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»DES IS DOCH KA BERUF FÜR MICH« Das abrupte Ende einer Karriere

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Schön langsam begann ich zu erkennen, worauf es im Journalistenberuf ankommt. Längst mussten meine Artikel nicht mehr umgeschrieben werden und ich bemerkte, dass die Lokalredaktion – heute nobler »Chronikressort« genannt – die beste Schule für junge Journalisten ist. In der »Kultur«, in der »Innenpolitik« oder in der »Wirtschaft« bekommt man von Theater-, Regierungs- oder sonstigen Pressestellen wichtige Grundinformationen, aber wenn man für die »Chronik« zu einem wie dem oben erwähnten Bankraub fährt, musste man bei Null anfangen, alles über Opfer, Zeugen und Täter in Erfahrung bringen, und da gab es damals jedenfalls niemanden, der einem bei der Recherche behilflich war – auch die Polizei hatte am Tatort anderes zu tun, als Reporter mit Informationen zu versorgen.

Einer meiner aufregendsten Einsätze war in dieser Zeit der Gefängnisausbruch dreier Häftlinge aus der Strafanstalt Stein, die ab 4. November 1971 mehrere Tage lang mit Geiseln durch Wien fuhren und dann vom Polizeipräsidenten Josef Holaubek mit den legendär gewordenen Worten »I bin’s, der Präsident« zur unblutigen Aufgabe überredet werden konnten.

Der Beruf des Journalisten ist ein schöner, ein interessanter Beruf, auch wenn es durchaus vorkommen kann, dass man zwölf, vierzehn Stunden im Einsatz ist, wenn man einer oder vielleicht sogar gleich mehreren Storys hinterherläuft. Wie oft ist es vorgekommen, dass ich private Termine absagen musste, weil ich unvorhergesehenerweise in die Redaktion eilen musste. Und auch die eine oder andere Beziehung – und eine Ehe – sind draufgegangen, weil der Beruf nicht gerade familienfreundlich ist.

Ich sah viele Reporterkollegen kommen und gehen, aber in keinem anderen Fall war der Abgang so dramatisch wie in diesem: Es wurde wieder einmal eine Bank überfallen, wie das in den 1970er-Jahren geradezu »Mode« war. Ein Jungjournalist, erst seit wenigen Tagen als solcher tätig, wurde samt Fotograf per Redaktionswagen zu dem in einem Außenbezirk gelegenen Tatort geschickt, um dort den überfallenen Kassier, die amtshandelnden Polizisten und mögliche Zeugen zu befragen. In solchen Fällen zählt jede Minute, ist es doch vorrangig, den Bericht noch vor Andruck der Abendausgabe ins Blatt zu rücken. Alle warteten an diesem Nachmittag gespannt auf die erhoffte Sensationsstory des Nachwuchsreporters.

Doch plötzlich, nach kaum einer Viertelstunde, kehrte der Fotograf mutterseelenallein und ohne jegliche Ausbeute in die Redaktion zurück, um dem fassungslosen Lokalchef mitzuteilen: »Wir sind in der Lindengasse losgefahren, aber am Gürtel hat der Kollege dann plötzlich die Autotür aufgemacht und mir zugerufen: ›Sagen S’ denen in der Redaktion, des is doch ka Beruf für mich.‹«

Er stieg aus und ward nie wieder gesehen. Das Ende einer Karriere – mitten im Einsatz.

Für mich war’s schon der richtige Beruf, das spürte ich von Anfang an, ich liebte die Redaktionsatmosphäre und die Recherchen, was immer der Anlass für die Story war. Und ich schrieb gerne – auch fürs Lokalressort.

Apropos Gestern

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