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Besonderheiten der Entwicklungen im Mittelalter

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Der BischofBischof von Rom blieb in der Zeit der Völkerwanderung, des Zusammenbruchs des römischen Reichs und des Übergangs von der Antike zum Mittelalter eine Konstante. Als Papst versuchte er, seinen Primatsanspruch auf das ganze Reich auszudehnen.

Während die östliche TraditionTradition eine Harmonie, die SymphoniaSymphonia, zwischen Staat und Kirche herzustellen suchte [→ Orthodoxe Kirchen], kontrastrierte Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst I. (Pontifikat: 492–496) die weltliche Macht durch die kirchliche und wies der kirchlichen eine größere Macht zu.

Der wichtigste Papst dieser Zeit war Gregor I. (der Große; Pontifikat: 590–604)$Gregor I. (der Große), Pontifikat 590–604, römisch-katholischer Papst, der als Mönch Papst wurde und dem es gelang, das Ideal des Hirten seiner Gemeinde zu verkörpern. Er verlangte von den Klerikern, dass sie ihr Leben als christliches Vorbild führen sollten. Die Bischöfe rief er zur Solidarität untereinander auf. Für die Stadt Rom war er bedeutend, da er nach dem Untergang des Reichs mit sozialen Leistungen die Not der Bevölkerung zu lindern versuchte. Außerdem unternahm er vermehrt missionarische Anstrengungen, z.B. unter den Goten und den Angelsachsen.

Entfremdung zwischen Ost und WestIm Frühmittelalter verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der West- und Ostkirche des Reichs. Der Einfluss Ostroms wurde schwächer und die Päpste begannen, sich mit großem Selbstbewusstsein in die Belange der östlichen Kirche einzumischen. So widersetzte sich Papst Gregor II. (Pontifikat: 715–731)$Gregor II., Pontifikat 715–731, römisch-katholischer Papst den Steuerpflichten, die ihm vom oströmischen Kaiser auferlegt waren und widersprach ihm im Bilderstreit.

Er weihte den Angelsachsen Wynfreth$Bonifatius (Wynfreth), 653–755, Missionar, römisch-katholischer Bischof von Mainz und Utrecht (673–755) zu BischofBischof Bonifatius und gab ihm missionarische Vollmachten in Mitteleuropa. Bonifatius war direkt dem Papst unterstellt und wurde zum Bischof geweiht, ohne dass er ein Bistum erhielt. Er erhielt vielmehr die Aufgabe, Volksstämme wie die Friesen oder die Hessen zu missionieren. Bonifatius ging rigoros gegen heidnische Götter vor und ließ z.B. 723 in der Nähe von Geismar im heutigen Hessen eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche, ein germanisches Heiligtum, fällen, um die Ohnmacht der germanischen Götter zu beweisen. 732 wurde Bonifatius zum ErzbischofBischofErzbischof erhoben und zum Legaten für Germanien bestellt. Der Missionar wurde damit zum Organisator einer neuen Kirchenprovinz. Er gründete Klöster und unterstellte sie der Mönchsregel Benedikts von Nursia$Benedikt von Nursia, 480–547, römisch-katholischer Ordensgründer (480–547), der 529 die Abtei Montecassino gegründet hatte, die Keimzelle des Benediktinerordens. Das Wirken des Bonifatius markierte den Weg des PapsttumsPapsttum in den Westen.

Papst Gregor III. (Pontifikat: 731–741)$Gregor III., Pontifikat 731–741, römisch-katholischer Papst wandte sich endgültig vom Osten ab und suchte weltliche Unterstützung bei Karl Martell$Karl Martell, um 690–741, fränkischer Hausmeier, Begründer der Dynastie der Karolinger (um 690–741), dem karolingischen Hausmeier. Das PapsttumPapsttum wurde vom Frankenreich abhängig.

Die Zeit der KarolingerDas PapsttumPapsttum geriet im Mittelalter immer mehr in Auseinandersetzung mit den weltlichen Königen, da es neben seinen geistlichen Aufgaben auch politisch agierte.

Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714–768), der Sohn Karl Martells, ließ sich von der römischen Kirche zum König krönen. Sein Königtum wurde damit eine Herrschaft von Gottes Gnaden (lat.: dei gratia). Die Würde des Königs wurde also nicht durch seine königliche Abstammung begründet, sondern das AmtAmt wurde verliehen. Aufgrund seines Selbstverständnisses als „unmittelbar zu Gott“ fühlte sich der König auch für die Kirche verantwortlich. Kirche und weltliche Herrschaft rückten eng zusammen.

Die Krönung Karls des Großen$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser (747–814), des bedeutendsten Herrschers der Karolinger, durch Papst Leo III.$Leo III., Pontifikat 795–816, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 795–816) an Weihnachten 800 in Rom war deutlicher Ausdruck dieser engen Verbindung. Das neue Kaisertum war an Rom gebunden. Der Papst konnte die Kaiserwürde verleihen.

Darüber hinaus war die Absage an das oströmische Reich manifestiert. Der Papst hatte einen „eigenen“ Kaiser kreiert. Für Kaiser Karl$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser war die Aufgaben- und Machtverteilung zwischen ihm und dem Papst eindeutig: Dem Kaiser oblag es, das Reich und die Kirche nach außen zu verteidigen und nach innen zu festigen. Der Papst wiederum hatte die Aufgabe, den Kaiser in seinen Aufgaben zu unterstützen.

Der KirchenstaatUm sich gegen den in Italien einfallenden Volksstamm der Langobarden zu schützen, bat Papst Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 752–757) 754 Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714–768), Sohn Karl Martells, erster karolingischer König und Vater Karls des Großen, um Schutz. Pippin III. gewährte ihm seine Hilfe und versprach dem Papst die Rückgabe der von den Langobarden eroberten Gebiete. Diese Gebiete vermachte Pippin in der sogenannten Pippinischen Schenkung dem Papst und schuf damit die Grundlage des Kirchenstaates, dem weltlichen Hoheitsgebiet der Päpste. Der Papst verlieh Pippin mit dem Titel Patricius Romanorum die Herrschaft über dieses Gebiet.

Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst festigte die weltliche Macht über dieses Territorium, indem er ein Dokument vorlegte, das angeblich von Kaiser Konstantin$Konstantin (der Große), 270/288–337, 306–337 Kaiser des Römischen Reichs, seit 324 als Alleinherrscher (270/288–337; Kaiser: 306–337) stammte, aber gefälscht war: die Konstantinische Schenkung. In dieser Urkunde vererbte Konstantin sein halbes Reich dem Papst und erhob diesen zu einem zweiten Kaiser neben ihm. Angeblich habe er diese Schenkung verfügt, weil Papst Silvester$Silvester, Pontifikat 314–355, römischer Bischof (Pontifikat: 314–355) ihn von einer unheilbaren Krankheit geheilt und getauft habe. Der Papst begründete seinen weltlichen Rechtsanspruch mit dem Erbe des Kaisers, also dezidiert nicht theologisch. Obwohl bereits früh Zweifel an der Echtheit der Konstantinischen Schenkung aufkamen, wurde sie erst im 15. Jahrhundert endgültig als Fälschung entlarvt.

Dem Papst wurden im frühen 9. Jahrhundert kaiserliche Rechte übertragen, und die Bindung des Kaisertums an Rom erfuhr seine, wenn auch auf einer Fälschung beruhende Begründung. Der Papst konnte, wenn er es machtpolitisch durchzusetzen vermochte, das Recht beanspruchen, den Titel des Kaisers zu vergeben und auch wieder abzuerkennen. Dieser prinzipielle Anspruch mündete in den Investiturstreit des 11. und 12. Jahrhunderts.

Zunächst aber waren die Päpste gegenüber den Kaisern zu schwach, um ihren politischen Anspruch durchsetzen zu können. Kirche und PapsttumPapsttum erlebten Ende des 9. Jahrhunderts und im 10. Jahrhundert einen kirchenpolitischen wie moralischen Niedergang.

Die Cluniazensische Reform der Kirche910 wurde in Cluny in Burgund ein Benediktinerkloster gegründet, das von den Stiftern dadurch gegen die den Grundgedanken des ursprünglichen Christentums verwässernde weltliche Zugriffe geschützt wurde, indem es direkt dem Papst unterstellt wurde.

Das Kloster Cluny, das im 11. und 12. Jahrhundert im Mittelpunkt eines ganzen Klosterverbundes stand, entfaltete eine überragende Wirkung. Von ihm ging in der Zeit vom 10. bis 13. Jahrhundert eine der umfassendsten Reformen, die Cluniazensische Reform, aus, die auf den KlerusKlerus, auf das Kirchenvolk und schließlich auch auf das PapsttumPapsttum ausstrahlte.

Es begann sich das Bewusstsein durchzusetzen, dass auch das PapsttumPapsttum reformiert werden müsse. Der Kampf gegen den Verkauf von geistlichen ÄmternAmt, die Simonie, war dabei ein wichtiges Ziel.

Regelung der PapstwahlIn Rom hatte der Adel im frühen 11. Jahrhundert die Machtverhältnisse zu seinen Gunsten entschieden und hatte großen Einfluss auf den römischen Bischofssitz. Um den Streitigkeiten bei den Papstwahlen Herr zu werden, beschloss eine Lateransynode 1059 das Papstwahldekret „In nomine Domini“, das die bis heute gültige Regelung enthält, dass der römische BischofBischof nur von den Kardinälen gewählt werden darf. Dem übrigen KlerusKlerus und dem Volk wurde lediglich das Zustimmungsrecht eingeräumt und dem Kaiser ein Bestätigungsrecht.

Der InvestiturstreitUnter Papst Gregor VII. (Pontifikat: 1073–1085)$Gregor VII., Pontifikat 1073–1085, römisch-katholischer Papst flammte der Streit um die Investitur auf, d.h. um das Recht der ,Einkleidung‘ der Bischöfe mit den Insignien. Gregor VII., der als Mönch in Cluny gelebt hatte, lehnte jede Einmischung der weltlichen Gewalt in Kirchenbelange ab, wandte sich entschieden gegen die Nichtbeachtung des ZölibatsZölibat, bekämpfte die Simonie und betonte die normative Rolle Roms für die gesamte Christenheit. In Konflikt geriet Gregor VII. mit dem Salier Heinrich IV. (1050–1106; Kaiser 1084–1105)$Heinrich IV., 1050–1106, römisch-deutscher König, 1084–1105 römisch-deutscher Kaiser in der Frage, wer die letzte Entscheidungsgewalt bei der Einsetzung von Bischöfen habe: der Papst oder der Kaiser. Die Frage der Einsetzung von Bischöfen war deshalb so wichtig, weil die Bischöfe neben ihrem geistlichen AmtAmt auch die weltliche Macht im Reich innehatten. Wer Bischöfe einsetzte, hatte einen großen Einfluss über die Kirche hinaus. Die Lehre der zwei Gewalten, einer geistlichen und einer weltlichen, wie sie seit der Karolingerzeit bekannt war, wurde nun infrage gestellt.

Die deutschen Bischöfe schwankten in dem Streit zwischen der Treue gegenüber dem Kaiser und der Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Papst. 1076 forderten sie mit Heinrich an der Spitze auf dem Hoftag zu Worms Gregor VII.$Gregor VII., Pontifikat 1073–1085, römisch-katholischer Papst auf, das Papstamt aufzugeben. Daraufhin verhängte Gregor den Bann über Heinrich.

Da der Kaiser daraufhin von den Fürsten seines Reichs, auf deren Unterstützung er angewiesen war, mit einem Ultimatum unter Druck gesetzt wurde den Konflikt mit dem Papst beizulegen, entschloss sich Heinrich$Heinrich IV., 1050–1106, römisch-deutscher König, 1084–1105 römisch-deutscher Kaiser 1077 zum Bußgang nach Canossa, wohin sich Gregor zurückgezogen hatte. Der Papst löste daraufhin den Bann, um ihn nach verschiedenen Streitigkeiten um die kaiserliche Macht 1080 wieder in Kraft zu setzen. Allerdings hatte sich das Machtgefüge in der Zwischenzeit verändert, sodass Heinrich Gregor für abgesetzt erklären und einen neuen Papst zum Gegenpapst ausrufen konnte. Gregor konnte sich nicht durchsetzen und musste aus Rom fliehen.

Gleichwohl hinterließ er mit der Schrift „Dictatus Papae“ von 1075 ein eindrückliches Dokument für das päpstliche Selbstbewusstsein der Zeit. Der Lehr- und Jurisdiktionsprimat des römischen BischofsBischof wurden darin bereits vorformuliert und die Vorrangstellung der römischen Kirche deutlich unterstrichen.

Erst unter Papst Calixt II.$Calixt II., Pontifikat 1119–1124, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1119–1124) erfolgte 1122 die Beilegung des Investiturstreits mit der Unterzeichnung des Wormser Konkordats. Darin wurde festgelegt, dass die Bischöfe durch das Domkapitel in Anwesenheit kaiserlicher Beauftragter gewählt werden. Der Kaiser verzichtete auf die grundsätzliche Investitur und war verpflichtet, die Wahl zu akzeptieren. Ihm blieb es überlassen, den Gewählten mit der Verwaltung kaiserlicher Hoheitsrechte zu beauftragen.

Das IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. LaterankonzilDas IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. Laterankonzil von 1215 war das bedeutendste und folgenreichste KonzilKonzil / Konziliarismus des Mittelalters, da es wesentliche Glaubenselemente verbindlich verkündete. Beichte und Kommunion wurden vorgeschrieben, die TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre bestätigt und die Transsubstantiationslehre zum adäquaten Verständnismodell der EucharistieEucharistie erklärt. Die Lehre von der realen Wandlung von Brot und Wein dauerhaft in Blut und Leib Christi wurde manifestiert.

Darüber hinaus erließ Papst Innozenz III.$Innozenz III., Pontifikat 1198 bis 1216, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1198 bis 1216) eine Fülle weiterer Canones, die das Leben der Kirche in Bezug auf die Kleriker und Laien prägten.

Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch

Der Dominikaner Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch (1225–1274) war einer der bedeutendsten Lehrer der katholischen Kirche und einer der wichtigsten Theologen des Mittelalters. In Anknüpfung an den griechischen Philosophen Aristoteles$Aristoteles, 384 v. Chr.-322 v. Chr., Philosoph, Wissenschaftsbegründer beschäftigte er sich mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft bzw. Theologie und PhilosophiePhilosophie. In seinen beiden Hauptwerken „Summa theologiae“ und „Summa contra gentiles“ unterschied er beide Disziplinen und grenzte sie klar voneinander ab, verband sie aber in einem gemeinsamen System. Während die Theologie das Verhältnis zu Gott thematisiert, untersucht die Philosophie nach Thomas, wie sich Dinge zu sich und in sich verhalten. Die Theologie erklärt die Welt von Gott, also ihrer ersten Ursache her. Die Philosophie befasst sich mit Ursache und Wirkung der Dinge. Der Erkenntnisweg der Theologie führt vom Schöpfer zur Schöpfung, der der Philosophie von der Schöpfung zum Schöpfer.

Die Frage nach dem Sein

Die Frage nach dem Sein führte Thomas zu der Frage nach dem höchsten Sein, das für ihn Gott war. Die Vernunft bestätigt in der Vorstellung von Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch die OffenbarungOffenbarung Gottes, die wiederum die Vernunft in ihrem Erkenntnisdrang unterstützt. Ausgehend von der Betrachtung der NaturNatur kam er zu dem Schluss, dass Gott das absolute Sein selbst darstellt, das höchste Wesen, die erste Ursache, der erste Beweger der Welt.

Über die Systematisierung von Theologie und PhilosophiePhilosophie hinausgehend erarbeitete Thomas Überlegungen zur göttlichen GnadeGnade und ihrer Wirkung. Die Gnade Gottes führt die natürliche Erkenntnis über die menschlichen Möglichkeiten hinaus. Sie bewirkt, dass der Mensch eine Wirklichkeit über der natürlichen erkennt. Damit begründete Thomas den Unterschied zwischen NaturNatur und Gnade. Die Gnade rüstet den Menschen mit einem übernatürlichen Habitus aus, die Gnade „erhöht“ die geschöpfliche Natur des Menschen. Gott kommt dabei dem menschlichen Willen zur Erkenntnis unterstützend entgegen. In den SakramentenSakrament erlangt der Mensch ZugangZugang zur Gnade.

Die babylonische Gefangenschaft der KircheBabylonische Gefangenschaft der Kirche (1309–1376)Der Jurist Benedetto Caetani veranlasste 1294 Papst Coelestin$Coelestin V., Pontifikat Juli-Dezember 1294, römisch-katholischer Papst V. (Pontifikat: Juli-Dezember 1294) zum Rücktritt und konnte dadurch dessen Nachfolge antreten. Als Papst Bonifatius VIII.$Bonifatius VIII., Pontifikat 1294–1303, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1294–1303) beanspruchte er die volle Verfügungsgewalt über alle kirchlichen ÄmterAmt und geriet darüber in Konflikt mit dem französischen König Philipp IV., dem Schönen$Philipp I. von Hessen, (der Großmütige), 1504–1567, Landgraf von Hessen (1268–1314; König 1285–1314), der den französischen Klerikern verbot, Gelder aus Frankreich nach Rom abzuführen. 1302 erließ Bonifatius mit „Unam Sanctam“ die wohl berühmteste päpstliche Bulle, d.h. ,Urkunde‘, des Mittelalters. Der Text beginnt mit der Feststellung:

Eine heilige katholische und ebenso apostolische Kirche zu glauben und festzuhalten, werden wir auf Drängen des Glaubens gezwungen, und diese glauben wir fest und bekennen wir aufrichtig, außerhalb derer weder Heil noch Vergebung der Sünden ist. (DH 870)

Dieser Kirche gebühre der Vorrang vor allen anderen Machtansprüchen. Das geistliche Schwert stehe über dem weltlichen und dieses habe sich der Kirche nicht nur zu beugen, sondern ihr auch zu dienen:

Beide also sind in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle. Jedoch ist dieses für die Kirche, jenes aber von der Kirche zu handhaben. (DH 873)

Außerdem stehe der geistlichen Macht zu, über die weltliche zu richten:

Wenn also die irdische Gewalt abirrt, dann wird sie von der geistlichen Gewalt gerichtet werden; wenn aber eine niedrigere geistliche abirrt, dann von ihrer höheren; wenn aber die höchste, dann wird sie allein von Gott, nicht vom Menschen gerichtet werden können. (DH 873)

Konzentriert formuliert die Bulle diesen Machtanspruch in dem Satz:

Wir erklären, sagen und definieren nun aber, daß es für jedes menschliche Geschöpf unbedingt notwendig zum Heil ist, dem Römischen BischofBischof unterworfen zu sein. (DH 875)

Damit hatte das PapsttumPapsttum zumindest ideell den Zenit seiner Macht erreicht. Faktisch konnte Bonifatius$Bonifatius VIII., Pontifikat 1294–1303, römisch-katholischer Papst den französischen König mit der Bulle allerdings nicht in die Schranken weisen. Vielmehr demütigte Philipp IV.$Philipp IV., (der Schöne), 1268–1314, König von Frankreich, als Philipp I. König von Navarra den Papst 1303, indem er ihn in der päpstlichen Sommerresidenz in Anagni festnehmen ließ. Wenige Wochen danach starb Bonifatius.

1309 verlegte Papst Clemens V. (Pontifikat: 1305–1314)$Clemens V., Pontifikat 1305–1314, römisch-katholischer Papst, der ehemalige ErzbischofBischofErzbischof von Bordeaux, unter Einfluss der französischen Krone den Sitz der päpstlichen Kurie nach Avignon. In den folgenden Jahrzehnten wurde das PapsttumPapsttum zum Spielball der französischen Könige. Die babylonische Gefangenschaft der KircheBabylonische Gefangenschaft der Kirche, so die nachträgliche Bezeichnung in Anlehnung an das Exil Israels in Babylonien, endete erst 1377 mit der Rückverlegung der päpstlichen Residenz nach Rom durch Gregor XI. (Pontifikat: 1370–1378)$Gregor XI., Pontifikat 1370–1378, römisch-katholischer Papst.

Das Abendländische SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches SchismaDie Epoche der babylonischen Gefangenschaft der Kirche hatte dem von Frankreich abhängigen PapsttumPapsttum schweren Schaden zugefügt. Die weiteren Papstwahlen waren vor diesem Hintergrund problematisch, geprägt von Interessenkonflikten und Machtkämpfen. Das Ergebnis wurde von der jeweils unterlegenen Seite meist angezweifelt. Papst Urban VI.$Urban VI., Pontifikat 1378–1389, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1378–1389), der die Macht der französischen Kardinäle im Kardinalskollegium zu brechen versuchte, sah sich 1378 mit einem von eben den französischen Kardinälen erhobenen Gegenpapst konfrontiert. Damit war ein SchismaSchisma vollzogen. Der Gegenpapst residierte in Avignon, Urban VI. in Rom. Beide Päpste fanden Nachfolger im AmtAmt, sodass das Schisma aufrecht erhalten blieb, die Kirche zwei Päpste hatte und das westliche Christentum in zwei Lager geteilt wurde. Auf einem KonzilKonzil / Konziliarismus 1409 in Pisa versuchten die Konzilsteilnehmer das Problem zu lösen, indem sie die beiden zu der Zeit amtierenden Päpste für abgesetzt erklärten und einen neuen Papst wählten. Die anderen Päpste akzeptierten dieses Vorgehen und ihre Absetzung nicht, was dazu führte, dass nun drei Päpste den Stuhl Petri für sich beanspruchten. Das Vertrauen in das Papsttum war zerrüttet und die Zeit gekommen, dass eine andere Institution an die Spitze der Kirche trat.

Das KonzilKonzil / Konziliarismus von KonstanzKonzil / KonziliarismusKonzil von Konstanz1414 wurde das KonzilKonzil / Konziliarismus von KonstanzKonzil / KonziliarismusKonzil von Konstanz einberufen, das u.a. das bedeutende Dekret „Haec sancta“ verabschiedete, welches das Konzil zur gegenwärtigen Vertretung der Christenheit erklärte. Jeder, auch der Papst, schulde ihm Gehorsam. Der markante Satz dazu lautete:

Diese heilige SynodeSynodalitätSynode zu Konstanz […] erklärt erstens, daß sie, im Heiligen GeistHeiliger Geist rechtmäßig versammelt, ein allgemeines KonzilKonzil / Konziliarismus abhaltend und die irdische katholische Kirche repräsentierend ihre Vollmacht unmittelbar von Christus hat. Ihr ist ein jeder, welchen Standes und welcher Würde auch immer, sei es auch die päpstliche, in denjenigen Angelegenheiten zum Gehorsam verpflichtet, die sich auf den Glauben, auf die Ausrottung des besagten SchismasSchisma und die allgemeine Reform der Kirche Gottes an Haupt und Gliedern beziehen. (Dekret ,Haec sancta‘ 2001, 235)

Der sogenannte KonziliarismusKonzil / Konziliarismus war damit auf der Höhe seines Einflusses und ebnete den Weg für eine neue Papstwahl. 1417 wurde Martin V.$Martin V., Pontifikat 1417–1431, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1417–1431) zum alleinigen Papst gewählt. Das Konzil beendete somit das Abendländische SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches Schisma und ermöglichte dem PapsttumPapsttum die Rückkehr an die Macht.

Neue AufbrücheSignifikant für die Herausforderungen und Anfragen, mit denen sich die römische Kirche bald konfrontiert sehen sollte, war das Auftreten und Wirken von Jan Hus$Hus, Jan, 1370–1415, Theologe, Vorreformator in Böhmen [ Herrnhuter Brüdergemeine] und seine Forderungen nach weitreichenden Reformen in der Kirche. Noch war es möglich, Reformer wie Hus ebenso wie zuvor die Aufbrüche der KatharerKatharer oder → Waldenser zu unterdrücken. Hus wurde trotz der Zusicherung freien Geleits 1415 durch das KonzilKonzil / Konziliarismus verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein Jahrhundert später gelang das im Falle eines weiteren Reformers, des Wittenberger Theologen Martin Luther$Luther, Martin, 1483–1546, evangelischer Theologe, Reformator, Namensgeber der Lutheraner, nicht mehr [→ Evangelische Kirchen].

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