Читать книгу Zeuge und Aussagepsychologie - Gabriele Jansen - Страница 26

Оглавление

Teil 1 Zeugenaussage › II. Glaubwürdigkeit des Zeugen – Glaubhaftigkeit der Aussage

II. Glaubwürdigkeit des Zeugen – Glaubhaftigkeit der Aussage

45

Lange Zeit wurden Zeugenaussagen nach der Persönlichkeit des Zeugen beurteilt. Hatte der Zeuge einen honorigen Beruf, genoss er allseits Ansehen, sprach viel dafür, dass er auch die Wahrheit sagte. Eine solche ausschließlich persönlichkeitszentrierte Betrachtungsweise ist durch die Erkenntnisse der modernen Aussagepsychologie in den letzten 50 Jahren abgelöst worden. Entscheidend ist allein die Aussage des Zeugen. Persönlichkeitsaspekte spielen dabei nur im Rahmen seiner individuellen Aussagekompetenz eine Rolle.

Man sprach auch von der Glaubwürdigkeit der Person und der Glaubhaftigkeit der Aussage. Damals wurde zwischen genereller und spezieller Glaubwürdigkeit unterschieden, so z. B. in der Entscheidung aus dem Jahr 1993[1]:

„Die Klärung der allgemeinen Glaubwürdigkeit läßt noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit zu. … Die neu zur Entscheidung berufene StrK wird gegebenenfalls zu bedenken haben, daß Anlaß bestehen kann, zwischen der allgemeinen und der speziellen Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu unterscheiden. Während die letztere die Frage der Glaubwürdigkeit im Hinblick auf die Aussage zum jeweiligen Verfahrensgegenstand betrifft, betrifft die allgemeine Glaubwürdigkeit die Frage, ob man dem Zeugen hinsichtlich sonstiger Angelegenheiten außerhalb des Verfahrens grundsätzlich Glauben schenken kann. Die Klärung der allgemeinen Glaubwürdigkeit läßt nach den Erkenntnissen der forensischen Psychiatrie noch nicht ohne weiteres generelle Schlüsse auf die spezielle Glaubwürdigkeit zu[2].“

In der Grundsatzentscheidung des BGH[3] zu aussagepsychologischen Gutachten wird klargestellt, dass es heute nicht mehr um die allgemeine Glaubwürdigkeit geht:

BGH [1 StR 618/98]

„Gegenstand einer aussagepsychologischen Begutachtung ist wie sich bereits aus dem Begriff ergibt nicht die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit des Untersuchten im Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft. Es geht vielmehr um die Beurteilung, ob auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Angaben zutreffen, d. h. einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entsprechen (Gutachten Prof. Dr. Steller; s. auch Herdegen aaO Rdn. 31).“

Dass die Persönlichkeit des Zeugen nichts über den Wahrheitsgehalt seiner Aussage aussagt, hat der BGH[4] in letzter Zeit noch einmal ausdrücklich klargestellt. Danach muss einer „offenen und ehrlichen Persönlichkeit“ nicht entgegenstehen, dass der Zeuge in einzelnen Punkten die Unwahrheit gesagt hat.

Diese BGH-Rechtsprechung geht zurück auf Undeutsch, der mit der Unterscheidung zwischen der Glaubwürdigkeit der Person und der Glaubhaftigkeit der Aussage die vierte Phase der Aussagepsychologie einläutete[5].

46

Früheres Verhalten kann nach BGH[6] dennoch Schlussfolgerungen zulassen, wenn die entsprechende frühere Lebenssituation mit der jetzigen vergleichbar ist.

Steller[7] greift das allseits bekannte Sprichwort ,Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht‘ auf, in dem der Volksmund auf eine charakterbezogene Glaubhaftigkeitseinschätzung hinweist: stellt klar, „dass Feststellungen über die allgemeine Glaubwürdigkeit einer Person keine hinreichend eindeutigen Beziehungen zu der Glaubhaftigkeit von spezifischen Bekundungen dieser Person aufweisen“. Gleichzeitig „mache der Volksmund aber die Fehlerhaftigkeit dieser Beurteilungsstrategie deutlich (‚und wenn er auch die Wahrheit spricht‘)“.

Diese Gesichtspunkte sind bei der Beurteilung von Zeugenaussagen zu beachten; das sowohl schon bei Vernehmungen als auch bei der aussagepsychologischen Begutachtung. Das wird im Weiteren ausführlich in Teil 2 „Zeugenvernehmung“ und Teil 3 „Aussagepsychologische Begutachtung“ dargestellt.

Es folgt eine Darstellung der Rechtsprechung zur Aussagebeurteilung.

Zeuge und Aussagepsychologie

Подняться наверх