Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 15

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11. Kapitel

Lange Wochen waren ins Land gezogen. Der Sommer neigte sich seinem Ende zu. Die Dürre hatte nachgelassen, und vereinzelte Regenschauer jagten über die weite Prärie. An einem dieser windigen Regentage war es, dass ein einsamer Reiter die breite, menschenleere Straße von Thunderville entlangritt. Es war ein großer schlanker Mann mit breiten Schultern. Er sah müde aus, als habe er einen weiten Ritt hinter sich. Der Regen hatte seine Kleidung durchnässt, und von der Krempe seines Stetsons tropfte es ununterbrochen. Der Wind zerrte an seinem Hemd, und die Schleifen seines Halstuches flatterten über seinen Schultern.

Es war verwunderlich, dass er nicht vor dem Saloon anhielt, um Schutz vor der Witterung zu suchen, sich aufzuwärmen und einen Drink zu nehmen. Er ritt an dem Calumet-Saloon vorbei, als hätte er ihn gar nicht bemerkt. Er ritt, bis er das Ende der Main Street erreichte. Und erst dort, vor dem niedrigen Haus des Schmieds, neben dem sich die geräumige Werkstatt befand, hielt er an und rutschte aus dem Sattel. Josua Keeney, der Schmied, hatte ihn anscheinend vom Fenster aus gesehen. Er hatte sich eine schwere Jacke übergezogen, als er auf die Straße trat.

»Hallo, Fremder!«, grüßte er. »Gehen wir hinüber in die Werkstatt. Wir werden den Schaden gleich…

Er hielt inne und trat einen raschen Schritt näher an den Fremden heran. Seine Augen weiteten sich, ein jähes Aufleuchten flog über sein längliches, knochiges Gesicht. Der pechschwarze Schnurrbart unter der großen Nase bebte.

»Farrox!«, rief er. »Großer Himmel! Farrox! Sie sind es tatsächlich?«

Das ernste, straffe Gesicht des großen, blonden Texaners löste sich zu einem warmen Lächeln. Er streckte dem aufgeregten Schmied die Rechte hin, die dieser kräftig drückte.

»Ich bin es, Keeney!«

Die Freude strahlte in Josua Keeneys Augen.

»Kommen Sie, Farrox! Kommen Sie schnell herein! Ich versorge inzwischen Ihr Pferd! Beim Himmel, Carroll wird sich freuen. Sie hat jeden Tag an Sie gedacht! Jetzt werden ihre Sorgen ein Ende haben.«

Der Schmied lachte voll tiefer und echter Freude, klopfte Clint auf die Schultern und schob ihn vor sich her ins Haus hinein. Dann verschwand er wieder im Regen, um Clints Pferd zu versorgen. Es war ein Falbe, und Clint hatte ihn unterwegs gegen seinen Indianergaul und einige Dollars eingehandelt. Es war ein gutes Pferd, besser noch als der Braune, den er bei den Kiowas zurücklassen musste. Aber er wusste, dass sich das Tier bei Josua Keeney in guten Händen befand.

Keeney hatte ihn in den Wohnraum geschoben, der von einer behaglichen Wärme erfüllt war. Tief und erleichtert atmete Clint auf und nahm den nassen Hut vom Kopf. Dann zog er seine ärmellose Weste aus und hängte sie neben den Herd über eine Stuhllehne. Hinter sich hörte er die Tür aufgehen.

»Haben Sie den Gaul schon versorgt, Keeney?«, fragte er überrascht.

Er bekam keine Antwort und drehte sich um.

Da stand Carroll vor ihm – schlank, mit leuchtenden Augen, eine goldene Haarflut zu beiden Seiten ihres schmalen, schönen Gesichts. In ihren Wangen stieg eine liefe Röte auf. Ihre feingeschwungenen Lippen bewegten sich, brachten aber kein Wort hervor. Sie stand und rührte sich nicht.

Und wie Clint Farrox sie so sah, stieg ein heißes Brennen in seine Kehle. Plötzlich fühlte er von seinem Herzen aus eine tiefe Wärme durch seinen ganzen Körper fluten.

»Carroll!«, brach es heiser über seine Lippen.

Dann war er mit drei langen Schritten vor ihr.

»Clint! Clint Farrox!«, flüsterte sie, und das Leuchten in ihren Augen war ihm das Schönste, das er je gesehen hatte.

»Wie habe ich gewartet!«, sagte sie leise. »Und jetzt…

Schon von dem Augenblick an, da er sie über die Schwelle hatte treten sehen, war ihm klargeworden, dass er sie liebte – dass er sie liebte seit jener bitteren, schlimmen Prärienacht, in der er sie kennengelernt hatte. Und das, was in ihren leuchtenden Augen zu lesen stand, war die Antwort auf seine Liebe, war das Glück, das auf ihn wartete…

Er zog sie an sich. Ihr schmales Gesicht mit der zarten, pfirsichfarbenen Haut war ihm ganz nahe.

»Ich bin so froh, dass du heil zurückgekommen bist!«, flüsterte sie glücklich, und er wusste, dass er sie jetzt nur zu küssen brauchte, um alles Glück dieser Erde für ihn zu besiegeln. Aber er tat es nicht. Er dachte an das, was vor ihm lag und wusste, dass er jetzt weder für sich noch für Caroll Keeney die Illusion eines Glückes aufbauen durfte, die doch wieder grausam zerstört würde.

Sie bemerkte die Veränderung in seiner Haltung und in seinem Gesicht. Sie trat zurück, blickte ihn prüfend an und wollte etwas sagen. Aber da pochten die schweren Stiefeltritte Josua Keeneys draußen auf dem Flur, und Carroll schwieg. Das knochige Gesicht des schnurrbärtigen Schmieds strahlte noch immer voller Freude, als er ins Zimmer kam.

»Ich kann es noch immer kaum glauben, dass Sie zurück sind, Farrox!«, lachte er, während er die dicke, regennasse Jacke auszog. »Es kommt mir wie ein Wunder vor. Was ist aus Ihrem Freund geworden?«

Ein Anflug von Bitterkeit beschattete etliche Augenblicke Clints Blick.

»Hal? Er ist hinauf zum Pikes Peak – wie so viele!«

Das Gesicht Keeneys wurde ernst. Er trat dicht an Clint heran. Seine Stimme kam zögernd und leise.

»Und Sie haben tatsächlich – ich meine, sind Sie wirklich hinter diesen beiden Schurken hergeritten?«

»Sicher!«, nickte Clint knapp. Er nahm seine ärmellos Weste von der Stuhllehne und ging an den Tisch. Wortlos legte er ein sorgfältig in Ölhaut eingeschlagenes und verschnürtes Bündel auf die Holzplatte.

»Hier ist das Geld!«, sagte er ruhig. »Es sind siebentausendachthundert Dollar. Zweihundert fehlen. Shunter und Reanow haben sie in Fort Fulton verspielt und vertrunken.«

Josua Keeney starrte ungläubig auf das Päckchen. Er schüttelte verwirrt den Kopf.

»Sie haben Ihr Wort wahrgemacht, Farrox! Ich kann es kaum fassen! Wir müssen Ihnen sehr dankbar sein. Ich denke, Sie sollen mindestens die Hälfte dieses Geldes bekommen, Farrox. Oder, wenn Sie einverstanden sind, dann werden Sie Partner auf der Ranch, die ich aufbauen will.«

Clint warf einen raschen Seitenblick auf Carroll und bemerkte das hoffnungsfrohe, erwartungsvolle Aufleuchten in ihren Augen. Trotzdem schüttelte er den Kopf.

»Nein, Keeney! Ich weiß, dass Sie es gut mit mir meinen. Aber ich habe es nicht einer Belohnung wegen getan! überdies ist meine Aufgabe noch nicht abgeschlossen.«

»Ihre Aufgabe?«, rief Josua Keeney verwundert. »Welche Aufgabe denn?«

»Rick Reanow ist tot«, sagte Clint leise und ernst. »Er hat sein verdientes Ende gefunden. Aber Perry Shunter reitet noch als freier Mann über die Prärie. Und das darf nicht sein!«

Bestürzung malte sich auf Keeneys Gesicht.

»Bedeutet das…«

»Sicher!«, nickte Clint Farrox hart. »Ich werde ihn jagen, bis ihm sein schlimmes Handwerk gelegt ist, bis er es nicht mehr fertigbringt, ahnungslose Menschen ins Unheil zu stürzen.«

Carroll war bleich geworden und rasch nähergetreten. Aber sie sprach kein Wort. Sie schaute Clint nur unverwandt mit ihren dunkelblauen Augen an, und das glückliche Leuchten war aus diesen Augen verschwunden.

»Sie sind ein Mann, der schwer zu verstehen ist, Mister Farrox!«, brummte Keeney schleppend. »Was kümmert Sie denn noch dieser Shunter? Sie haben das Geld zurückgebracht und dürfen froh sein, dass Sie noch leben. Niemand kann von Ihnen verlangen, dass Sie Ihr Leben abermals aufs Spiel setzen, nur um diesen gemeinen Mörder zu fangen.«

»Fast alle reden so«, lächelte Clint bitter. »Aber wo stünde denn die Welt, wenn sich jeder nur um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte? Wenn man darauf warten wollte, dass Shunter von einem Menschen zur Strecke gebracht wird, den er überfallen will, dann darf man lange warten! Und dann müssten noch viele Menschen dieses Verbrechers wegen sterben. Das will ich verhindern!«

»Well!« Der knochige Schmied versuchte es nerneut. »Das ist schon richtig – und ich will Sie auch nicht von Ihrer Idee abbringen, wenn es mir auch leidtut, dass Sie nicht bleiben wollen. Aber Sie allein können nicht das Gesetz in dieses raue Land bringen.«

»Ich weiß!«, stimmte Clint ernst zu. »Doch meinen Anteil dazu kann ich beitragen. Und es kommt ganz sicher die Zeit, da es auch in diesem Lande Sheriffs geben wird.«

»Well, Farrox!«, brummte der Schmied vor sich Lachen. »Lassen wir das jetzt beiseite. Das verdirbt uns nur die Wiedersehensfreude. Warten Sie, ich werde Ihnen eine tüchtige Mahlzeit zurechtmachen. Sie können sich ja einstweilen mit Carroll unterhalten.« Und er verschwand eilig im Nebenraum.

Clint zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Das Mädchen nahm ihm gegenüber Platz.

»Sie wollen – du willst wirklich fort?«, fragte sie stockend.

Clint schaute sie ernst an.

»Ja, Carroll, ich muss! Ich fände keine Ruhe hier! Glaube nicht, dass es für mich leicht ist! Vielleicht treffen wir uns einmal wieder – später, wenn sich die Zeit vielleicht verändert hat. Nur darauf können wir beide hoffen, Carroll.«

Sie stand auf, trat ans Fenster, hielt das Gesicht von ihm abgewandt und blickte reglos in den Regen hinaus.

»Onkel Josua hat recht!«, sagte sie leise und tonlos. »Du bist schwer zu verstehen, Clint! Aber ich glaube – ich verstehe dich dennoch!« Und sie drehte sich um und lächelte Clint an. Es war ein bitteres und trauriges Lächeln…

Diesen ganzen Tag und auch noch die folgende Nacht brachte Clint Farrox in Thunderville bei Josua und Carroll Keeney zu. Doch noch ehe am nächsten Tag die Sonne voll über dem östlichen Horizont emporgeklettert war, saß er wieder im Sattel seines Falben und setzte seinen Ritt fort.

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