Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 10

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6. Kapitel

Niemand kümmerte sich um sie, als sie am Abend des nächsten Tages auf das offene Tor des Forts zuritten. Dicht vor den hohen, zugespitzten Palisaden standen einige Planwagen in einer losen Gruppe zusammen. Ein Feuer flackerte dazwischen, und Männergestalten bewegten sich ohne Eile hin und her. In einem weitgespannten Seilcorral nahe daneben waren Pferde untergebracht, die friedlich und ruhig an den Spitzen der Grashalme zupften. Etwas weiter vom Fort entfernt ragten die Spitzen einiger indianischer Büffelhautzelte in den Abendhimmel empor, dessen westlicher Teil von purpurner Röte übergossen war. Auch dort brannte ein Feuer. Ein paar schweigende, in Decken gehüllte Krieger hockten herum, und aus ihren langstieligen Pfeifen kräuselte grauer Rauch empor. Hinter den Tipis waren einige Squaws damit beschäftigt, mit scharfkantigen Knochenstücken Fleischreste von einer ausgespannten Rinderhaut zu schaben.

Weder die Indianer noch die Weißen bei den Planwagen achteten auf die beiden Reiter, die langsam vorbeitrabten und dann durch das offene Tor im Fort verschwanden.

Auf den ersten Blick war kein einziger Soldat zu sehen. Der Forthof wimmelte von Zivilisten. Clint Farrox und Hal Wyman begriffen nun, warum ihr Auftauchen niemand überrascht hatte. Sie dachten an die Worte des deutschen Karawanenführers, dem sie am vorhergehenden Tag begegnet waren. Sie wussten, dass hier eine neue Karawane dicht vor dem Aufbruch stand. Ein weiterer Zug, dessen Ziel die Rocky Mountains in Colorado waren!

Erst als sie die Blicke prüfend ringsum schweifen ließen, entdeckten sie die blauuniformierten Gestalten von Soldaten. Hinter den niedrigen, langgestreckten Vorratshäusern exerzierte eine kleine Gruppe unter der Aufsicht eines schwarzbärtigen Sergeanten, dessen brüllende Kommandostimme beinahe den ganzen Lärm des Forts übertönte. Auf der Veranda eines geräumigen Blockhauses, über dessen Eingang das Schild mit der Aufschrift »Kommandantur«, angebracht war, standen drei Offiziere beisammen, betrachteten das Bild des bewegten Treibens auf dem Fortplatz und unterhielten sich leise und angeregt.

»Scheint ja ganz lebhaft zuzugehen hier!«, lächelte Hal Wyman voller Genugtuung. »Das tut gut nach dem Staub, der Hitze und der Einsamkeit.«

»Vergiss die Vorsicht nicht, Hal!«, mahnte Clint wachsam. »Die beiden Gesuchten halten sich höchstwahrscheinlich ganz in der Nähe auf.«

»Keine Angst, Amigo!«, lachte Hal auf. »Aber weißt du, ein Drink würde mir jetzt allerhand bedeuten!« Er wies mit einer kurzen Geste auf ein Blockhaus hin, über dessen massiver Eichentür die Buchstaben »Saloon« auf ein verwittertes Pappschild gemalt waren. Neben diesem Holzgebäude stand ein zweites, kleineres, das die Aufschrift »Store« trug. Vor beiden Blockhäusern herrschte lebhaftes Kommen und Gehen.

»Verschiebe deinen Durst ein wenig, Hal!«, lächelte Clint knapp. »Wer weiß, ob Shunter und Reanow nicht da drinnen stecken.« Auch er deutete nun auf das Saloon-Blockhaus. »Am besten ist, du bringst erst einmal die Pferde unter, Hal. Vielleicht bekommst du ein Plätzchen für sie im Stall. Ich werde inzwischen versuchen, den Kommandanten zu finden. Schließlich muss er auf unserer Seite stehen, wenn wir die Banditen hochnehmen wollen.«

»Wie du meinst!«, zuckte Hal die Achseln.

Sie saßen beide ab, und Hal nahm die beiden Pferde an den Zügeln und verschwand auf das Stallgebäude zu.

Clint dagegen ging direkt zum Kommandantur-Blockhaus.

Die drei Offiziere, die auf der Veranda miteinander plauderten, sahen ihn kommen und wandten ihm die Köpfe zu. Clint legte grüßend zwei Fingerspitzen an den breiten Rand seines Stetsons.

»Mein Name ist Clint Farrox. Ich möchte gern den Kommandanten dieses Forts sprechen.«

»Ja, das bin ich!«, sagte der älteste der drei Offiziere. »Kommen Sie doch herein, Mister Farrox. Drinnen sind wir ungestört.«

Mit einem Ausdruck leichter Verwunderung auf den Zügen, ging er dem blonden Texaner voran durch die Tür.

»Ich bin Major Stone. Nehmen Sie doch bitte Platz, Mister Farrox.«

Das Büro des Kommandanten war ein kleiner sauberer Raum mit dicken Bärenfell-Teppichen auf dem Boden und indianischen Waffen an den rauen Balkonwänden. Major Stone saß hinter einem breiten Schreibtisch und hörte aufmerksam zu, und Clint erzählte alles – in knappen, treffenden Worten.

»Well, das ist eine schlimme Sache!«, sagte der Major schließlich. »Sie haben meine volle Unterstützung. Es gibt keinen Sheriff in diesem Landstrich. Alle Verbrechen, die hier im Fort oder im Umkreis desselben geschehen, fallen unter meine Gerichtsbarkeit. Thunderville gehört zwar nicht mehr dazu. Aber die beiden Mörder halten sich nach Ihren Angaben hier im Fort Fulton auf – und das genügt.«

»Ich danke Ihnen, Major!«, sagte Clint und erhob sich. »Es wäre mir lieb, wenn wir es gleich hinter uns brächten. Sonst besteht nämlich die Gefahr, dass Shunter und Reanow uns entdecken.«

»Sie haben recht!«, nickte Major Stone. »Ich werde selber mitkommen. Leutnant Thompson und Captain O’Hara werden uns begleiten. Ich denke schon, dass das genügen…«

Der schwache Knall eines Schusses drang von draußen in den kleinen Büroraum und unterbrach den Satz des Fortkommandanten. Wütendes Gebrüll tönte vom Fortplatz her.

»Schnell!«, stieß Major Stone gepresst hervor. »Es muss etwas passiert sein!«

Aber Clint Farrox war bereits an der Tür.

»Soll ich dir noch eine Kugel verpassen? Oder nimmst du jetzt endlich deine Worte zurück!«, dröhnte eine wilde Stimme inmitten eines weiten Kreises dichtstehender Männer.

Ein eisiger Schauer lief Clint über den Rücken, als er diese Stimme hörte. Es war keine Furcht in ihm – nur das erregende Bewusstsein, das Ende der Fährte erreicht zu haben.

»Los! Steh auf und nimm deine Worte zurück! Denkst du, ich lasse mich von einem dreckigen Kuhtreiber einen Falschspieler schimpfen, heh?«

Das Brüllen dieser Stimme übertönte das dumpfe Gemurmel der dichtgedrängten Zuschauer und auch alle anderen Geräusche innerhalb des großen Forts.

»Das ist er!«, raunte Clint hastig dem Major zu. »Das ist Perry Shunter!«

Ohne eine Entgegnung abzuwarten, hetzte Clint die Verandastufen hinab. Im Laufen noch zog er den Colt.

»Nun, wie ist es?«, dröhnte wieder Shunters wilde Stimme. »Bringst du den Mund nicht auf?«

»Es ist so, wie ich sagte!«, kamen jetzt leise und gepresste Worte auf. »Ich habe deutlich gesehen, dass Sie ein falsches As in das Spiel geschmuggelt haben. Ich lasse mir…«

»Was? Du wagst es nochmals?«, schrie Shunter los. »Genügt es dir nicht, dass ich dir schon eine Kugel in die Schulter jagte? Well, dann bekommst du eine zweite!«

Das Klicken eines Revolverhahns war deutlich zu hören.

Keiner der Umstehenden rührte sich. Ein Mann hatte einen anderen des Falschspiels beschuldigt. Der Ankläger hatte ja keinerlei Beweise – und keiner der Unbeteiligten ahnte, dass der des falschen Spiels Beschuldigte ein Mörder und Bandit war.

Aber Clint Farrox wusste es, und er wusste weiterhin, dass er sofort handeln musste, wenn er vermeiden wollte, dass Shunters Kugeln ein weiteres Opfer forderten. Er war erst hinter dem Kreis der Zuschauer angelangt. Er hatte kein freies Schussfeld, und eine Überrumpelung Shunters war nicht mehr möglich. Trotzdem rief er mit lauter Stimme:

»Halt, Shunter! Denk an Thunderville!«

Wie hineingestochen standen diese Worte in der hereinbrechenden Dämmerung!

Aus dem Kreis, den die Zuschauer bildeten, war eine hastige scharrende Bewegung zu vernehmen.

Ein heiserer Fluch knirschte auf. Dann kam auch Bewegung in den starren Kreis der Umstehenden. Eine Gasse öffnete sich, an deren entgegensetzten Enden sich zwei Männer gegenüberstanden: Clint Farrox und Perry Shunter!

Beide hielten ihre Colts in den Fäusten. Clints straffes Gesicht zeigte einen kühlen Ausdruck, Perry Shunters breites Antlitz aber wirkte wie eine grauenhafte Maske. In seinen wässrigen Augen loderten Hass und Wut und Überraschung. Das flachshelle Haar hing ihm wirr in die niedrige Stirn.

»Du verfluchter Hund!«, knirschte er. »Jetzt werde ich dir die Sache von Thunderville heimzahlen!«

Kalt und furchtlos begegnete Clint seinem brennenden Blick.

»Umgekehrt, Shunter!«, sagte er leise und mit stählerner Härte in der Stimme. »Du wirst zur Rechenschaft gezogen! Denk an die nächtliche Prärie bei Thunderville!«

Das Lodern in Perry Shunters Augen verstärkte sich. Er brüllte einen Fluch hinaus. Und gleichzeitig riss er den schweren Colt empor.

Aber Clint drückte nicht ab und machte auch keinen Versuch, einer heranzischenden Kugel auszuweichen. Das war nicht mehr notwendig. Denn hinter Perry Shunter war eine schlanke, mittelgroße Gestalt aufgetaucht. Ein tiefbraunes Gesicht wurde sichtbar, in dem zwei kohlschwarze Augen unternehmungslustig funkelten.

»Nur nicht so heftig, mein Lieber!«, lächelte Hal Wyman freundlich und ließ seinen Colt gegen Shunters Schläfe krachen.

Der flachshaarige Hüne ging ächzend in die Knie und kippte dann vornüber aufs Gesicht.

»Well!«, lächelte Hal noch immer. »Einen von euch beiden, Clint, habe ich vor einer Kugel bewahrt. Fraglich ist nur, welcher es gewesen wäre.«

Hal Wyman hatte die Pferde in den Stall gebracht, den Schuss und dann die brüllende Stimme Shunters ebenfalls gehört und keine Sekunde gezögert, einzugreifen.

Clint schob den Colt gleichmütig ins Halfter zurück. Major Stones kräftige Gestalt tauchte hinter ihm auf. Die Zuschauer zerstreuten sich. Und der Mann, dem Shunter die Schulter zerschossen halte, taumelte davon, um sich seine Verletzung verarzten zu lassen.

»Gents!«, sagte der Major anerkennend zu den beiden Freunden. »Der Westen muss Ihnen dankbar sein, dass Sie einen solchen Mann zur Strecke gebracht haben. Wer weiß, wie viel Unheil dieser Shunter noch angerichtet hätte.«

»Was wird mit ihm geschehen?«, fragte Clint.

»Die Nacht wird er im Arrestlokal verbringen«, erklärte Major Stone grimmig. »Und morgen werden sämtliche Offiziere des Forts eine Jury bilden und über ihn zu Gericht sitzen. Nachdem, was Sie beide zur Anklage Vorbringen, wird es ihm den Strick bringen.«

Sie standen zu dritt neben dem bewusstlosen Verbrecher und schauten auf die reglose massige Gestalt nieder. Dann winkte der Major zwei Soldaten heran.

»Miller und Jefferson! Bringt den Kerl in die Zelle!«

»Reanow muss noch im Fort sein!«, sagte Hal leise und ließ seine spähenden Blicke in die Runde wandern.

»Das hätte ich beinahe vergessen!«, sagte der Major hastig. »Ich werde sofort das Tor schließen lassen und meinen Leuten den Befehl geben, den Kerl aufzustöbern.«

Er blickte suchend umher und entdeckte dann einen Offizier, der auf eines der Wohnblockhäuser zuging.

»Captain O’Hara, ich habe einen Auftrag für Sie!«

Mit raschen Schritten kam der Captain, ein stämmiger, rothaariger Mann, näher. Nachdem der Major ihm entsprechende Anweisungen gegeben hatte, wandte er sich wieder an Clint und Hal: »So, meine Herren! Sie haben Ihr Möglichstes getan. Das übrige wird bald erledigt sein.«

Während sie alle drei zum Kommandantur-Büro hinüberschlenderten, hatte keiner von ihnen eine Ahnung, wie Unrecht Major Stone mit seinen wohlgemeinten Worten haben sollte…

DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte

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