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7. Ausweitung des Anwendungsbereichs der Aussagepsychologie
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Erwachsene Zeugen. Köhnken[98] berichtet, dass Forschungsergebnisse den Schluss zulassen, dass die kriterienorientierte Aussageanalyse „auch bei erwachsenen Zeugen mit hinreichender Zuverlässigkeit zwischen erlebnisbegründeten und konfabulierten Aussagen unterscheiden kann“. Auch nach Volbert/Steller[99] gelten die aussagepsychologischen Erkenntnisse nicht nur für kindliche, sondern auch erwachsene (Opfer)zeugen.
Nach Steller/Volbert[100] ist der Schwellenwert, von der festgestellten Aussagequalität auf die Glaubhaftigkeit der Bekundung zu schließen, bei Erwachsenen höher als bei Kindern. Eine ausführliche Betrachtung findet sich bei Greuel[101].
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Beschuldigte – Geständnis, Widerruf des Geständnisses. Steller[102] und Volbert[103] haben in der Festschrift für Eisenberg zu dem sog. Pascal-Verfahren vor dem LG Saarbrücken „Zu falschen Geständnissen in Kapitaldelikten – Praxis: Der Fall Pascal“ bzw. „Falsche Geständnisse“ veröffentlicht und dabei die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte des Geständnisses hervorgehoben[104].
Aussagepsychologen[105] stellen bei der Diskussion über die Anwendbarkeit der Realkennzeichenanalyse bei Beschuldigtenaussagen zutreffend darauf ab, dass sich an der Leugnung eines Vorwurfes, die nur aus einem Wort – z. B. Haben Sie die Frau umgebracht? „nein“ – bestehen kann, mangels Aussagematerials keine analytische Bewertung vornehmen lässt.
Bei einem ausführlichen Geständnis und/oder einem Geständniswiderruf wird grundsätzlich eine Analyse in Betracht gezogen[106], jedoch darauf hingewiesen, dass sich der Beschuldigte „z. B. mangels Wahrheitsverpflichtung in einer gänzlich anderen motivationalen Lage befinde“ als der Opferzeuge. Das ist rechtlich unzutreffend. Zu bedenken ist nämlich, dass der Beschuldigte im Rahmen der Aussagefreiheit zwar darüber entscheiden kann, ob er sich überhaupt und wie zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf äußern kann, er im Rahmen der Aussage aber einen anderen nicht fälschlich beschuldigen bzw. eine Straftat vortäuschen darf (§§ 145d, 164 StGB)[107].
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Mitbeschuldigte. Bislang fehlen Untersuchungen zur Glaubhaftigkeit von Aussagen von Mitbeschuldigten. Jansen[108] hat in einem Beitrag in der Festschrift für Hamm die aussagepsychologische Beurteilungsmöglichkeit diskutiert.
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Ausländer. Bei Ausländern ist die Aussagebeurteilung erschwert, wenn ihre Aussage durch einen Dolmetscher übersetzt wird. Vielfach übersetzen Dolmetscher nicht vollständig, zum Teil auch nicht korrekt, wobei auch die Besonderheiten der jeweiligen Fremdsprache und auch kulturelle Unterschiede zu beachten sind[109].
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Identifizierungsaussage. Identifizierungsaussagen werden in der Praxis meist unter dem Gesichtspunkt erhoben, wie sicher sich der Zeuge bei der Wiedererkennung des Beschuldigten ist, obwohl subjektive Sicherheit keinen hinreichenden Aufschluss über die Richtigkeit der Aussage geben kann. Köhnken[110] verdeutlicht, dass die Qualität der Aussage kein verlässlicher Indikator ist, jedoch die Reaktionszeit (die Dauer von der Präsentation einer oder mehrerer Personen bzw. Lichtbilder und der Äußerung des Zeugen) ein Indikator für die Richtigkeit der Aussage sein kann, da korrekte Identifizierungen „schneller als falsche … erfolgen“.
Näheres zum aktuellen Erkenntnisstand der Personenidentifizierung findet sich in den Ausführungen von Sporer[111] im Handbuch der Rechtspsychologie und Sporer/Sauerland[112].
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