Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 17

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13. Kapitel

Etwa zehn Meilen südlich der dichtbewaldeten Hänge des Pikes Peak dehnte sich ein weites, prachtvolles Tal, das wie eine riesige Schüssel zwischen waldigen Höhen und schroffen Felszügen eingebettet war. Ein Fluss schnitt dieses Becken in zwei fast gleiche Teile. Das Gras auf dem Talgrund stand hoch und saftig, und die Busch- und Baumgruppen, die wie dunkelgrüne Inseln emporragten, warfen lange Schatten über die hohen Halme. Der einzige Zugang in dieses gewaltige Becken führte von Osten über einen steilen Pass.

Es war Herbst, und die dichten Wälder an den Berghängen leuchteten in den bunten Farben dieser Jahreszeit. Die Nächte hier in den Bergen waren bereits empfindlich kühl. In diesen Tagen war Clint Farrox über den Pass in dieses prachtvolle, weite Tal geritten.

Er ließ seinen Falben ohne besondere Eile talabwärts traben und sah unter sich die Hütten und Zelte des Goldgräbercamps auftauchen, das sein Ziel war. Er hatte schon viele solcher Camps besucht, doch nirgends war er auf Shunter gestoßen. In dem letzten Camp hatte man ihm dann den Weg in diese Diggersiedlung gewiesen, die nun nahe vor ihm am Fuße des steilen Passes lag.

Als er die Talsohle erreichte, stellte er fest, dass das Camp am Ufer des Flusses lag, dessen Quelle hoch droben in den Bergen lag und der dicht neben dem Passzugang in einem schäumenden Wasserfall über glatte Klippen ins Tal hinabstürzte und dort seinen Lauf ruhig und friedlich fortsetzte. Auf der weit entfernten, gegenüberliegenden Talseite verließ dieser Fluss durch eine dunkle, gefährliche Felsenge, die unpassierbar für Reiter und Pferd war, die weite, stille Grasebene dieses Beckens.

Die Goldgräbersiedlung, die vor Clint Farrox lag, unterschied sich durch nichts von den anderen Camps, die er angetroffen hatte. Niedrige, schiefe Hütten standen dichtgedrängt beisammen, manche nur mit einer dicken Lage von Fichtenzweigen als Bedachung. Dazwischen erhoben sich Zelte in allen Größen und Farbtönungen. Das einzige größere und massivere Gebäude war ein Saloon, in dem an die Digger Getränke und Nahrungsmittel verkauft wurden. Eine schmale, von Stiefeltritten und Pferdehufen aufgewühlte Straße führte in schlangenhaften Windungen durch das Chaos der Hütten und Zelte. Im weiten Umkreis um das Camp waren die Claims abgesteckt, auf denen die Goldgräber einzeln oder in kleinen Gruppen den Boden aufwühlten, wie es eine wildgewordene Büffelherde nicht besser gekonnt hätte.

Als Clint auf die Hütten zuritt, sah er überall auf den Claims Männer bei der Arbeit. Auch an den nahen Berghängen waren Digger mit Spaten und Pickel beschäftigt. Und unten am Flussufer versuchte eine Gruppe wirrbärtiger Männer Goldkörner aus dem gelben Flusssand zu waschen. Trotzdem waren das noch nicht alle Digger, die hier wohnten. Denn auch im Camp selber standen und gingen überall Menschen herum. Es waren zumeist Männer, aber auch einige Frauen konnte man sehen.

Clint hatte den Anfang der Lagerstraße erreicht und sah das schiefe Schild auf einem morschen Pfosten. »New Hope« stand darauf in ungelenken Lettern zu lesen. »Neue Hoffnung« also hatten die Digger dieses Camp getauft – ein vielversprechender Name! Und dieses New-Hope-Camp war ein großes Lager, vielleicht sogar das größte, auf das Clint Farrox während seiner Suche nach Perry Shunter gestoßen war. Und den vielen Menschen nach, die hier hausten, hatte noch keiner daran gedacht, dieses Tal zu verlassen.

Gleichmütig ritt Clint zwischen den niedrigen Holzhütten und den verschmutzten Zelten dahin. Er kümmerte sich nicht um die erstaunten Blicke, die ihm von allen Seiten zuflogen. Denn er sah nicht aus wie einer dieser bärtigen Digger hier. Er trug noch immer seine texanische Weidereiterkleidung. Und es wirkte so, als habe sich zufällig ein Cowboy in diese abgelegene Goldgräbersiedlung verirrt.

Er ritt auf den Saloon zu. Dort wollte er eine Mahlzeit zu sich nehmen, seinem Falben eine Ruhepause gönnen und nach Shunter fragen, dem Mann, dem sein langer, harter und zäher Ritt galt. Dem Camp selbst brachte er nicht mehr Interesse entgegen als all den anderen Diggerlagern auch, die er hinter sich gelassen hatte. Und doch sollte gerade das Camp mit dem bezeichnenden Namen »New Hope« von großer Bedeutung für ihn und sein weiteres Schicksal werden!

Er hatte den Saloon erreicht und hielt sein Pferd an. Als er sich aus dem Sattel schwang, wurde die Tür des Brettergebäudes aufgestoßen, und ein halbes Dutzend Männer drängten ins Freie. Als Clint sie sah, stieg leises Erstaunen in ihm auf. Schon der Kleidung nach unterschieden sie sich von den erdreichbeschmierten, grauen Gestalten der Digger. Aber das Auffallende an ihnen waren die Waffen. Sicher, auch manche von den Goldsuchern nahmen ihre Eisen mit zur Arbeit. Diese Männer trugen tiefgeschnallte Colts in den Halftern, die mit Fett und Öl eingerieben waren, um das Leder geschmeidig und weich zu erhalten. Diese Männer, die eben den Saloon verließen, waren Revolvermänner.

Clints graue Augen waren eng geworden. Sein hageres Gesicht behielt jedoch einen gleichmütigen Ausdruck bei. Die Männer, die er aus den Augenwinkeln beobachtete, gingen lachend und plaudernd auf ihre Gäule zu, die sie an der Seitenwand des Saloons angebunden hatten. Ihr Auftreten wirkte überlegen, fast großspurig. Clint dachte an die Worte des stämmigen Goldgräbers, den er am Oberlauf des Arkansas River getroffen hatte, dachte daran, was dieser Mann von den Desperados erzählt hatte, die die Diggercamps unsicher machten.

Aber Clint kam nicht mehr dazu, weiter darüber nachzudenken. Denn hinter sich hörte er plötzlich eine herausfordernde Stimme.

»Hallo, Cowboy! Wo hast du denn deinen Klepper her, heh?«

Ganz langsam drehte sich der blonde Texaner um. Vor ihm stand ein hagerer Mann mit stechenden Augen. Grinsend zeigte er zwei Reihen gelblicher Zähne. Clint erkannte sofort, dass dieser Mann zu den Leuten gehörte, die eben den Saloon verlassen hatten. Die anderen fünf Revolvermänner hatten ihre Pferde losgebunden und standen jetzt beobachtend und grinsend einige Yards von Clint und dem Hageren entfernt.

»Ich kann mich nicht erinnern, Sie schon einmal gesehen oder gar gesprochen zu haben!«, sagte Clint kühl.

Der Hagere war mit zwei raschen Schritten neben ihm und fasste ihn an der Schulter.

»Hoh, Cowboy! So schnell geht das nicht! Ich habe dir eine Frage gestellt!«

Der drohende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören.

»Was geht Sie mein Pferd an?«, fragte Clint ruhig.

»Hm!«, bleckte der andere wieder die Zähne. »Es ist ein schöner Gaul! Gefällt mir! Und ich verstehe was von Gäulen!« Sein Blick hing fast gierig an dem schlanken, hochbeinigen Falben.

»Ich würde das Pferd gerne haben!«, sagte der Hagere lauernd.

»Tut mir leid!«, zuckte Clint die Schultern. »Ich verkaufe den Falben nicht.«

Mittlerweile hatten sich zwischen den Hütten und Zelten ringsum mehrere Digger zusammengedrängt, die gespannt und schweigend herüberstarrten.

Der Hagere mit den stechenden Augen lachte rau.

»Kaufen? Wer spricht denn von kaufen, Cowboy?«

Plötzlich hielt er einen langläufigen Colt in der Faust, und Clint musste sich eingestehen, dass er selten einen Mann so schnell hatte ziehen sehen. Doch er blieb auch weiterhin ruhig und kühl.

»Nehmen Sie lieber das Eisen weg, Mister!«, warnte er leise. »Ich habe es nicht gerne, wenn man mir mit so einem Ding vor der Nase herumfuchtelt.«

Der hagere Revolvermann schien die Gefährlichkeit, die hinter den ruhigen Worten steckte, nicht zu hören. Sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen.

»Hoh, Cowboy? Bist du schwer von Begriff? Ich will deinen Gaul!«

»Damit werden Sie aber kein Glück haben!«, erwiderte Clint so, als spräche er mit seinem Gegenüber über einen Tauschhandel.

»So? Und warum nicht?«, lachte der Gun-Man. Dann hielt er seinen Revolverlauf dicht an Clints Brust. »Cowboy, ich sage dir, dass der Gaul von jetzt ab mir gehört! Verstanden?« Plötzlich wurde sein Grinsen noch breiter. Eine Idee war ihm gekommen. »Du hast den Falben sowieso geklaut, mein Lieber!«, grinste er. »Ich kenne das Brandzeichen! Erst jetzt fällt es mir auf! Es gehört meinem Freund Pete Miller drunten in…«

»Sie irren sich!«, unterbrach ihn Clint noch immer ruhig. »Ich habe das Pferd in Bushy Town am unteren Arkansas River gekauft. Ich würde nicht weiter so lügen, Gent, sonst könnte mir nämlich doch noch die Geduld reißen.«

Einen Augenblick war der Hagere verblüfft. Das schien er nicht erwartet zu haben, und sein Grinsen erlosch.

»Du wirst frech, Kuhtreiber?«, fauchte er. »Du nennst mich einen Lügner? Ich werde dir…«

Er nahm den Colt von Clints Brust und holte zu einem mächtigen Schlag aus. Aber er hatte zu sehr auf seine Überlegenheit gebaut. Er hatte Clint unterschätzt und ihn nur für einen harmlosen Cowboy gehalten, der in das Camp »New Hope« gekommen war, um hier sein Glück zu versuchen.

Denn Clint Farrox war schneller als er. Und ehe der Coltlauf des Hageren gegen Clints Schläfe schmettern konnte, krachte die rechte Faust des blonden Texaners wie ein Schmiedehammer gegen das eckige Kinn des Gun-Mans. Der Getroffene wurde zurückgeworfen, als habe ihn ein Pferdehuf erwischt. Mit einem dumpfen Knurren prallte er gegen die Bretterwand des Saloons und ging dann in die Knie.

Durch die Reihen der Zuschauer ging ein dumpfes Murmeln, und die kantigen Gesichter der übrigen fünf Revolvermänner hatten ihr hohnvolles Grinsen verloren.

»Ich denke«, erklärte Clint ruhig, »dass Sie das von Ihrem Irrtum überzeugen sollte, Mister!«

Wankend kam der Hagere wieder auf die Beine. Sein Atem ging keuchend, und seine Mundwinkel waren hässlich herabgezogen. Trotz des harten Hiebes, den er eingesteckt hatte, umklammerte seine rechte Faust noch immer den langläufigen Colt. Diesen riss er jäh empor und drückte auf Clint ab.

Der erstickte Aufschrei der Zuschauer ging im Peitschen des Schusses unter. Aber die Kugel traf nicht. Auch hier im Goldgräberlager »New Hope« bewies Clint Farrox die gleiche Schnelligkeit, die er schon in Thunderville und in Fort Fulton gezeigt hatte. Er ließ sich blitzschnell fallen, rollte zur Seite, und noch während dieser Bewegungen brachte er so schnell den 45er aus dem Halfter, dass dies die Zuschauer erst bemerkten, als die Waffe bereits in seiner rechten Faust aufbrüllte.

Der hagere Revolvermann war zu keinem weiteren Schuss gekommen. Der Colt entfiel seiner Faust. Sein hageres Gesicht verzog sich zu einer schmerzerfüllten Grimasse. Er taumelte gegen die Bretterwand zurück und presste die flache linke Hand auf den rechten Unterarm, den Clints Geschoss getroffen hatte. Clint stand langsam auf und schob sein Eisen in das Halfter zurück.

»Das soll nur eine Warnung sein«, erklärte er fest. »Versuche in Zukunft nicht mehr, mir mit einem Schießeisen in den Pfoten über den Weg zu laufen.«

Der Verletzte knirschte mit den Zähnen und starrte Clint mit einer Mischung aus Hass und Furcht an. Seine fünf Gefährten zogen finstere Gesichter. Einer von ihnen trat auf den Getroffenen zu, um ihm den Unterarm zu verbinden. Die zuschauenden Digger standen noch immer an ihren Plätzen und sprachen leise aufeinander ein. Respektvolle und abschätzende Blicke flogen zu Clint herüber.

Der große Texaner nahm seinen Falben an den Zügeln und wollte ihn auf die Saloonseitenwand zuführen, wo eine Haltestange angebracht war. Den Revolvermännern schenkte er keinen Blick mehr, obwohl er wusste, dass sie ihn aus hasserfüllten Augen belauerten.

Die Gefahr, die Clint Farrox in dieser Diggersiedlung umhüllte, lag fast fühlbar in der Luft. Clint spürte das. Aber er ließ sich nichts davon anmerken. Er hatte noch keine zwei Schritte gemacht, als sich diese Gefahr entlud! Aber alles kam anders, als Clint Farrox es erwartet hatte!

Jagendes Hufgetrappel übertönte plötzlich sämtliche Geräusche in New Hope, und der Umstand, dass diese Hufschläge mitten im vollsten Tempo jäh verstummten und wie abgeschnitten wirkten, ließ Clint herumfahren. Das rettete ihm das Leben! Er sah noch das grellrote Mündungsfeuer und spürte den Luftzug der vorbeizischenden Kugel an seiner rechten Wange, sah auch den Mann, der vornübergebeugt und mit verzerrtem Gesicht im Sattel eines grobknochigen Rotfuchses saß und noch den rauchenden Revolver in der wuchtigen Faust hielt.

Perry Shunter!

Wie elektrisiert zuckte Clint Farrox zusammen. Die Kühle und Gleichmütigkeit, die er zur Schau getragen hatte, waren wie abgefallen. Wie Feuer loderte es in seinen scharfen Augen auf, und während er noch in das Gesicht des Verbrechers starrte, zuckte seine Rechte mit einer blitzschnellen Bewegung zur Hüfte.

»Verfluchter Spürhund!«, brüllte Shunter, und abermals zuckte ein Feuerstrahl auf Clint zu. Aber der war nun vorbereitet, mit einem wahren Tigersprung wich er zur Seite aus und riss nun seinerseits den Colt hoch. Aber da hatte Perry Shunter mit einem wilden Fluch seinen Rotfuchs herumgeworfen und galoppierte, tief auf den Pferdehals geduckt, davon.

Clint hielt noch den schussbereiten Colt in der Faust und starrte auf den fliehenden Mörder, den er monatelang gejagt hatte. Obwohl sich Shunter duckte und zusammenkauerte, bot seine mächtige, breite Gestalt für einen so schnellen und sicheren Schützen wie Clint Farrox ein deutliches Ziel. Aber Clint feuerte nicht! Er hatte es noch nie vermocht und würde es nie können: auf den Rücken eines Mannes zu schießen! Auch wenn dieser Mann ein hinterhältiger Mörder war!

Er verlor aber keine Sekunde. Mit einem Satz saß er im Sattel seines Falben. Die Menge wich erschrocken und verblüfft zur Seite. Sie wussten nicht, was in diesem großen, blonden Fremden vorging. Aber das wilde Sprühen in seinen Augen warnte sie.

Perry Shunter war hinter einer Krümmung der Lagerstraße verschwunden. Er hatte die Richtung auf den Pass eingeschlagen und wollte anscheinend das Tal verlassen, in dem er wie eine Maus in der Falle sitzen würde, wenn es ihm nicht gelang, über den einzigen Zugang – den Pass – dieses weite Becken zu verlassen. Clints Gesicht glich in diesen Sekunden einer steinernen Maske, in der nur die Augen lebten. Seit dem Abend in Fort Fulton war er dem Mörder nicht mehr so nahe gewesen wie hier in New Hope. Diesmal sollte Perry Shunter der sühnenden Gerechtigkeit nicht entgehen! Er wollte ihn stellen – unter Einsatz seines eigenen Lebens! Und dann wollte er ihn vor eine Jury bringen – unbekümmert des weiten Weges, den er dadurch zurückzulegen hatte.

Er trieb seinen Falben an. Die letzte Jagd auf Perry Shunter begann! – So dachte Clint Farrox und wusste nicht, was hinter der nächsten Straßenbiegung auf ihn wartete…

DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte

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