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ZU FUSS NACH DÖBLING Josef Kainz
Wien 19., Lannerstraße 24
ОглавлениеIn jungen Jahren hatte Kainz, wenn er zu kleineren Engagements nach Wien kam, eine Wohnung in der Josefstädter Straße gemietet. Später, als berühmtester Charakterdarsteller seiner Zeit, wohnte er in Döbling. Dass er seinen Wohnsitz schließlich ganz nach Wien verlegte, hatte einen dramatischen Grund: Als seine Frau 1893 in Berlin starb, hielt er es dort nicht mehr aus und beschloss, die Stätte seiner Triumphe zu verlassen. Burgtheaterdirektor Max Burckhard holte den Sohn eines ungarischen Bahnbeamten zunächst nur für ein Gastspiel.
Einige Zeit später sollte der Star als festes Ensemblemitglied nach Wien kommen, doch dem stand ein unlösbar scheinendes Problem gegenüber: Der neue Burgtheaterdirektor Paul Schlenther war früher Kritiker der Vossischen Zeitung in Berlin gewesen, in der er Kainz fürchterlich verrissen hatte.
Jetzt fand man einen – sehr teuren – Weg der Versöhnung. Er bekam die höchste Gage, die man am Burgtheater je bezahlt hatte, doch sie amortisierte sich schnell, denn Wien stand Kopf, sobald er die Bühne betrat. Insgesamt war Kainz hier in 28 Rollen zu sehen, u. a. als Franz Moor, als Cyrano und als Torquato Tasso. Seine Kollegin Hedwig Bleibtreu musste »jedes Mal nach der Vorstellung den weiten Weg nach Döbling zu Fuß gehen. Es war einfach unmöglich, in der Straßenbahn zu sitzen, so aufgeregt hat einen dieser Mann«.
Sein größter Wunsch, Regisseur des Burgtheaters zu werden, blieb unerfüllt. Direktor Schlenther verweigerte den Vertrag, weil er Angst hatte, mit dem Regisseur Kainz den Schauspieler Kainz und damit sein größtes Zugpferd zu verlieren. Als Schlenthers Nachfolger, Alfred Freiherr von Berger, dem schwerkranken Mimen das Ernennungsdekret zum Regisseur überreichte, wusste dieser, dass er nicht mehr lange leben würde.
Kainz konnte tatsächlich keine einzige Regie übernehmen. Er starb, 52 Jahre alt, am 20. September 1910 im Sanatorium Loew in der Mariannengasse.