Читать книгу Geschenk der Nacht - Gabriele Ketterl - Страница 18

»Ich kann es nicht fassen. Es ist eine Tragödie. Allerdings war seine letzte Tat eine Meisterleistung!« Admiral George Byng war nicht in der Verfassung still zu sitzen. Immer wieder durchmaß er die Offiziersmesse, in der er seine Männer versammelt hatte, mit großen Schritten.

»Borello hat mehr oder weniger im Alleingang die Santa Cruz versenkt. Jeder andere hätte das Schiff längst verlassen, er hingegen verwandelte die Rochester in einen tödlichen Sprengsatz.« Nur kurz unterbrach er seine Wanderung und warf einen Blick durch das Bullauge, hinaus in die langsam einsetzende Nacht. Sie waren siegreich gewesen. Mit dem Untergang der Santa Cruz war das Ende der Spanier so gut wie besiegelt. Einige kleinere Scharmützel gab es noch, die sie jedoch rasch unter Kontrolle brachten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich bereits weit über zwei Drittel der spanischen Armada auf der Flucht. Ein Sieg! Ein glorreicher Sieg, doch der, dem sie diesen Sieg letztendlich zu verdanken hatten, war tot. Er selbst war Augenzeuge gewesen, wie der junge Offizier, schwer verwundet, eigentlich mehr tot als lebendig, dort am Bug der brennenden Rochester gestanden hatte. Als das Schiff sich in die Seite der Santa Cruz gebohrt hatte und fast sofort explodiert war, war Borello in den Ozean geschleudert worden. Byng hatte Stunden nach ihm suchen lassen, doch er war spurlos verschwunden, irgendwo im Meer der Toten. Er fühlte sich schuldig. Schuldig am Tod dieses außergewöhnlichen Mannes und schuldig gegenüber dessen Familie.

Er wandte sich erneut seinen Männern zu. »Wir laufen Neapel an. Ich werde persönlich zu seiner Familie gehen und ihnen die furchtbare Nachricht überbringen. Es klingt in diesem Moment fast wie Hohn, doch ich will, dass sie fürstlich für ihren Verlust entschädigt werden.«

Byng warf einen erneuten Blick hinaus auf die See, die übersät von Trümmern und noch immer schwelenden Wrackteilen war.

»Das bringt ihnen zwar den Sohn nicht zurück, niemand kann ihn zurückbringen, aber vielleicht hilft es zumindest ein klein wenig.«