Читать книгу Allgemeinbildung in der Akademischen Welt - Gerd Breitenbürger - Страница 33
1.3.17 Grenzen des Plafonds erkennen
ОглавлениеDas Argumentieren mit Hilfe von Plafonds ist ein heuristisches Verfahren. Auch Gruppen und Kommissionen lassen sich so interpretieren. Wenn eine Reaktorsicherheitskommission ihre Arbeit erledigt hat, bleibt sie unter Umständen unter ihrem Intelligenz- und Kompetenzplafond, wie 2011 in Deutschland geschehen, und erledigt zuverlässig ihre Aufgabe unter einem ihr möglichen Niveau. Nicht vor Ort hat sie nämlich durch Inspektion geprüft, sondern nach Durchsicht der Unterlagen hat man Ergebnisse gewonnen, die nicht falsch waren, aber auch nicht ausreichend. Das teilt sie mit und das hat sie in diesem Rahmen zur Zufriedenheit gemacht. Aus Zeitgründen musste sie sich auf das Theoretische beschränken. Der Kompetenzplafond war also sicher höher, man wäre in der Lage gewesen, Schwierigeres und Sinnvolleres zu leisten, indem man in die Atommeiler hineingeht. Die Differenz eignet sich dazu, im kritischen Fall die Hände in Unschuld zu waschen, nach dem Motto: Wir konnten unsere Kompetenz ja nicht voll entfalten, weil man uns gedrängt hat. Des weiteren hat man weiterhin seinen Kompetenz-Plafond nicht überschritten, indem man die Bewertung einer Ethik-Kommission überließ, an die man das Ergebnis weitergab.
Plafonds und Pools der Wissenschaften sollen objektiv sein, unvoreingenommene Erkenntnis bereithalten. Sie sollten ideologiefernes Argumentieren erlauben, aber durchaus politisches und technisches Denken vorbereiten und strukturieren. Man muss kompetent genug sein, die Grenzen der eigenen Kompetenz zu sehen und zu berücksichtigen. Sie hat dann ein Profil. Aggregation, Konvergenz und Kompromiss gleichen in einer Kommission die Meinungen aus. Es ist ein über die Vernunft der Rationalität erzielter Ausgleich. Aggregation geschieht als eine Form der Addition von außen. Konvergenz tritt häufig als ein unbewusstes Annäherungsritual ein. Meinungen werden ähnlich, weil keiner aus dem Ruder laufen will. Kompromiss und die Liebe zu ihm ist eine Tugend.
Das heuristische Schema bietet sich an, wenn Plafondprofile zueinander in Beziehung gesetzt werden sollen. Technische Daten, die belegen, dass die Ausgaben unserer Volkswirtschaft ständig steigen, die Einnahmen aber im Rhythmus der Konjunkturzyklen schwanken, können dazu dienen, einen Schlüssel zu entwickeln, der es erlaubt, dem auf intelligente Weise gerecht zu werden. Die Einnahmen ergeben eine Sinuskurve, die immer wieder unter der Ausgabengeraden bleibt. Der aufzufindende Grund sei, so sagt der Wissenschaftler, die mangelnde Klugheit, die zu einer wachsenden Schuldenlast führt. Das rettende Zauberwort heißt "Deckung" und keine Schuldentoleranz. Das ergibt einen intelligenten Plafond, der es durch Ableitung erlaubt, die erforderlichen Instrumente zu entwickeln, rechnerisch zu ermitteln und die angemessenen Verhaltensweisen zu erarbeiten. Sie erlauben, sich haushaltstechnisch daran zu orientieren, indem man die ermittelten Werte nicht überschreitet und nicht unterschreitet. Es ist der Durchschnittswert, auf den zwar jeder kommt, aber nicht umzusetzen in der Lage ist. Man ermittelt über die Zeit, über die Sinuskurve der schwankenden Einnahmen im Zyklenverlauf, die durchschnittlichen Einnahmen und die durchschnittlichen Ausgaben, die eher eine Gerade ergeben. Damit gewinnt man eine harte Direktive für das Ausgabenverhalten. Dann müsste es passen. Wenn die durchschnittlichen Ausgaben längere Zeit über der durchschnittlichen Einnahmekurve liegen, wird also der Intelligenzplafond überschritten, das heißt, das Kriterium "Dummheit" wird erfüllt. Das führt in den unerwünschten Bereich, der als Minus-Intelligenz öffentlich und liebevoll diffamiert wird. Kurvenverläufe und objektive Plafonds werden so in Fragen der Klugheit und Dummheit abgehandelt und lassen zu, Politik direkt nach dem I. Q. ihrer Akteure zu bewerten, in einer respektlosen Sprache und ohne Schnörkel.
Professionell gemogelt wird in der Politik. Mit einem Mal, wenn internationale Finanz- und Bankenprobleme die europäischen Staaten heimsuchen, weiß plötzlich jeder Spezialist für Hühnerfutter und erklärter antikapitalistischer Sozialutopist Bescheid, wie die Dinge zusammenhängen und wie sie zu lösen sind, nur nicht die Regierung mit ihrem Stab abgebrühter Fachleute. Wenn der Amateur schamhaft ist, redet er auch mit, aber etwas allgemeiner ("der Rettungsschirm darf keine Löcher haben."). Das gesprochene Wort erlaubt einen Plafondzauber, der leichter zu täuschen vermag. Gleichwohl macht er böse und man rächt sich mit dem Ausdruck "Silberzunge" und "Quatschbude".
Die Kenntnis eines Wissenspools ist für den wichtig, der in seiner wissenschaftlichen Arbeit kritisch bewerten muss, was er in der Forschung vorfindet. Diese Kenntnisse setzen ihn in die Lage, Kriterien zu entwickeln, um Qualitäten relativ und absolut zu würdigen. Sie sorgen für ein geschärftes Urteil, um selbst weniger Fehler zu machen. Die hier im Zusammenhang mit dem Wissenspool angeführten Beispiele dienen lediglich dazu, diesen kritischen Teil der Arbeit zu illustrieren. In den Medien gibt es spontan die Reaktionen auf kritische Kritiker, die ihm Bosheit und mangelnde Informiertheit unterstellen. Außerhalb der Wissenschaften, in der Welt der Meinungen, ist es in der Tat leichter, der Versuchung nachzugeben, in versteckter Weise persönlich zu werden. Aber auch in wissenschaftlichem Kontext ist es möglich, sich lustig zu machen, indem man ein Zitat als Fremdzitat einfach stehen lässt. Zwischen den Dialogpartnern soll ein "Zwischen" bestehen, jeder verfügt mit der Sprache über eine Lizenz zu töten, und sei es den Verstand. Als Antwort auf die alte und immer brennende Frage, was zwischen Dialogpartnern eigentlich geschieht, ist Luft entschieden zu wenig. So ein sprachlich-gedanklicher Geistesblitz wie „zwischen“ wird schon mal zu allem Unglück durch gedankenverlorene Rezipienten Teil des Wissensplafonds, eine Dignität, die man ihm aber verweigern kann, indem man ihn als Kuriosum einfach stehen lässt. Ad rem heißt es bei den alten Rhetorikern. Kein Scherz ist angebracht, wenn es um die Sache geht, man sollte doch so humorlos und unerbittlich wie das Finanzamt sein. Wenn es um die Sache geht, wird abgerechnet. Was weiß ich, was müsste ich wissen. Diesen zur Kritikfähigkeit immer aufrufenden Wissenspool kann ich mir intuitiv aneignen oder systematisch. Intuitiv nähere ich mich ihm durch Studien, die mehr dem Geschmack und dem persönlichen Interesse folgen, aber beharrlich das Ziel vor Augen haben. Systematisch geht der vor, der sich thematische Lektürelisten erstellt und sie auswertet.