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»NICHT IMMER NUR DER WURSTEL SEIN« In Gunther Philipps Garderobe

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In meinem Archiv habe ich eine frühe Reportage gefunden, an die ich mich insofern gerne erinnere, als sie mir in der Redaktion – unverdienterweise – Ansehen und Renommee verschaffte. Den Hintergrund dazu verstehe ich bis heute nicht ganz. Maxi Böhm, der treue Freund, sollte damals in den Wiener Kammerspielen die Rolle von Gunther Philipp in der Komödie »Ein Mädchen in der Suppe« übernehmen, weil dieser anderweitigen Verpflichtungen nachkommen musste. Maxi lud mich ein, ihn in eine der letzten Vorstellungen mit der Erstbesetzung zu begleiten, und danach gingen wir hinter die Bühne, um Gunther Philipp zu besuchen.

Maxi stellte mich seinem Kollegen mit den Worten »Das ist der Georg Markus vom ›Kurier‹« vor.

Darauf Gunther Philipp: »Also gut, wenn Sie unbedingt wollen, gebe ich Ihnen ein Interview.«

Ich war perplex, zumal ich kein Wort von einem Interview gesagt hatte, geschweige denn, dass ich »unbedingt« eines wollte.

Dennoch meldete ich mich am nächsten Morgen bei Kurt Kahl, damals Chef der Farbbeilage am Samstag, und erklärte ihm, dass ich ein Interview mit Gunther Philipp bekommen könnte.

Kahl sah von seinem Schreibtisch auf und machte den Eindruck, als könnte er meinen Worten keinen Glauben schenken. »Gunther Philipp gibt Ihnen ein Interview?«

»Ja, so hat er’s gesagt.«

»Das ist ja unglaublich. Meine Leute versuchen das seit Wochen, seit er in den Kammerspielen gastiert, aber er hat es jedes Mal abgelehnt.«

Ich traf den berühmten Komiker zu dem vereinbarten Interview und schrieb den Artikel, der unter dem Titel »Nicht immer nur der Wurstel sein« erschien.

Von diesem Tag an hatte ich in der Redaktion einen wesentlich besseren Stand, galt ich doch plötzlich als derjenige, der mit der Prominenz auf Tuchfühlung stand, denn wer bekommt schon ein Interview mit Gunther Philipp?

Lange war mir das Ganze, wie gesagt, unklar geblieben, ich hatte den Komiker weder gekannt, noch ihn zu überreden versucht – er selbst war es, der sich angeboten hatte. Viele Jahre später, als ich für den ORF das Drehbuch für ein Hans-Moser-Fernsehporträt schrieb, das Gunther Philipp moderieren sollte, ging ich auf ihn zu und fragte ihn, warum um Himmels willen er damals ausgerechnet mir ein Interview gegeben hätte. Er sagte: »Ich glaub, weil Sie mir sympathisch waren.«

Damit sprach er etwas aus, das für mein ganzes schreiberisches Leben galt und gilt: Wenn »die Chemie stimmt«, wird Unmögliches möglich. Viele der Großen einer mittlerweile dahingegangenen Generation gaben mir Auskunft, haben sich mir anvertraut – egal ob für einen Zeitungsartikel oder ein Buch –, weil es mir immer wichtig war, sie korrekt zu zitieren und, um Missverständnisse zu vermeiden, sie ihre Zitate vor Drucklegung lesen zu lassen. So habe ich mir über Jahrzehnte eine Vertrauensbasis geschaffen, auf die ich mich immer wieder berufen konnte. Zu den wertvollen Informanten zählten und zählen nicht nur Künstler, sondern auch zahllose »kleine Leute« – Zeitzeugen, die »dabei« waren, sowie vor allem auch Historiker und Archivare, die mich davon unterrichteten, wenn ihnen ein wertvoller Fund gelungen war. Und das ist für mich das Faszinierende an der Geschichte, dass sie nicht »tot« ist, sondern immer wieder durch auftauchende Erkenntnisse lebendig bleibt und neu geschrieben werden kann. So war es mir oft möglich, einen als »abgeschlossen« geltenden historischen Fall aufzurollen, weil bis dahin unbekannte Dokumente, Unterlagen oder Zeugenaussagen aufgetaucht sind.

Aufgrund der Gunther-Philipp-Geschichte schrieb ich viele weitere Artikel für die Farbbeilage des »Kurier«, unter anderem über das Schauspieler-Ehepaar Vilma Degischer–Hermann Thimig und über Publikumsliebling Alfred Böhm, der mir erklärte, warum er sich ein Jahr lang vom Theater in der Josefstadt beurlauben ließ: Direkt vor seinem Wohnhaus in einem Gemeindebau schräg gegenüber des Theresianums wurde damals Tag und Nacht an Wiens U-Bahn gebaut. Der Lärm war so enervierend, dass »Fredi« Böhm nicht mehr schlafen konnte, also übersiedelten er und seine Frau Traudl in ihr Landhaus in Wieselburg. Von hier regelmäßig zu den Vorstellungen zu fahren, wäre aber unmöglich, erklärte Böhm – also ließ er sich am Theater beurlauben. Die U-Bahn war schuld daran.

Apropos Gestern

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