Читать книгу Allgemeinbildung in der Akademischen Welt - Gerd Breitenbürger - Страница 41
2.3.2 "Weil": Zauberwort der Wissenschaften
Оглавление"Warum" ist Kennzeichen der Wissenschaft, wenn sie sich auf den Weg macht, "weil", wenn sie fündig geworden ist.
Ohne "weil" lebten wir – immer noch – in einer Welt der Behauptungen. Jede faire Unterhaltung ist daher davon gekennzeichnet, dass man dafür einsteht, bei Bedarf, für das, was man behauptet. "Die Hüftprothese dieser Fabrikation ist nicht langzeittauglich." Wieso, weshalb? Das Material ist nicht günstig, es gibt statistisch untermauerte Erkenntnisse.
Mit den Behauptungen fing das europäische Geistesleben an, soweit es dokumentiert ist. Die Welt des Glückes scheint die der Behauptungen zu sein. Keine Diskussion! Der Amazonas lässt grüßen, wo man ohne Nebensätze auskommt. Es wird behauptet, es wird geglaubt, es wird nicht widersprochen, weil man dann mit weil-Sätzen operieren müsste. Und niemand weiß warum. Das Kind, das die warum-Frage entdeckt, entdeckt das Nachforschen. Es entdeckt das Wissen und das Besserwissen, nicht das Glück.
Um Gründe geht es auch in der Exegese, der Auslegung von Bibel, Talmud, Koran. Die formelhafte Begründung mit der kausativen Konjunktion "weil" ist das Grundschema für das Denken auch hier, wann immer man es für wichtig hält, zu begründen. Du musst glauben, reicht nicht mehr. "Glaube mir" wird zu einer zärtlichen Bitte. Das "weil" wird auch dann noch automatisch beibehalten, wenn es ins Leere geht, woran man die Kraft dieses Gedankenschemas erkennen kann: Credo quia absurdum, quia ineptum. "Ich glaube, weil es absurd ist, ungereimt ist.", d. h. weil es dafür keinen Grund gibt, rechts von "weil" bleibt die Stelle leer, wenn links zum Beispiel "Dreieinigkeit" steht. Wer mehr verlangt, kann nur den Symptomschmerz feststellen, denn die Begründung ist amputiert. Der Fundamentalismus findet hingegen manche Gründe, um Anlass für Streit und Auseinandersetzung zu geben. Er lässt sich darauf ein, Recht zu haben, wo ihm Glauben genügen sollte. Solange der Glaube nur an sich glaubt, ist ihm nur dieses Ziel wichtig.
Die Entdeckung der WEIL-Argumentation schaffte Begründungszusammenhänge, machte den wissenschaftlichen und akademischen Charakter und Reiz der Religion als System aus, obwohl das Naiv-Einfache zur Erholung dienen könnte vom Denken. Die jesuanische Liebeslehre ist dagegen einfach und einfach zu glauben. Dass sie als rigoristische Verhaltensmaxime nicht einzuhalten ist, steht dann auf einem anderen Blatt. Sie kommt aber ohne ein "weil" aus. Sie beansprucht Selbstevidenz, will nur geglaubt werden.
Die Nichtbegründbarkeit des Glaubens ist konsequent. Sonst würden wir Glauben "Wissen" nennen müssen und der Begriff Glauben fiele dem Bacon'schen Rasiermesser der Positivisten zum Opfer, wie in der sprachanalytischen Philosophie längst geschehen. Sie kritisiert den unkritischen Umgang mit der Sprache als Ursache vieler philosophischer Probleme. Ebenso: Die Gottesbeweise, durch die Jahrhunderte immer wieder aufgestellt, werden heute in der Philosophie als nicht stichhaltig angesehen, weil ihnen die letzte Begründbarkeit fehlt. Interessanterweise gibt es umfangreiche Literatur zu diesem Thema aus der Feder der Naturwissenschaftler, die das Begründen aus dem FF beherrschen und ohne Begründen wirklich nicht leben wollen.