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AN DER HAND MEINER MUTTER Der erste Fernsehauftritt

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Zu den regelmäßigen Freizeitbetätigungen in meiner Kindheit gehörte es, mit meinen Eltern – ob ich wollte oder nicht – Sonntagsausflüge zu unternehmen. Ein bevorzugter Ort für derartige Wanderungen in die Umgebung Wiens war der Cobenzl, von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Metropole hat. Nach einem Mittagessen oder einer Jause in dem rundum verglasten Café-Restaurant gingen wir wieder zurück nach Grinzing, wo unser Auto parkte.

Der Retourweg führte uns durch idyllische Weinberge und die infolge ihrer Bewohner mich damals schon faszinierende Himmelstraße. Kaum hatten wir das eher bescheidene Sommerhaus von Robert Stolz und die ehemalige Residenz der österreichischen Bundespräsidenten passiert, blieben wir kurz an der eleganten Villa in der Himmelstraße 24 stehen, über die mir mein Vater erzählte, dass hier die berühmtesten Schauspieler Österreichs wohnten: Paula Wessely und Attila Hörbiger. Ich war beeindruckt, kannte die beiden, wenn auch nur peripher, aus Filmen und von frühen Burgtheater-Besuchen. Aber Namen wie diese schienen mir unendlich fern, ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass das »echte Menschen« waren; Stars lebten in meinen Augen in einer anderen Welt. Am allerwenigsten konnte ich mir ausmalen, solchen Leuten jemals persönlich zu begegnen, geschweige denn, sie aus nächster Nähe kennenzulernen.

Mein Lebensweg brachte es mit sich, dass sich eines Tages die schweren dunkelgrünen Flügeltüren der Hörbiger-Villa öffneten und ich als Gast des berühmten Paares und seiner Töchter willkommen geheißen wurde. So sollte es mir oft im Leben gehen, ich hatte das Glück, Menschen zu begegnen, die man im normalen Alltag nicht trifft: vom Sohn des letzten Kaisers über einen legendären Regierungschef bis zu weiteren großen Schauspielern und Künstlern aller Art.

Oft schrieb ich in Büchern und Zeitungsartikeln über sie oder drehte Fernsehdokumentationen, mitunter wurden sie zu Freunden. In vielen dieser Fälle gibt es eine Geschichte, die hinter die Kulissen führt. Wie lernte ich diese Leute kennen, waren die Großen freundlich oder arrogant, schwierig oder unkompliziert, hat man miteinander gelacht oder gab es Ärgernisse, kam es zu weiteren Treffen, über die ich nicht schrieb, auch weil man mich bei heiklen Themen um Diskretion gebeten hatte?

Ja, das alles gab und gibt es und noch viel mehr.

Meine erste Erfahrung mit dem Österreichischen Fernsehen hatte ich schon sehr früh gemacht. Noch als Volksschüler, als man mich ins TV-Studio zur »Kleinen Zeichenkunde« lud. Vom damals noch blutjungen Medium Fernsehen wurden die zeichnerisch talentiertesten Kinder Wiens zusammengetrommelt und in die Sendung geladen. Ich wurde von meiner Schule nominiert, da ich als großes Zeichentalent galt – ein Talent, von dem, so es je existiert haben sollte, absolut nichts geblieben ist.

Doch am 22. Oktober 1958 ging ich an der Hand meiner Mutter in Österreichs erstes, noch sehr primitives Behelfsstudio, das in einem ehemaligen Schulgebäude in der Singrienergasse in Wien-Meidling lag, kritzelte auf eine schwarze Tafel ein Haus mit Garten, erklärte mein Œuvre auf Anfrage des Moderators und erhielt für diesen Auftritt das für ein siebenjähriges Kind in dieser Zeit sagenhafte Honorar von fünfzig Schilling.


Meine erste Fernsehgage: 50 Schilling für die »Kleine Zeichenkunde«

Die Pointe dieser Geschichte erfuhr ich Jahrzehnte später. Als nämlich Manfred Deix in einem Interview erklärte, dass er sich in seiner Kindheit sehr darum bemüht hätte, in die »Kleine Zeichenkunde« eingeladen zu werden, ihm dies aber mangels Talent verwehrt blieb. Ich, der völlig unbedarfte Zeichner, wurde genommen, und er, der späterhin geniale Karikaturist, nicht. Die kleine Geschichte sollte manch jungem Genie Hoffnung machen.

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