Читать книгу Adressen mit Geschichte - Georg Markus - Страница 9

MIT DEM FIAKER INS GEFÄNGNIS Franz Ritter
von Jauner
Wien 6., Linke Wienzeile 6

Оглавление

Dieser Mann schien das Glück gepachtet zu haben. Franz Jauner war ein beliebter Schauspieler und einer der erfolgreichsten Theaterdirektoren Wiens. Nichts schien den rasanten Aufstieg des Charmeurs, der in der Ringstraßenzeit im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stand, stoppen zu können. Bis zu jenem Tag, an dem das Schicksal eine furchtbare Wendung brachte.

Der elegante, gut aussehende Sohn eines k. k. Hofgraveurs war am Burg- und am Kärntnertortheater aufgetreten und darüber hinaus ein so kluger Kopf, dass man ihm nach und nach die Direktionen des Carltheaters und der Hofoper übertrug. Da er all seine Aufgaben bravourös meisterte, wurde er vom Kaiser in den erblichen Adelsstand gehoben und 1880 zum Direktor des neuen Ringtheaters ernannt. Jauner war am Zenit seiner Laufbahn angelangt.

Doch ein Jahr später kam es hier zur größten Katastrophe der Theatergeschichte. Das Ringtheater geriet während einer Vorstellung in Brand, 384 Menschen verloren ihr Leben.

Franz Ritter von Jauner wurde wegen schwerer organisatorischer Mängel vom Gericht zur Verantwortung gezogen. Seine Mitarbeiter hatten nach Ausbruch des Feuers weder den Eisernen Vorhang heruntergelassen noch den Brandmelder betätigt, durch den die Feuerwehr verständigt worden wäre. So verstrichen wertvolle Minuten, ehe Hilfe kam. Jauner wurde zu einer viermonatigen Arreststrafe und zur Aberkennung seines Adelstitels verurteilt. Der Kaiser wies die zahlreichen Gesuche mit der Bitte um Gnade für Jauner zurück, weil »die Größe und Schrecklichkeit der Katastrophe wie der Leichtsinn Jauners eine Sühne verlangen, welche die allgemeine Meinung und auch mein Gefühl in einer Geldstrafe nicht finden«.

Jauner, der ein Jahr vor der Katastrophe das Theater an der Wien erworben hatte, wohnte zum Zeitpunkt des Unglücks mit seiner Familie im letzten Stock des Theatergebäudes auf der Linken Wienzeile, von wo aus er sich jetzt im Fiaker ins Landesgericht führen ließ, um seine Strafe anzutreten.

Die Wiener munkelten, dass er dort wie der Herr von Eisenstein im »Häf’n« der Fledermaus empfangen worden sei, da ihn das Personal, vom Direktor bis zum Gefängniswärter, anhimmelte. Auch nach Verbüßung der Haft schien Jauner wieder Fuß zu fassen. Zwar war ihm mit seiner Verurteilung die Bühnenkonzession entzogen worden, weshalb er das Theater an der Wien jetzt an Alexandrine von Schönerer verkaufte. Doch hinter den Kulissen blieb er der Operettenbühne erhalten, der er zu einem nie da gewesenen Höhenflug verhalf, als er 1885 den Zigeunerbaron in seiner Inszenierung uraufführte. Mit Girardi als Zsupan wurde die Strauß-Operette einer der größten Erfolge, die Wien je erlebt hatte.

1894 verließ er das Theater an der Wien, um – mittlerweile rehabilitiert – zum zweiten Mal in seinem Leben die Direktion des Carltheaters zu übernehmen, in dem er jetzt auch eine Wohnung bezog. Doch seine große Zeit war vorbei. Die Gastspiele der Eleonore Duse und Sarah Bernhardts erregten Aufsehen, konnten aber den wirtschaftlichen Abstieg der Bühne nicht aufhalten. Jauner setzte sein eigenes Vermögen ein, um das Theater zu retten, schlitterte jedoch in den Konkurs.

Am Vormittag des 23. Februar 1900 machte der Buchhalter dem Direktor die Mitteilung, dass für die Auszahlung der Wochenlöhne kein Geld mehr vorhanden wäre. Als der Mitarbeiter Jauners Büro verließ, griff der 67-jährige Theaterdirektor zu jenem Revolver, mit dem sich 16 Jahre davor sein Bruder Lukas erschossen hatte, und jagte sich eine Kugel in den Kopf. Franz Jauners Frau, die Hofopernsängerin Emilie Krall, folgte ihm vier Monate später, ebenfalls durch Selbstmord.

Adressen mit Geschichte

Подняться наверх