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d) Erfindungskompetenz
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Die Erfindungskompetenz ist ein in der bisherigen Rechtsprechung eher vernachlässigter Gesichtspunkt, obwohl er bei der Prüfung, ob der Zeuge bewusst falsch aussagt, eine entscheidende Rolle spielt.[66] Es geht um die Fähigkeit, sich eine Aussage auszudenken.
• BGH [3 StR 281/07] | Intellektuelle Fähigkeiten des Zeugen, sich die Aussage auszudenken |
Sexuelle Vorerfahrungen/Eigene Missbrauchserfahrungen des Aussagenden. Der Aussagepsychologe prüft im Rahmen der Aussagetüchtigkeit auch, über welche sexuellen Vorerfahrungen bzw. über welche sexuellen Kenntnisse der kindliche Zeuge verfügt. Das ist für die Prüfung der sog. Übertragungshypothese – ob der Zeuge den behaupteten sexualbezogenen Sachverhalt in einem anderen Zusammenhang oder mit einer anderen Person erlebt hat – von Belang.
In diesem Zusammenhang sind Fragen zum Privat- und Intimleben des Aussagenden – nach BGH [1 StR 498/04][67] – unerlässlich, wonach im Rahmen „der vorrangigen Verpflichtung zur Wahrheitsermittlung auf die Achtung der menschlichen Würde eines Zeugen Bedacht zu nehmen“ und die Befragung dazu nur nach sorgfältiger Prüfung statthaft ist.
Sexuelle Vorerfahrungen/Eigene Missbrauchserfahrungen des Aussageempfängers. Auch die Aussage des sog. Aussageempfängers ist einer Glaubhaftigkeitsprüfung zu unterziehen. Der Aussageempfänger ist die Person, der gegenüber der Zeuge sich zu dem Vorwurf äußert. Zu prüfen ist vor allem, ob er in dem Gespräch mit dem Zeugen voreingenommen ist, ein bestimmtes Geschehen im Blick hat oder sich vorstellt und den Zeugen dementsprechend dazu befragt.
Ist z. B. eine Mutter selbst von ihrem Stiefvater missbraucht worden und erfährt sie, dass ihrer Tochter „dasselbe“ mit ihrem Lebensgefährten passiert ist, wird das sicher in ihre Reaktion mit einfließen. Nahe liegt, dass sich die Mutter in einem Gespräch mit der Tochter an ihren eigenen Erlebnissen „orientiert“ und so z. B. die Tochter in der Befragung „lenkt“, z. B. danach fragt, ob der Lebensgefährte ihr auch die Hand in die Hose gesteckt hat, wenn die Mutter das mit ihrem Stiefvater auch so erlebt hat. Eine solche Erwartungshaltung bzw. Voreinstellung kann die Antworten der Tochter erheblich beeinflussen. Hier wird man das Augenmerk auf die ursprünglichen Angaben des Zeugen und mögliche Veränderungen – womöglich noch in demselben Gespräch – lenken müssen, erst recht, wenn die Zeugin erst in dem Gespräch mit dem Aussageempfänger von deren Vorerfahrung erfährt.
Von daher überwiegt das Aufklärungsinteresse gegenüber dem Persönlichkeitsschutz des Aussageempfängers als Zeugen i. S. d. § 68a StPO.
Früheres Verhalten in vergleichbaren früheren Lebenssituationen. Zeugen können auch nach ihren Alkoholkonsumgewohnheiten gefragt werden, ebenso zu möglichem Drogenkonsum, wenn das einen Zusammenhang zu dem erhobenen Vorwurf hat.
• BGH [1 StR 498/04][68] | Fehlverhalten bei oder nach Beendigung privater Beziehung, z. B. Alkoholismus |
Teil 1 Zeugenaussage › III › 5. BGH-Rechtsprechung zur Fehlerquellenanalyse