Читать книгу Allgemeinbildung in der Akademischen Welt - Gerd Breitenbürger - Страница 15
1.2.4 Tomasellos „Koevolution“ und die Ameise
Оглавление"Kooperatives Gruppendenken ist entstanden aus Koevolution von Genen und Kultur". Tomasello spricht auch von "Kulturen anderer Tierarten". Es gibt demnach eine Kultur der Ameise, eine Kultur der Termiten. Es geht aber nicht an zu sagen, dass beide, Gene und Kultur, kooperatives Gruppendenken hervorgebracht hätten. Es gibt ein genetisches a priori für Kooperation und Aggression in der Entwicklung des Menschen, das vor seiner Kultur liegt, lange vor seiner Kultur. Schon die Ameise verfügt über sie. Entstanden müssen sie tatsächlich aus Gründen sein, die außerhalb des Erbguts liegen, um dann sukzessive in die Gene eingeschrieben worden zu sein. Erst ist immer die Population erfolgreich, dann folgt das DNS-Notat. Und wenn man für die Aggressivität in Anspruch nehmen möchte, sie sei eine erlernte Eigenschaft, dann wird man nicht ausschließen können, dass es für sie zumindest eine genetisch aufgeschriebene Dispostion gegeben haben muss, etwa zur Sanftheit. In der Gruppe wurden Vor- und Nachteile von Gruppenverhalten durchgespielt, Ordnungen beim Wandern in feindlichem Gebiet wie Vorhut, Flankenschutz in der Marschordnung, Nachhut. Was sich bewährte, wurde im Erbgut notiert, und als Gruppen- und Individualverhalten aufbewahrt, nicht umgekehrt. Nicht die erste Hütte, die gebaut wurde, gibt "Kultur" den entscheidenden Inhalt, sondern dass darin Menschen sitzen, die alternative Pläne für ihre Beutezüge erwägen und als genetische Population erfolgreich sind. Bewertete und bewährte "Vorteile" haben sich immer schon in die Gene eingeschrieben. Da war nicht nur Notwendigkeit am Werk, sondern die Palette der Handlungsmöglichkeiten erweiterte sich schlagartig. Die Umwelt stellte Fragen an die in der Hütte, die sich fragen ließen. Sie entwickelten Antworten, die es erlaubten, Pläne zu haben und Pläne zu optimieren. Der Mensch lernte, mit Unsicherheit bewusst umzugehen, Gedächtnis und Lernprozesse zu entwickeln. Man könnte annehmen, dass hier der Übergang von einer Umwelt zu einer Welt des Menschen stattgefunden hat. Bei Tomasello kann man sehen, wie misslich es ist, in den Naturwissenschaften Begriffe zu benutzen, denen eine geisteswissenschaftliche Bedeutung anhaftet. „Welt“ und „Kultur“ haben in der philosophischen Anthropologie einen teleologischen Unterton insoweit, als sie vom handelnden Menschen geschaffen werden. In der Naturbeschreibung haben sie eindeutig einen deplatzierten Beigeschmack, lassen die nötige Trennungsschärfe vermissen. Tomasello geht sogar so weit, Kultur und Welt des Menschen als passive Anpassung zu definieren, die er als sehr zahlreich ansetzt, aber ohne Freiheitsgrade. Es ist ein „Selbstschaffen“ auf dem Niveau von Bibern und Termiten:
(Die spezifischen Fähigkeiten des Menschen entstanden durch) "Adaptionen, die es den Menschen erlaubten, in einer der vielen unterschiedlichen, von ihnen selbst geschaffenen kulturellen Welten effektiv zu funktionieren.
(Michael Tomasello, Warum wir kooperieren. S. 13).