Читать книгу Allgemeinbildung in der Akademischen Welt - Gerd Breitenbürger - Страница 31
1.3.15 Methoden im Wissenspool werden überprüft
ОглавлениеDie Frage war also, welche Methode darf ich wohin übertragen. Vor allem, macht sie ihren Gegenstand enger oder lässt sie ihn atmen. Kann ich es mir erlauben, meinen methodischen Ansatz zu erweitern, zu modifizieren. Muss ich eine Methodendiskussion vorausschicken, implizit (nur für mich) oder explizit (in den einleitenden Passagen des Textes). Kann ich mein Ziel überhaupt nur auf interdisziplinärem Weg erreichen. Der Plafond-Gedanke auf dem Gebiet der Literatur- und Kunstkritik kann breites Wissen erfordern. Jeder Text will eine eigene Welt sein, da kann man nicht nur ein As in Fragen des ES, Ich und Überich sein. Außerdem muss man sich fragen können, ob der Ertrag von Interesse ist.
"Rogers Eifersuchtswahn ist gespeist aus der letztlich unverdrängbaren, nur durch Schuldabwälzung und Demütigung der Geliebten sadomasochistisch vorübergehend erträglich gemachten Einsicht in die unaufhebbare Insuffizienz der eigenen parasitären Lebensform. À aus dem Aufbegehren gegen die ihm als Vaterautorität entgegentretende Übermacht der kapita-listischen Produktionsverhältnisse und schließlich aus der Internalisierung dieser Verhältnisse.
(Erich Köhler, Urszene – phantasiert und nachgeholt. Zu Ernest Feydeaus Roman "Fanny". In: Sebstian Göppert (Hrsg.), Perspektiven psychoana-lytischer Literaturkritik, S. 63).
Das ist hier klar der Geist, der sich selbst genießt. Eine gelungene Rückhand auf dem Tenniscourt, ein subtiler Schachzug: Das ist Freude pur. So etwas dürfte immer erlaubt sein, aber man darf einen Selbstzentrierten ein wenig stören, um ihn daran zu erinnern, dass eine soziale Funktion auch von ihm – als Lehrer zum Beispiel – erwartet werden darf.
Eine bekannte, mal boshaft übertriebene, mal leider ernst zu nehmende Formel lautet ja: Bombastisch oder doch nur theophrastisch. Nicht alles, was den Anschein von Stimmigkeit hat, zum Beispiel ein Sach- und Fachbuch oder die medizinische Diagnose, genannt Ätiologie, einer Hirnschwellung, entzückt das Herz, das auf Ästhetik hoffen wollte. Auch in der akademischen Welt gibt es Verblüffung an einem nicht vorhergesehenen Ort.
(1) Wer ein der Ästhetik fremdes Wissenschaftsinstrumentarium benutzt, im cross over, hofft auf Bereicherung. Er erhält aber lediglich Antworten, die die meist mageren Kategorien liefern können. Sie sind nicht flexibel, entsprechend starr und schematisch sind die Ergebnisse.
(2) Anderes, was die Kategorien übersehen, wird schon mal leicht von diesen selbst zugedeckt. Mangelnde Offenheit gegenüber einem ästhetischen Objekt amputiert es.
(3) Ein Gewinn für die Rezeption, der diesen gelehrsamen Aufwand rechtfertigen würde, ist beim besten Willen nicht erkennbar. Noch nicht einmal das schillernde Zentralwort der Verführung und der erotischen Anziehung, "frivol", taucht auf.
Dann noch die erkenntnistheoretische Grundfrage: Wieso sind im analysierenden Wissenschaftler die Gesetze und ihr Geltungsanspruch angesiedelt, die ich ihm einfach glauben soll? Woher kennt er sie? Woher weiß er, dass sie hier, falls sie überhaupt richtig sind, anwendbar sind. ("gespeist", "letztlich unverdrängbaren", "unaufhebbare Insuffizienz", "parasitär"). Es ist das sehr missliche Problem, wenn Gesetzesfreude der Naturwissenschaft auf die Geisteswelt trifft, wie Wasser auf Feuer. Nur, der Naturwissenschaftler ist geübt darin, seine Gesetzesannahmen gegebenenfalls durch Beobachtung und Experiment zu prüfen. Auf sie als seine Gewähr verweist er zurück. Es ist naiv, Ästhetik mit schlichten Behauptungen aus eigener Gesetzesfreude plausibel machen zu wollen. Es gibt in der Philologie den allwissenden Autor mit der ihm entsprechenden Erzählhaltung. Das ist aber Fiktion. Der allwissende Interpret mit dem Anspruch, sich auf dem Boden der Wirklichkeit zu befinden, kann nur ein Mensch mit übertriebener Meinung von sich und seinem Können sein. Die schablonenhafte Analyse läuft Gefahr, nur banale Erkenntnis ohne Witz hervorzubringen.
Ein sarkastischer Dichter der Moderne hat einmal von seiner Spucke ins Antlitz der Kunst gesprochen. Hier spuckt die interpretierte Kultur schon zwanghaft zurück und mancher Studierende dürfte geneigt sein, mehr Respekt vor seinen ästhetischen, intellektuellen Ansprüchen einzufordern. Und manch einer hat schon gerufen, lass es doch einfach bleiben. Auch wenn diese Analyse richtig ist, Roger liegt hier nicht auf der Couch, ihm soll nicht therapeutisch geholfen werden und kann auch nicht therapeutisch geholfen werden, was bei einem so gravierenden Krankheitsbild das einzig Angebrachte wäre. Wer kann etwas damit anfangen? Eine psychologische Diagnose, auch eine pathologisierte Literatur, ganz ohne Pointe, cui bono? Wem soll das was? Sie hat den Charme eines Beipackzettels für ein gutes Valiumpräparat und sicher den Nutzen für den, der daran glauben will.