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»SCHARF AN DER GRENZE DER PIRATERIE« Ephraim Kishon in Wien
ОглавлениеIn einem Interview, das ich im März 1972 mit dem damals 48-jährigen Ephraim Kishon führte, outete sich der berühmte israelische Satiriker als Österreich-Fan. »Und das ist kein Zufall«, sagte er, »weil dieses Land ein einziger Anachronismus ist. Seit Kaiser Franz Joseph hat sich hier nicht viel geändert. Österreich könnte eine Satire von Ephraim Kishon sein.«
Da seine Bücher damals bereits in 22 Sprachen erschienen und die Auflage allein in den deutschsprachigen Ländern bei sieben Millionen lag, war die Frage naheliegend, wie er sein Geld anlegte.
»Ich lege mein Vermögen«, sagte er, »in der israelischen Einkommenssteuer an. Das ist bei mir zu Hause die sicherste Investition. Ich gehöre in meinem Finanzamt zur Abteilung Schwerindustrie und musste bis vor Kurzem neunzig Prozent meines Einkommens abliefern. Inzwischen sind es 110 Prozent geworden.«
»Würden Sie lieber in Liechtenstein leben und keine Steuern zahlen?«, lautete meine nächste Frage.
Darauf er: »Ich würde lieber in Israel leben und keine Steuer zahlen. Außerdem ist es ein Irrtum zu glauben, dass man in Liechtenstein keine Steuern zahlt. Ich hatte vor Kurzem eine Lesung in Vaduz, da haben mir Zuhörer erzählt, dass sich das Fürstliche Finanzamt scharf an der Grenze der Piraterie befinde, weil man dort bis zu vierzehn Prozent zahlen muss. Vierzehn Prozent! Da habe ich mich mit meinen 110 Prozent halb totgelacht.«
»Was lieben Sie an Ihrem Beruf am meisten und was am wenigsten?«
»Sie werden lachen«, antwortete er, »das Miserabelste an meinem Beruf ist das Schreiben. Das Schönste, das fertige Produkt in Händen zu halten.«
Ich fragte ihn dann noch, weshalb seiner Meinung nach die Auflagen seiner Bücher in Österreich besonders groß seien.
»Weil die Satire hier geboren wurde«, sagte er. »Sie ist in Österreich so populär, weil auch der Stierkampf in Spanien populär ist.«
»Die Mantelhexen von Wien« angekündigt: mit Ephraim Kishon, 1972
Zuletzt verriet mir Kishon noch, warum er eigentlich nach Wien gekommen war. »Ich bin auf Satirensuche hier«, erklärte er und fügte an, dass er bereits fündig geworden sei: »Ich kann in Österreich in kein öffentliches Lokal gehen, ohne dass eine alte Frau kommt, die mir meinen Mantel abnimmt und ihn in die Garderobe trägt. Auch wenn mir kalt ist. Das ist mir hier schon oft in Kaffeehäusern passiert. Meinen Freund und Übersetzer Friedrich Torberg habe ich sogar schon mit einer solchen Frau kämpfen gesehen. Sie hat letztlich den Kampf gewonnen und das Kleidungsstück stolz in die Garderobe getragen.« Tatsächlich erschien in Kishons nächstem Buch, »Salomons Urteil, zweite Instanz«, die Satire »Die Mantelhexen von Wien«. Damals konnte ich nicht ahnen, dass ich den großen Satiriker Jahre später als Verlagskollegen bei Langen Müller näher kennenlernen sollte.