Читать книгу DER COLT IST IHR GESETZ – Western-Sonderedition: Drei Romane und eine Kurzgeschichte - Glenn Stirling - Страница 16
Оглавление12. Kapitel
Die Karawanen und Reitertrupps, die hinauf zum Pikes Peak unterwegs waren, wurden allmählich spärlicher. Dann kamen die ersten Goldgräbergruppen wieder aus dem Felsengebirge zurück, und wieder wanderten sie in die lichten Prärien – den Weg, den sie gekommen waren.
Clint Farrox, der kreuz und quer das Land zwischen dem South Platte River und dem Canadian durchstreifte, traf auf viele solcher Wagenzüge und Kavalkaden. Doch waren es keine frohen Gesichter, die er zu sehen bekam. Es waren nicht die Gesichter von Männern, die ihr Glück gemacht hatten.
Am Oberlauf des Arkansas stieß er auf einen einsamen Planwagen, der hinter einem langen Treck zurückgeblieben war. Die Achse des Wagens war gebrochen, und Clint half dem Fahrer, den Schaden zu beheben. Sie fällten in einem nahen Fichtenwäldchen einen jungen Baum und hieben ihn mit den Äxten, die der Wagenbesitzer mit sich führte, so zurecht, dass sie ihn als neue Achse einbauen konnten. Es war eine schwere und langwierige Arbeit.
Aber während sie arbeiteten und ihnen der Schweiß übers Gesicht lief, erzählte der Goldsucher, ein stämmiger, wetterfester Mann:
»Ich sage Ihnen, die ganze Geschichte war ein Reinfall! Überall hieß es, dass es massenhaft Gold dort oben gäbe. Die Zeitungen waren voll von Reichtümern, die man am Pikes Peak aus dem Boden schürfen konnte. Damned! Alles erlogen! Ja, man kann von Glück sagen, wenn man so viel findet, um damit wenigstens die eigenen Unkosten und den Zeitverlust decken zu können. Ab und zu gelingt schon ein größerer Fund, zum Beispiel im Verlorenen Canyon, hab’ ich gehört, soll eine Gruppe Digger ziemliches Glück gehabt haben. Dafür waren ihnen aber auch die Rothäute wie verrückt auf dem Pelz! Denn in diesem Canyon steht ein komischer Felsen, den die Ut’s die ›Säule des Großen Geistes‹ nennen. Ja, so ’ne Art Heiligtum ist das für die Roten. Jedenfalls haben sich die Digger, die dort nach dem gelben Metall schürften, ihren Reichtum ziemlich hart verdienen müssen.«
Schnaufend wischte sich der Mann den Schweiß von der Stirn und redete weiter:
»Und in den übrigen Camps? Verdammt schlecht sieht es dort aus. Ich habe vom großen Run in Kalifornien gehört und war selber dabei, als es in Nevada Silber gab. Es war eine harte Zeit. Aber droben in den Rockies geht es nicht weniger übel zu. Neid und Hass und Misstrauen regieren. Überall stößt man auf Mord und Totschlag, und alles nur wegen ein paar kümmerlicher Nuggets. Das Gold verdirbt selbst die Männer, die man bisher immer als ehrliche und feste Kerle kannte. Well, die Schlauesten haben eingesehen, dass es keinen Sinn hat, weiterhin dort zu bleiben. Man riskiert nur sein Leben, verliert Zeit und Geld und profitiert nichts. Aber es gibt auch viele, die einfach nicht loskommen von ihren Claims. Die immer noch hoffen und in der Erde wühlen. Ich verstehe diese Burschen nicht!«
Er zuckte die Schultern und hielt einen Moment in der Arbeit inne. Enttäuschung und Kummer hatten sich auch in sein Gesicht gekerbt. Er beugte sich etwas zu Clint vor.
»Und dann kommen noch die Desperados hinzu, die diese Gegend unsicher machen. Na ja, es war schon immer so, dass sich dieses Gesindel sofort dort breitmacht, wo Gold oder Silber gefunden wird. Und ich sage Ihnen, Mister, diese Höllenbrut wird da droben in den Rocky Mountains von Tag zu Tag frecher. Es vergeht bald kein Tag, da dieses Gesindel nicht einen von den Diggern aufs Kreuz legt – nur um ihm die spärlichen Nuggets abzunehmen, die er mühsam aus der Erde gebuddelt hat.«
Clint sah ihn aufmerksam an.
»Sie scheinen ebenfalls schlechte Erfahrung in dieser Beziehung gemacht zu haben.«
»Das kann man wohl sagen!«, knurrte er und stützte sich auf seine schwere Axt.
»Da kam so ein übler Kerl eines Tages in unser Camp geritten. Sah ziemlich mitgenommen aus, als ob er einen harten und weiten Ritt hinter sich hätte. Er trat ganz ruhig und bescheiden auf und sagte, er wolle bei uns nur übernachten und am nächsten Tag weiterziehen. Er habe Freunde hier oben. Well, gutmütig wie ich bin, gestattete ich es dem Burschen, in meiner Hütte die Nacht zu verbringen. Doch das hätte mich beinahe das Leben gekostet. Nachts wurde ich plötzlich wach und sah den Kerl in meinen Sachen stöbern. Er suchte nach meiner Goldausbeute. In dem Augenblick, da ich zur Waffe greifen wollte, bemerkte er mich und warf sich auf mich. Ich bin nicht schwach, beileibe nicht. Aber der Kerl sah nicht nur wie ein Riese aus, er hatte auch die Kraft eines solchen.
Meine Rettung war, dass mein Freund Billy schon von Anfang an einen Verdacht gegen diesen Schurken hatte und daher nachts über ein Auge auf meine Hütte behielt. Er war es dann, der überraschend auftauchte und dem Verbrecher eine Kugel zuschickte. Die verfehlte den Kerl leider. Aber wenigstens hatte er mir weder das Leben noch ein winziges Goldkörnchen rauben können.«
Der stämmige Goldgräber lachte rau auf, als er geendet hatte. In Clint Farrox war plötzlich alles hellwach.
»Er war ein großer, wuchtiger Mann, der wie ein Riese wirkte, sagten Sie?«
»Ja, das war er!«, nickte der Digger heftig. »Er hatte ein breites, rötliches Gesicht, von dem seine hellen, wirren Haare grell abstachen.«
Wie ein Blitz durchzuckte es Clint. Sein anfänglicher Verdacht wurde bestätigt.
»Namen nannte er keinen?«, wollte er wissen.
»Nein«, schüttelte der Goldgräber den Kopf. »Kennen Sie den Mann?«
»Seit Monaten bin ich hinter ihm her – wenn er es tatsächlich ist. Wo ich von ihm höre, wird gleichzeitig immer von schlimmen Sachen berichtet.«
»Well, er hat es verdient, dass man ihn endlich zur Strecke bringt. – Aber er ist ein gefährlicher Bursche. Ein Menschenleben bedeutet ihm gar nichts!«
Clint Farrox hörte diese Worte kaum noch. Seine unermüdliche Suche war also nicht vergeblich gewesen. Sein rastloses Reiten hatte ihn wieder auf die Fährte Perry Shunters geführt. Es gab keinen Zweifel daran, dass Shunter der Mann war, von dem der Digger gesprochen hatte.
Clint presste in harter Entschlossenheit die Lippen zusammen. Sein Blick hob sich und schweifte über das wellige Prärieland nach Westen. Wie eine weiße Wolke schimmerte undeutlich und verschwommen der ferne Gipfel des schneebedeckten Pikes Peak herüber.
So führte sein Trail also doch hinauf zu diesem gewaltigen Bergriesen! Denn Clint war sich völlig sicher, dass er dort oben Perry Shunter finden würde!
Der stämmige Digger, der neben Clint stand, sah den blonden, großen Texaner verwundert von der Seite her an. Er wollte etwas sagen. Aber dann bemerkte er den Ausdruck in den grauen Augen dieses Mannes – und schwieg.