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1.2 Konfessionskundliche Systematisierung

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Die christlichen Kirchen sind Gegenstand der KonfessionskundeKonfessionskunde. Da diese versucht, wertneutral vorzugehen, ist bereits die Anordnung des Gegenstands eine zentrale Frage.

Der ÖRKÖkumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) bezeugt seine Neutralität, indem er seine Mitgliedskirchen in alphabetischer Reihenfolge auflistet. Diesem Beispiel könnte eine KonfessionskundeKonfessionskunde folgen. Allerdings ist dieses lexikalische Vorgehen wenig geeignet, um die Zusammengehörigkeit bestimmter Kirchen zu zeigen, die ein leichteres Verstehen ihrer selbst ermöglicht.

Ein historischer ZugangZugangHistorisch?Konfessionskundliche Darstellungen wählen meist einen historischen ZugangZugangHistorisch, um die gewachsenen Beziehungen zwischen den Kirchen deutlich zu machen. Dieser ZugangZugang hat den Vorteil, eine klare, durch die Chronologie strukturierte Gliederung zu bieten. Problematisch dabei ist allerdings, dass bestimmte Kirchen anderen Kirchen historisch vorgeordnet werden, obwohl dies dem Selbstverständnis der zeitlich nachrangig behandelten Kirchen widerspricht. Werden z.B. die protestantischen Kirchen der Römisch-katholischen Kirche nachgeordnet, erweckt das den Eindruck, dass diese erst seit dem 16. Jahrhundert existierten, während die Römisch-katholische Kirche älter sei. Aber auch die protestantischen Kirchen berufen sich in ihrem Selbstverständnis auf die ersten Zeugen Jesu. Sie wollen gerade keine neue Kirche darstellen, sondern die Überlieferung der alten Kirche bewahren. Umgekehrt hat auch das Argument Gültigkeit, dass die Römisch-katholische Kirche in ihrer heutigen Gestalt das Ergebnis einer Entwicklung des 16. Jahrhunderts ist, da sie ihren Anfang als dezidiert römisch-katholische Kirche auf dem KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient nimmt.

Weiterhin ist fraglich, welche Kirche(n) als älteste Kirche(n) angenommen werden sollte(n): die altorientalischen Kirchen oder die (Römisch-)katholische Kirche? Und auf welche Zeit sind deren jeweilige Anfänge zu datieren?

Außerdem steht bei einer historischen Betrachtung meist die Vorstellung im Hintergrund, dass es ältere Kirchen gibt, von denen sich jüngere abgespaltet hätten. Der negativ besetzte Begriff der Spaltung beinhaltet aber eine deutliche Wertung. Deshalb ist es zutreffender, von gelungenen Manifestationen kirchlicher PluralitätPluralität – Pluralisierung zu sprechen.

Der historische ZugangZugangHistorisch beruht letztlich auf der Vorstellung einer Kirche, die sich in verschiedene Zweige ausdifferenziert hat. Dabei wird aber die geglaubte Kirche des BekenntnissesBekenntnis implizit in die Wirklichkeit eingetragen und historisch verrechnet. Die Einsicht in die PluralitätPluralität – Pluralisierung des Christentums, das von Anfang an so vielfältig wie seine verschiedenen Zeugen und die daraus resultierenden Textcorpora ist, verbietet eine solche Vorstellung. Durch die Akzeptanz der dem Christentum genuin inhärenten Pluralität wird nicht nur die Vorstellung einer linearen Entwicklung und Ausdifferenzierung des ChristentumsAusdifferenzierung (des Christentums) verstellt, sondern auch die Zielvorstellung einer ÖkumeneÖkumene, die glaubt, eine Einheit des Christentums (wieder-)herstellen zu müssen.

Eine historische Anordnung der christlichen Kirchen ist aufgrund der genannten Aspekte für die KonfessionskundeKonfessionskunde schwierig, obwohl sie gleichfalls die historischen Prozesse, die zur Manifestation kirchlicher Gemeinwesen geführt haben, stets in die Betrachtung einbeziehen muss.

Ein quantitativer ZugangZugangQuantitativ?Ein weiterer ZugangZugang zum Gegenstand der KonfessionskundeKonfessionskunde kann anhand der Größe der Kirchen erfolgen. Die Kirche, die die meisten Mitglieder zählt, wäre am Anfang zu behandeln und so ergäbe sich eine Reihenfolge. Allerdings haben manche Kirchen (insbesondere die der → Pfingstbewegung und anderer christlichen BewegungenBewegung(en)) kein Interesse an der Erhebung von Mitgliederzahlen oder verfügen über keine Möglichkeiten, ihre Gläubigen statistisch zu erfassen. Generell können Mitgliederzahlen für viele Kirchen immer nur – mehr oder minder grob – geschätzt werden.

Die bisher besprochenen Varianten von Ordnungssystemen für die Betrachtung der christlichen Kirchen erweisen sich also als zu eng geführt. Unbefriedigend scheinen sie aber vor allem deshalb, weil sie keinen theologischen Zugriff bieten. Im Hinblick auf das Fach KonfessionskundeKonfessionskunde als Disziplin der Theologie ist gerade das bedauerlich. Diesem Mangel will die vorliegende Konfessionskunde abhelfen und ein dezidiert theologisches Kriterium als Ordnungsprinzip des Gegenstands einführen.

Ein theologischer ZugangZugangTheologischWieder ist beim BekenntnisBekenntnis einzusetzen: Es besagt, dass jede Kirche von sich behauptet, apostolisch zu sein. Die ApostolizitätApostolizität ist laut GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis neben der Einheit, der Heiligkeit und der Katholizität ein Merkmal der Kirche.

Die ApostolizitätApostolizität dient der vorliegenden KonfessionskundeKonfessionskunde als Richtschnur, die es erlaubt, die verschiedenen Kirchen in theologischer Perspektive zu verstehen und zu ordnen. Sie bietet sich in besonderer Weise an, da sie im Gegensatz zu den anderen Kennzeichen der Kirche – Einheit, Heiligkeit und Katholizität – unterschiedlich realisiert wird.

Die Einheit der KircheKircheEinheit der Kirche ist durch ihre Bindung an den einen Gott und einen Herrn Jesus ChristusJesus Christus gegeben (1.Kor 8,6). Die geglaubte Kirche kann demnach nicht geteilt werden. An diesem Punkt ist keine unterschiedliche Realisierung möglich.

Die Heiligkeit der KircheKircheHeiligkeit der Kirche folgt gleichfalls aus der Beziehung der Kirche zu Gott. Die Kirche ist heilig, weil Gott sie berufen und aus der Welt erwählt hat, letztlich weil Gott selbst heilig ist. Die Heiligkeit der Kirche ergibt sich nicht aus ihr selbst, sondern wird durch Gott garantiert. Dies kann daher gleichfalls nicht zu einem Unterscheidungsmerkmal der irdischen Kirchen dienen.

Die Katholizität der KircheKircheKatholizität der Kirche beruht auf der Einsicht in den universellen Auftrag der Kirche. Sie ist nicht beschränkt auf ein bestimmtes Volk oder ein bestimmtes Land. Sie ist ihrem Wesen allumfassend, weil Gott der Gott aller Menschen sein will. Deshalb hat sie einen globalen Anspruch. Durch diesen Wesenscharakter von Kirche kann auch die Katholizität kein Unterscheidungsmerkmal von Kirchen sein.

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