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Das Essen war köstlich gewesen wie immer. Seine Mutter war und blieb eine begnadete Köchin. Nun aber stand ihm der Sinn nur nach einem – endlich mit dieser unglaublich begehrenswerten Frau allein zu sein. Stefano küsste seine Mutter und seinen Vater zum Abschied, nahm Gianninas Hand und zog sie mit einem »ich komme dann irgendwann nach Hause« mit sich hinaus ins Freie. Sternenklarer Himmel und eine laue Mainacht erwarteten sie und Stefano lief mit seiner Verlobten hinunter zu ihrer beider Lieblingsplatz am Strand. Geschickt wie die Bergziegen kletterten sie über eine kleine Felsformation und kamen so zu der winzigen, vor neugierigen Blicken verborgenen Bucht am Ende des langen Sandstrands. Stefano zog sich seine Jacke aus, legte sie in den kühlen Sand und ließ sich mit einem lauten Seufzen darauf fallen. Giannina schlang sich ihren Schal fester um die Schultern. »Es ist kühl heute. Ich hätte erwartet, dass es schon etwas wärmer ist.«

Stefano lächelte sie vielsagend an. »Das soll das geringste Problem sein. Komm her zu mir und ich sorge in Windeseile dafür, dass dir warm wird.« Einladend streckte er die Arme nach ihr aus und sie setzte sich zwischen seine langen Beine und schmiegte sich an seine breite Brust.

»Ich habe dich vermisst!«

»Das höre ich doch sehr gern. Ich wäre ein klein wenig enttäuscht gewesen, wenn dem nicht so wäre. Der letzte Abend vor meiner Abreise war eigentlich schon dazu gedacht, dich auf lange Zeit an mich zu erinnern.«

Flammende Röte überzog Gianninas Wangen nach seinen Worten.

»Stefano, du solltest dich schämen, so zu sprechen. Das war eine Sünde! Wir sind noch nicht verheiratet.«

»Ach? Eine Sünde? Liebling, dass du es für Sünde gehalten hast, konnte ich in jener Nacht beim besten Willen nicht spüren!« Er schlang seine Arme noch fester um sie und suchte ihren Blick.

»Das war, weil ich dich liebe. Weil ich jedes Mal, wenn du dort hinaus fährst, vor Angst schier umkomme, da ich nicht weiß, ob ich dich jemals wiedersehen werde. Ich weiß doch nicht einmal, was sich dort hinter dem Horizont verbirgt. Ich kenne nur dies hier.« Ihre Hand beschrieb einen Bogen über die Bucht bis hinüber zu der großen Stadt.

Stefanos Lächeln vertiefte sich. »Dort wartet eine andere Welt, nein, dort warten viele andere Welten. Länder mit Menschen, die so anders sind als wir, herrliche Schlösser, Burgen, bunte Städte, die Mündungen riesiger Flüsse, die ins Meer fließen, Flüsse, die die Erinnerungen der Menschen mit sich tragen, die an ihren Ufern leben. Dort gibt es endlos scheinende Wasserflächen, gigantische Fische, ich habe Wale gesehen, sie sind das Unglaublichste, was meinen Augen jemals untergekommen ist. Sanfte Riesen, die seit einer Zeit, die wir uns gar nicht mehr vorzustellen vermögen, die Meere durchpflügen. Ich habe einem von ihnen in die Augen gesehen, gut, in ein Auge, da sein Kopf so groß war, dass ich Mühe hatte, alles zu erkennen. Giannina, ich sage dir, in diesen Augen liegt die Weisheit von Jahrtausenden. Die Menschen könnten von diesen sanften Lebewesen viel lernen.«

Seine Verlobte schüttelte tadelnd den Kopf. »Stefano, du versündigst dich. Der Mensch ist dazu auserwählt, über die Erde und alles, was auf ihr ist, zu herrschen.«

Er war in diesem Augenblick froh darüber, dass sie nicht sehen konnte, wie ihm bei ihren Worten die Gesichtszüge entglitten. Wenn Gianninas Mutter ihrer Tochter ein wenig mehr über das tatsächliche Leben und etwas weniger über die zweifelhaften Lehren der Kirche beibringen würde, so wäre das für ihr zukünftiges Leben sicher sinnvoller. Aber er gedachte das Schritt für Schritt in den Griff zu bekommen, sobald sie erst verheiratet wären.

»Liebes, du siehst die Dinge oft ein wenig verklärt, aber das mag daran liegen, dass du noch nie aus Neapel und Umgebung heraus gekommen bist. Sobald wir verheiratet sind, werde ich dich, so oft ich kann, mitnehmen. Ich möchte dir diese Welt zeigen und ich möchte dir zeigen, was sie dir zu bieten hat. Für den Augenblick aber würde ich dir für mein Leben gern zeigen, was ich so zu bieten habe.«

»Stefano, du solltest dich schämen!« Spielerisch schlug sie mit dem Ende ihres Schultertuches nach ihm.

Er zuckte nur die Achseln. »Na, hör mal! Wofür sollte ich mich denn schämen? Etwa dafür, dass ich dich mehr liebe als mein Leben? Dafür, dass ich dort draußen auf See vor Sehnsucht nach dir fast umgekommen bin? Dafür, dass ich in mondheller Nacht am Bug stand und trotz all der Schönheit, die ich sah, nur an dich denken konnte? Dafür, dass ich während eines verheerenden Sturms, als die Ana Maria zu sinken drohte, nur daran denken konnte, dass ich dich nun vielleicht nicht mehr wiedersehen würde? Dafür, dass mir diese Angst fast das Herz zerrissen hat? Soll ich mich dafür schämen?«

»Nein, nein, natürlich nicht. Es ist so schön, das zu hören. Aber für deine sündigen Gedanken.« Giannina blickte bei diesen Worten stur hinaus auf die leichten Wellen.

»Ich sehe schon, deine Mutter hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Was bezweckt sie denn damit? Fürchtet sie, dass ich Schande über dich bringen könnte? Selbst sie sollte mittlerweile wissen, wie viel du mir bedeutest. Ist ihr denn noch immer nicht klar, dass ich ihre Tochter heiraten werde? Versteht sie nicht, dass es mir wichtig war, dass du einen Mann heiratest, der dir ein gutes Leben bieten kann? Ab sofort kann ich das! Ich verdiene genug, um uns ein hübsches Haus zu kaufen, hier in der Nähe, nahe genug bei unseren Eltern, aber auch weit genug von ihnen entfernt, wenn du weißt, was ich meine.« Stefano legte Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand unter ihr Kinn und hob es sanft zu sich an.

»Sieh mich an, Giannina, sag mir, habe ich dich jemals enttäuscht? Habe ich je mein Wort nicht gehalten?«

»Nein, niemals! Ich liebe dich doch auch, Stefano, ich möchte nur nicht, dass sich die Leute hier das Maul über uns zerreißen.«

Stefano zog eine spöttische Grimasse. »Und schon wieder höre ich nur die Worte deiner Mutter. Kein Mensch zerreißt sich hier irgendwas, und soll ich dir sagen, warum? Weil sie alle genug damit zu tun haben, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, weil sie hart arbeiten. Sei mir nicht böse, es ist sehr schlimm, dass dein Vater so früh verstarb, doch er hinterließ euch wohlversorgt. Wenn auch nicht mit Reichtümern gesegnet, hatte deine Mutter stets ein Dach über dem Kopf und das Ersparte deines Vaters half ihr im Leben. Sie litt nie Not, doch statt dankbar zu sein, mischt sie sich fortwährend in die Leben anderer Menschen ein. Sie sollte einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen, das würde sie beschäftigen und von den Priestern fernhalten, die ihr das Gehirn mit Märchen vernebeln.«

»Stefano, hör auf, so über sie zu sprechen. Sie meint es nur gut. Wenn du weiter so redest, dann muss ich gehen.«

Er grinste leise in sich hinein, denn statt von ihm abzurücken, kuschelte sie sich fester an ihn.

»Schon gut, wir wollen uns nicht unser Wiedersehen verderben.« Zärtlich fuhren seine Finger von ihrer Wange über ihren Hals hinab zu ihrer Brust. Während er mit der Linken ihren Kopf umfing und sie sanft auf ihr Haar und dann auf die Stirn küsste, umspielten die Finger seiner Rechten die Häkchen ihrer Bluse und fanden den Weg hindurch. Er war ausgesprochen geschickt darin, die Tücken der weiblichen Kleidung zu eliminieren, und so fuhr seine Hand unter den dünnen Blusenstoff und liebkoste zärtlich den Ansatz ihrer Brüste, die aus dem Mieder spitzten.

»Stefano, wir sollten das nicht tun.«

»Das ist schon in Ordnung, Liebes, du tust ja nichts, ich tue es, und da ich, wenn es nach deiner Mutter geht, sowieso in der Hölle lande, ist alles in bester Ordnung.«

Ehe sie ihm antworten konnte, worauf er gerade so gar keine Lust verspürte, hob er ihr Gesicht erneut an, umgriff ihre Brust ein klein wenig fester und küsste dann zärtlich und doch fordernd ihre vollen roten Lippen. Er konnte spüren, wie ihr Widerstand in sich zusammenfiel wie eine Sandburg im Sommerwind. Giannina wandte sich ihm zu, schlang ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss mit der Leidenschaft, die er so an ihr liebte. Als sie voneinander abließen, rang seine Verlobte ein wenig nach Atem.

Er grinste sie an. »Habe ich dich atemlos werden lassen? Das tut mir leid!«

»Tut es nicht, ich sehe es dir doch an. Aber es ist nicht von Belang, denn auch mir tut nichts leid.« Sie zog ihn noch etwas fester an sich und er spürte ihre festen Brüste durch den dünnen Stoff seines Hemdes.

»Liebes, du machst es mir nicht leicht. Wenn ich mich jetzt – lass mich die Worte deiner Mutter gebrauchen – nicht versündigen soll, dann sollten wir aufhören, denn mein ganzer Körper freut sich schon sehr, dich wieder zu spüren, und zwar wirklich mein ganzer.«

Giannina wurde zwar brennend rot, doch sie wich kein Stück zurück. »Wer sagt denn, dass ich aufhören will? Dich bei mir zu haben und dich dann nicht zu berühren, erscheint mir immer so … unsinnig.«

Stefano lachte laut auf. »Das ist mein Mädchen, komm her, die Nacht ist noch jung!«

Geschenk der Nacht

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