweils helfen, die konkreten, militärisch oder zivil motivierten Beweggründe für die Verwendung des Schiffes als Dekorationsthema zu eruieren.

Neben den Schiffsdarstellungen selbst, die etwa durch technische Innovationen mögliche Vorteile des Seetransports aufzeigen können, wird eine Software genutzt, mittels derer sich mediterrane Seerouten simulieren lassen. Dabei werden Parameter wie die Schiffs- und Wagentechnik als ‚innere‘ Faktoren, aber auch die äußeren Bedingungen auf See und im Landtransport veränderlich simuliert36.

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