Читать книгу Grundwissen Konfessionskunde - Gisa Bauer - Страница 7
1.3 Die Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität als ZugangZugang der KonfessionskundeKonfessionskunde
ОглавлениеDa der Begriff des ApostelsApostel im Neuen TestamentNeues Testament unterschiedlich bestimmt wird, ist eine historische Herleitung des Zusammenhangs von Kirche und Aposteln im Detail schwierig. Klar ist aber, dass die Kirche aufgrund der Verkündigung der ersten Zeugen Jesu entstand. Laut Paulus, der sich selbst als Apostel sah (Röm 1,1), kommt der Glaube aus dem Hören der Verkündigung (Röm 10,17). Diese Verkündigung der ersten Christen war das Fundament jeder christlichen Gruppierung. Deshalb sind die neutestamentlichen Texte als schriftlicher Niederschlag dieser Verkündigungstätigkeit die zentrale Quelle der christlichen Heilserschließung. Laut Eph 2,20 ist die Kirche demnach auf dem Grund der Apostel und ProphetenProphet erbaut. Apostolisch ist die Kirche also, weil sie von den Aposteln abstammt und auf deren Zeugnis aufbaut.
Bei dem Zusammenhang von Kirche und ApostelnApostel lassen sich drei Typen der apostolischen Nachfolge ausmachen, die sich als theologisches Ordnungsmerkmal einer KonfessionskundeKonfessionskunde eignen. Kirchen teilen im Grunde das gleiche Anliegen, ihre ApostolizitätApostolizität realisieren zu wollen, verwirklichen dieses Anliegen aber unterschiedlich.
Das Bemühen um kirchliche KontinuitätKontinuitätDeutlich ist bei jeder Kirche das Bemühen um KontinuitätKontinuität mit den eigenen Ursprüngen. Dass alle Kirchen den ApostelnApostel nachfolgen, ist nicht strittig. So besagt das „Apostolische“ in seinem Kern, dass die Kirchen heute die gleiche Botschaft verkündigen wie die ersten Zeugen des auferstandenen Christus. Dieses Bestreben zeigt sich bereits im Neuen TestamentNeues Testament selbst. Prominent bezeugt der Prolog des Lukasevangeliums, dass die Augenzeugen Jesu und die Diener des Wortes diejenigen sind, auf denen das EvangeliumEvangelium fußt (Lk 1,1–4). Die Dignität der Zeugen der göttlichen OffenbarungOffenbarung in Jesus ChristusJesus Christus verbürgt die Botschaft, die festgehalten werden soll. Es geht um die ,Nachfolge der Apostel‘, um die apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession, und damit um die ApostolizitätApostolizität der KircheKircheApostolizität der Kirche, die verschieden realisiert wird.
Typ 1: Die personelle SukzessionSukzessionPersonelle SukzessionDer erste Typus der Nachfolge bildete sich historisch in den Streitigkeiten der ersten Jahrhunderte heraus. Um die „richtige“ Lehre zu bewahren, die allerdings immer wieder für jede Zeit neu ausgesprochen werden muss, greifen Theologen kein inhaltliches Kriterium der apostolischen Lehre heraus, sondern beziehen sich auf die Träger der Überlieferung. Die personelle Nachfolge wird zum Garant der Wahrheit. Über das, was überliefert wurde und wird, lässt sich streiten, aber nicht über den, der es überliefert. Die Integrität der Zeugen wird zum Kriterium der Wahrheit, die personelle AutoritätAutorität gewährleistet – wie es schon der Begriff Autorität ursprünglich besagt – die Zuverlässigkeit der Botschaft. Hier wird also ein ganz bestimmter Typ der apostolischen Nachfolge etabliert: die personelle Nachfolge im AmtAmt der ApostelApostel. Kirchen, wie die Orthodoxe, die Römisch-katholische und die Anglikanische halten für ihr Kirchenverständnis an diesem Typus fest. Ihr Kirche-Sein wird bedingt – unterschiedlich ausdifferenziert – von dieser NachfolgeNachfolgeSukzession im Amt.
Typ 2: Die inhaltliche SukzessionSukzessionInhaltliche SukzessionDer zweite Typus, der die apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession bewahren will, negiert diese personelle Nachfolge nicht gänzlich, macht sie aber nicht zum Kriterium der Wahrheit oder der Funktionsfähigkeit kirchlicher ÄmterAmt. Das Kirche-Sein wird nicht bedingt von einer mehr oder weniger ausweisbaren personellen SukzessionSukzessionPersonelle Sukzession, sondern vom Bleiben in der Wahrheit des EvangeliumsEvangelium. Die Nachfolge bezieht sich also nicht auf die Person eines historisch nur schwer greifbaren ApostelsApostel und seiner vermeintlichen Nachfolger, sondern auf die Lehre der Apostel, konkret: auf den schriftlichen Niederschlag der apostolischen Verkündigung.
Jede Kirche, die sich auf die biblische Überlieferung als den normativen Maßstab ihrer Verkündigung beruft, steht in apostolischer Nachfolge, ohne dass eine personelle Nachfolge im AmtAmt notwendig ist. Die Heilige Schrift bildet die Grundlage der Nachfolge. Wird das EvangeliumEvangelium verkündigt, wie es in ihr bezeugt wird, ist die apostolische Nachfolge gesichert und die ApostolizitätApostolizität der KircheKircheApostolizität der Kirche realisiert. Dieser Typus ist bei der evangelischen Konfessionsfamilie Kernanliegen des Kirche-Seins.
Typ 3: Das lebendige ApostelamtDer dritte Typus hebt sich von beiden beschriebenen Typen ab. Beide setzen voraus, dass es keine ApostelApostel in der Gegenwart mehr gibt. Sie haben andere Modelle entwickelt, die ApostolizitätApostolizität trotzdem zu bewahren. Der dritte Typus realisiert sie, indem er neue Apostel in der Gegenwart erkennt und lebende Personen als Apostel bestimmt. Das AmtAmt der Apostel wird also nicht lediglich „vererbt“, sondern neu belebt und ausgefüllt. Damit ist im Grunde die unmittelbarste Form der Apostolizität buchstäblich verkörpert und das Apostolat „belebt“. Dieser Typus entstand im Rahmen der ErweckungsbewegungErweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Exemplarisch ist er in der „Neu-Apostolischen“ Kirche anzutreffen.
Die Strukturierung der vorliegenden KonfessionskundeKonfessionskunde nach diesen drei Typen der apostolischen Nachfolge ist insofern gewinnbringend, als dass sie das theologische Anliegen der verschiedenen Kirchen sichtbar macht, wirklich die Kirche Jesu ChristiJesus Christus realisieren zu wollen. Es lässt sich zeigen, dass jede Kirche auf ihre Weise versucht, die Kirche des GlaubensbekenntnissesGlaubensbekenntnis in der Gegenwart zu leben. Differenzen zwischen den Kirchen werden damit nicht eingeebnet, aber deutlich gezeigt, dass die Kirchen ein gemeinsames Anliegen verbindet. Es kann so zwischen der Gestalt einer Kirche und ihrer eigentlichen Absicht unterschieden werden. Damit findet sich ein gemeinsames Fundament – die ApostolizitätApostolizität der KircheKircheApostolizität der Kirche –, das nicht ausschließt, nicht über- oder unterordnet, sondern einen Punkt bietet, an dem das gegenseitige (ökumenische) Verstehen anknüpfen kann.
Konkret ordnet die vorliegende KonfessionskundeKonfessionskunde die Betrachtung der einzelnen Kirchen anhand der vorgeschlagenen Kriterien wie folgt:
1 Die personelle Nachfolge im AmtAmt als Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität
2 Die inhaltliche Nachfolge als Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität
3 Die ApostelApostel als Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität
Kirche, ApostolizitätApostolizität und AmtAmtEkklesiologieEkklesiologie und ApostolizitätApostolizität sind eng miteinander verknüpft und bedingen einander. Eine KonfessionskundeKonfessionskunde, deren Ordnungsprinzip die Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität ist, dringt dabei folgerichtig zum Kern ekklesiologischer Selbstverortungen vor.
Darüber hinaus wird unmittelbar das mit der ApostolizitätApostolizität verbundene kirchliche Amtsverständnis erfasst. In der Praxis stellen das AmtAmt inkludierende kirchliche Strukturen eine der größten gegenwärtigen Herausforderungen für die ÖkumeneÖkumene dar, im Übrigen bereits seit den 1970er, 1980er Jahren. Die Kenntnis der Verortung des Amtes in den einzelnen Kirchen und Konfessionsfamilien stellt, wie eingangs bereits erwähnt, die Grundlage für den ökumenischen Dialog über das Amt dar. Insofern versteht sich die vorliegende KonfessionskundeKonfessionskunde in Bezug auf EkklesiologieEkklesiologie, Apostolizität und Amt als Vorarbeiterin ökumenischen Denkens und Agierens. Da sie ihren Gegenstandsbereich theologisch aufbereitet, schafft sie gleichermaßen die Grundlage für die Anschlussfähigkeit weiterer Disziplinen der theologischen Wissenschaft.