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1.3.9 Die "Beerdigungsfüßchen"

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Als Fachfremder, der den Begriff verwenden will und dem er nicht ganz geheuer ist, hat man meist ein ernstes Problem. Manch einer ist geneigt, es ziemlich keck zu lösen, indem man er es mystifiziert. Das geschieht erkennbar und erstaunlich simpel mit den "Beerdigungsfüßchen", genannt "Gänsefüßchen" oder "diakritische Merkmale". Eine Seele ist eine Seele. Was ist aber eine "Seele"? Was eine Seele ist, ist schwer genug zu sagen, aber es gibt seit 2000 Jahren Definitionen, über die man sich unterhalten kann. Eine "Seele" , eine "als ob Seele" kennt nur der Naturwissenschaftler und nicht mal der. Es ist die Verneinung einer Seele, was sonst. Noch nicht einmal in dem Ausdruck, "sie ist eine Seele von Mensch" würden wir für Seele die diakritischen Merkmale benutzen; denn da ist ein Rest echter Seele erhalten, bei dem Ausdruck von ""Seele" von Mensch" wird der Gebrauch ironisch bis unverschämt. Was für ein Spiel soll "Spiel" schon sein? In der Presse hieß einmal, dem "Rockefeller" drohe lebenslang. Es war ein Hochstapler-Rockefeller, kein echter. Daher die Anführungszeichen. Logisch, psychologisch und kriminologisch war damit klar, er konnte jeden nur möglichen Namen tatsächlich sein eigen nennen, nur einen eben nicht, den der Familie Rockefeller. Diese Anführungszeichen denaturieren so gründlich den Begriff X, den sie schmücken, dass man sehr viel weiß, alles kommt in Frage, nur dieses X selbst eben nicht. Die Nicht-Identität von Seele ist theoretisch das ganze Lexikon außer Seele.

Wissen will sich ausbreiten und sucht geradezu nach Möglichkeiten, interessante Beobachtungen über einen Transfer auf andere Felder zu erweitern. Ob das funktioniert, muss man mit großer Vorsicht prüfen. Es genügt aber bei weitem nicht, die entscheidenden Begriffe einfach zu markieren, einzuklammern, wenn es einem nicht gelingt darzulegen, in welchem neuen Sinne sie denn verstanden werden sollen. Dann würde sich nämlich herausstellen, dass sie gar nicht in diesem Zusammenhang verwendbar sind, sie sind inkonsistent zum bisherigen Inhalt oder einfach nichtsagend, Ausdruck für Nicht-Wissen. Gerade da, wo man unbedingt als Leser wissen will. Man muss vermutlich die ganze Passage, den anvisierten Gedanken ganz anders formulieren. Aber was soll schon eine "Computerseele" sein, außer einer Verlegenheit des Denkens, die ratlos darauf hinweist, dass Denken dringend erwünscht ist aber nicht geliefert werden kann. Der Begriff ist im übrigen ein angenehmer Hinweis auf mythologische Restbestände bei selbst höchst qualifizierten Naturwissenschaftlern. Die Geisteswissenschaftler, die zur Schadenfreude neigen, könnten dankbar sein.

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