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1.3.7 Plafond: Beispiele

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Für gewöhnlich wird problemlos auf dem Niveau formuliert, das jedem geläufig ist.

Will ich versuchen, mich gleich verständlich zu machen, so muss ich mit der Frage beginnen, was von der Genesis schlechthin zu halten sei.Welch drei-fach betrübliche Frage!

(Rupert Riedl, Die Strategie der Genesis, S. 15).

Ein umfassendes Weltbild kann nur auf der Grundlage sowohl naturwissenschaftlicher als auch geisteswissenschaftlicher Erkenntnisse gewonnen werden. Dazu bedarf es einerseits einer Untersuchung der geschichtlichen Entwicklung des Universums, unserer Erde und ihrer Lebewesen, vor allem des Menschen und seiner Kultur, aber auch einer philsophischen und speziell erkenntnistheoretischen Prüfung des Zustandekommens, der Konsequenzen und der Begrenztheit dieses Wissens.

(Bernhard Rensch, Das universale Weltbild, S. XV)

Oder es wird gezirkelt und geschraubt, damit der Stil mehr Inhalt hergibt. Dann, ohne sanften Übergang, kommt schon mal die Plafondgrenze: Eine höhere Abstraktionsstufe soll her, ein kaum noch fassbarer Gedanke soll konzipiert werden – und der Autor scheint verloren zu sein. Der Leser natürlich auch.

Ein Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt spricht über die Probleme auf dem Bausektor.

Er hat Städtebau studiert. Um elementare Fundierungen seiner Argumentation zu leisten, muss er in das individualpsychologische Terrain gehen, schwer genug. Er bezieht sich auf die Bedürfnispyramide von Maslow und meint, ein Häusle zu besitzen, ohne Ironie, sei elementar und oben an der Spitze ist die Selbstbestimmung. Man kann das sicher machen, aber diese bürgerliche Variante hat mit Maslow nichts zu tun. Der formuliert den elementaren Bereich so, dass noch der Clochard, der an der Seine ein windgeschütztes Eckchen hat, nicht durch den Rost fällt, sondern Bedürfnisse von der einfachen Art in Anschlag bringen darf und sie befriedigen kann. Da fängt das Konzept an, nicht beim Häuschen mit Vorgarten und Garage.

Maslow ist die psychologischeWissenschaft, der Städtebauer mit gutbürgerlicher Ideologie, lässt sich von ihm psycholgisch beraten von eben diesem selben analytischen Konzept. Er müsste es umsetzen und tut es nicht. Es war nicht unwichtig, zu begründen, wieso die Ideologisierung eines Bedürfnisanspruchs unschädlich für eine Stadtplanung sein soll, deren oberste Ziele, neben zu erhaltendem Vertrauen der Bewohner, das Gemeinwohl ist. Etwa nach dem nicht unbilligen Motto: Angenehmes Wohnen für alle. Wenn alles legitim ist, ist es noch lange nicht die verwegene Verwendung von Psychologie, einer anderen Wissenschaft, die gerade nicht Partei ergreift. Der Witz ist meist dabei, dass diese mutigen Anleihen beim Nachbarn ein Missverständnis sind und auch nicht bemerkt werden. Aber sie liefern Argumentationskraft!

Der Hörer schwimmt und nimmt an, der Autor behält da etwas für sich, was er noch überdenken möchte oder er, der Leser sei doch schlicht zu dumm für diese Überlegungen. Häufig zeigt sich mit einem Durchbrechen des Plafonds, dass die Sprache kurios wird, ungewohnte Vokabeln auftauchen, deren Sinn kaum vorbereitend und ausreichend erklärt wird. Es wird munter substantiviert, "das Zerrissene in seinem Blick ohne Hoffnung auf das Erleben eines Zwischen" (kein Zitat).

Wer sich aus seinem fremden Fachgebiet methodischen Beistand holt, kann das beglückende Erlebnis erfahren, aus der Enge seiner anfänglichen Problemstellung in die Weite des Geistes zu gelangen. Es tun sich neue Türen auf, ein tiefer Sinnhorizont belohnt den Mehraufwand an Beschäftigung mit dem Thema. Bei den Philologen hat man das sehr früh gesehen, der Romanist Leo Spitzer hat in den 30 er Jahren erste Versuche vorgelegt, mit Hilfe der Psychoanalyse Texte bis zu Werbesprüchen zu interpretieren. Für die Theologen im Mittelalter war es nicht nur reizvoll, das reiche Angebot der Philosophie aufzuarbeiten, sie benutzten deren Realitätsbezug, um der transzendenten Abgehobenheit ihres Glaubens Festigkeit zu geben. Mit Hilfe der Rhetorik entwickelten sie Methoden wie die des vierfachen Schriftsinns, um die Schätze der Bibel zu heben und nichts zu verpassen. Zum Programm machte der französische Surrealismus die Entdeckung des Unterbewussten, um an eine andere Realität, an die eigentliche Realität des Menschen zu gelangen, die in Literatur und Malerei sich darstellen ließ. In der Neuzeit hat die Naturwissenschaft für sich entdeckt, wie physikalisches und chemisches Wissen eingesetzt werden kann, um schwierigste biologische Fragen zu lösen.

Man muss sich mit der Interdisziplinarität auseinandersetzen, um zu sehen, ob es notwendig ist, sie im eigenen Fach zu berücksichtigen. Muss ich Kenntnisse in der Volkswirtschaftlehre erwerben, um den 2. Teil des Goetheschen Faust angemessen zu verstehen, darf ich psychologische und philosophische Grundkenntnisse ignorieren, wenn ich Don Quijote lese. Inwieweit müssen diese Kenntnisse fachlich stringent ausformuliert sein, was handfeste Studien voraussetzt, und inwieweit kann ich abschätzen, dass das Allgemeinwissen reicht, um zu sehen, dass Don Quijote mit der Vergeblichkeit des Idealisten in einer widerständigen Welt überleben will und scheitern muss.

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