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EIN NEUES LEBEN BEGINNT Maxi Böhm und seine Kinder

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Kaum hatte Francis, der »reiche Onkel aus Amerika«, Wien verlassen, kehrte in unserer Familie wieder der graue Alltag ein. Meine Noten am Gymnasium waren alles andere als berauschend, allerdings hatte ich später eine Deutschprofessorin, die mich alle meine Aufsätze vor versammelter Klasse vorlesen ließ. Sie schenkte mir Selbstvertrauen und formulierte vage, dass ich das Schreiben einmal zu meinem Beruf machen könnte. Ich selbst hatte keine Ahnung, in welcher Form das überhaupt möglich wäre.

Die Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen des Jahres 1968 gingen spurlos an mir vorüber, ich war siebzehn und an Politik noch nicht wirklich interessiert, auch wenn ich die dramatischen Ereignisse um den »Prager Frühling« verfolgte und mir die Ermordung Martin Luther Kings – wie davor schon die John F. Kennedys – natürlich naheging. 1968 war für mich vielmehr ein Jahr, das neuen Glanz in mein sonst tristes Leben brachte. Diesmal kam nicht Onkel Francis nach Wien, sondern ich lernte durch einen gemeinsamen Freund eine – für meine bürgerlichen Verhältnisse – außergewöhnliche Familie kennen, bestehend aus Maxi Böhm, dem Star am Kabarett Simpl, seiner Frau Huberta und ihren drei Kindern.

Es dauerte nicht lange, bis ich deren engerem Freundeskreis angehörte – nicht nur zu dem der Geschwister Max jun., Michael und Christine, sondern auch zu dem ihres Vaters, dem beliebten Quizmaster, Schauspieler und Komiker.

Ich weiß bis heute nicht, warum, aber die Familie schloss mich in ihr Herz, lud mich immer wieder ein und nahm mich zu allen möglichen Unternehmungen mit. Die Böhm-Kinder gaben Partys in ihrer eleganten Wohnung am Brahmsplatz, ebenfalls im vierten Bezirk und damit nicht weit von meinem Elternhaus entfernt. Die Sommerferien verbrachte ich mit Böhms in der Schratt-Villa in Bad Ischl, die einst in Maxi Böhms Besitz gewesen war. Die Böhm-Kinder standen mit der neuen Eigentümerin Martha Plech in so gutem Einvernehmen, dass sie dort weiterhin willkommen waren. Und ich mit ihnen.

Am Wochenende fuhren wir auf den Semmering, wo Familie Böhm eine Frühstückspension besaß. Viel später erkannte ich, dass der Schauspieler wohl unter Existenzängsten gelitten hat und sich deshalb zuerst mit der Schratt-Villa und dann mit der Park-Villa am Semmering ein zweites Standbein schaffen wollte. Diese Existenzängste waren insofern schwer verständlich, als er ein viel beschäftigter und sehr populärer Komödiant war, doch sollte ich bald erfahren, dass auch andere Künstler von ähnlichen Ängsten befallen wurden – allen voran Hans Moser, aber auch Paula Wessely, die in Bad Gastein eine Zuckerbäckerei betrieb (und mit ihr pleiteging).

Die Böhms nahmen mich so herzlich auf, als wäre ich ein Mitglied ihrer Familie. Und so lernte ich eine ganz neue Form des Lebens kennen, der graue Alltag wurde von herzlichem Lachen und viel Freude abgelöst, Maxi Böhm schleuste mich zu Vorstellungen in den Simpl ein, in dem ich erstmals Karl Farkas aus nächster Nähe beobachten durfte. Ein Bewunderer seines herausragenden Humors, seiner Conférencen, Doppelconférencen und seiner genialen Wortspiele war ich längst schon durch seine regelmäßig ausgestrahlte Fernsehsendung »Bilanz der Saison« gewesen.

Wie so oft begeistert von einer Vorstellung, fragte ich Maxi Böhm eines Abends, ob ich nicht im Simpl mitarbeiten könnte, ganz egal, in welcher Form. Er würde Farkas fragen, sagte er und rief mich schon am nächsten Tag an: »Du kannst kommen, Farkas will mit dir reden.«

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