Читать книгу Platon als Mythologe - Glenn W. Most - Страница 17
II.
ОглавлениеDie erste bedeutsame Kritik dieses logozentrischen Ansatzes ist das Denken der Romantik, in dem der Mythos eine Rehabilitierung erfährt und besonders durch Chr. G. Heyne die Grundlage für das Fachgebiet der Mythologie gelegt wird. In Göttingen hörten die Vorlesungen des Philologen: die beiden Schlegel, Friedrich Creuzer, Friedrich August Wolf, Johann Heinrich Voss, Wilhelm v. Humboldt, um nur die Wichtigsten zu nennen. In der „neuen Mythologie“ sieht z.B. F. Schlegel die Chance der „Verjüngung der Menschheit“, weil so der Mythos zur Wirkung kommt, der Mythos, der „den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft“ aufhebt und den Geist „wieder in die schöne Verwirrung der Phantasie, in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur“ versetzt, „für das ich kein schöneres Symbol bis jetzt kenne als das bunte Gewimmel der alten Götter“.33
Man erkennt ganz leicht, dass auch hier, in der Romantik, der alte Gegensatz zwischen Mythos und Logos das Feld beherrscht. Freilich haben sich die Vorzeichen geändert: Der Mythos, das ist jetzt das Produkt schöpferischer Freiheit, das „wahre Kunstwerk“, die Selbstoffenbarung Gottes, die ursprüngliche Wahrheit, der Logos aber ist das Überwundene oder zu Überwindende. Es wäre reizvoll und sinnvoll, die Wirkungsgeschichte der aufklärerischen und romantischen Konzeption und das Aufeinandertreffen beider – z.B. in der berühmten Kontroverse zwischen F. Creuzer und G. Hermann – im 19. und 20. Jh. weiter-zuverfolgen und dabei insbesondere den Einfluss auf die Altphilologie, auf F.G. Welcker, auf H. Usener, auf J. J. Bachofen, auf E. Howald, auf U. von Wilamowitz-Moellendorf bis hin zu W.F. Otto und K. Kerenyi zu verfolgen.34
All dessen enthalte ich mich hier, um die schärfere Kritik an der aufklärerischen Position Platons wenigstens nennen zu können: K. Hübners Buch „Die Wahrheit des Mythos“, das 1985 erschien, steht selbst noch in der romantischen Tradition, indem es den Mythos mit dem Anspruch der Rationalität, und zwar der Rationalität der modernen Naturwissenschaften, zu versöhnen versucht. Der traditionelle Gegensatz von Mythos und Logos wird hier allerdings reduziert auf den des Mythos und der Wissenschaft, und zwar zu dem Zweck, der mythischen Erfahrung neben der wissenschaftlichen in unserer technisierten Welt zu ihrem Recht zu verhelfen und den universalen Wahrheitsanspruch der Wissenschaft zurückzuweisen. Diese Rehabilitierung des Mythos beruht auf dem Grundgedanken, dass eine dem Mythos eigene Ontologie und Rationalität aufgezeigt und expliziert werden könne.
Ob aber wirklich die dem Mythos zugrunde liegende Ontologie erfasst werden kann, indem Begriffe verwendet werden, die aus der großen Metaphysik- und damit Logostradition stammen – wie z.B. das Verständnis der „mythischen Substanz“ als der Einheit des Ideellen und Materiellen –, ob wirklich die dem Mythos eigene Rationalität aufgezeigt werden kann, indem Basissätze, Archai und sonstige aus der abendländischen Logik-Tradition bekannte Wissensvorstellungen im Mythos ausfindig gemacht werden, ob wirklich die Gegenwart des Mythischen dadurch belegbar ist, dass auf die mythischen Strukturen der christlichen Religion hingewiesen wird, wo diese sich doch immer selbst als in der Logos-, d.h. in der Philosophietradition, stehend begriffen hat – dies alles kann hier nicht ausführlich diskutiert werden, sondern nur mit Bedenken referiert werden. Zudem besteht der Verdacht der petitio principii: Niemanden wird es verwundern, dass, wenn vom Gegenstandsbegriff, Gesetzesbegriff und den Vorstellungen von Raum und Zeit der wissenschaftlichen Vernunft – „den Elementen der wissenschaftlichen Ontologie“ – ausgegangen und entsprechende Fragen an den Mythos gestellt werden, eine eigene Rationalität dem Mythos zugrunde zu liegen scheint. Was aber ist, wenn das Wesen des Mythos, das Mythische des Mythos, überhaupt nicht durch derartige Kategorien einer bestimmten Ontologie zu fassen ist, wenn es durch sie vielmehr verfälscht wird?
Doch eine ausführliche Darlegung und Auseinandersetzung muss hier zurückgestellt werden, um die schärfste Kritik an der aufklärerischen Position Platons zur Sprache bringen zu können. Ich meine die Position H. Blumenbergs, die in seinem 1971 erschienenen Aufsatz „Wirklichkeitsbegriff und Wirkungspotential des Mythos“ schon deutlich zu erkennen ist und die in dem 1984 erschienenen Buch „Arbeit am Mythos“ voll entfaltet wird. Sie stellt eine Fundamentalkritik an der platonisch-aufklärerischen Position dar, weil hier der traditionellen Unterscheidung zwischen Mythos und Logos der Boden entzogen werden soll.35
Diese Unterscheidung ist nach Blumenberg deswegen völlig verfehlt und verfälschend, weil durch sie die Rolle des Mythos nicht annähernd angemessen beschrieben wird. „Die Grenzlinie zwischen Mythos und Logos ist imaginär und macht es nicht zur erledigten Sache, nach dem Logos des Mythos im Abarbeiten des Absolutismus der Wirklichkeit zu fragen. Der Mythos selbst ist ein Stück hochkarätiger Arbeit des Logos.“ (18) Hier ist die Grundthese schon deutlich erkennbar: Der Mythos ist nicht – wie uns die Aufklärungen aller Zeiten weismachen wollten – der Erzeuger des Schreckens, für dessen Linderung er zugleich auch Mittel bereitstellen kann, er ist nicht – wie die Aufklärung es unterstellte – jener von der Priesterkaste verwaltete Bestand von Geschichten, die Furcht und Hoffnung erregten, sondern er ist selbst schon eine Form der Überwindung eines ursprünglichen Schreckens (53). Das Namengeben und Geschichtenerzählen kündet von der Bewältigung einer Schreckenssituation, die den Menschen zunächst sprachlos machte. Durch den Mythos wird das unerträglich Scheinende erträglich gemacht. „Mythen sind geglückte Versuche, … aus dem Schrecken in Geschichten über den Schrecken auszuweichen.“36 Kurzum: Der Mythos hat nach Blumenberg die Funktion, eine Distanz zur Unheimlichkeit zu schaffen. Beleg dafür sind auch schon die frühesten uns erreichbaren Mythologeme. Insofern aber schon solches Namengeben und Geschichtenerzählen die erste Form des Vertrautwerdens mit der Welt, die erste Form der Abarbeitung des „Absolutismus der Wirklichkeit“ ist, muss der Mythos selbst als eine Arbeit des Logos verstanden werden. Deswegen sieht Blumenberg in dem zur Formel gewordenen Buchtitel „Vom Mythos zum Logos“ eine „klassische Desinformation“ und betrachtet ihn als „Unfug“, weil „sie im Mythos selbst nicht eine der Leistungsformen des Logos anzuerkennen gestattet“ (34). Die Antithese Mythos - Logos sei „eine späte und schlechte Erfindung, weil sie darauf verzichtet, die Funktion des Mythos bei der Überwindung jener archaischen Fremdheit der Welt selbst als eine vernünftige anzusehen“ (56).
Wenn jedoch auch der griechische Mythos schon eine Form des Logos ist – im Sinne des Sieges über die durch den Absolutismus der Wirklichkeit bewirkte Sprachlosigkeit –, dann müssen freilich auch die verschiedenen Philosophien oder doch etwas in ihnen als eine solche Arbeit am Mythos verstanden werden, denn auch durch sie wird geleistet, was den Mythos kennzeichnet: eine Entfernung vom Zwang oder eine Bestimmung des Unbestimmten.
Doch das Buch von H. Blumenberg will den Leser nicht nur zu einer anderen Einschätzung des griechischen Mythos und aller anderen bewegen. Sein eigentlich philosophisches Anliegen passt gut in unsere postmoderne, vielfach von Nietzsche inspirierte Philosophienlandschaft. Es wird am deutlichsten im 3. Kapitel des zweiten Teils ausgesprochen, wo „Mythen“ den „Dogmen“ gegenübergestellt werden. Während das Dogma ein fester Bestand von Sätzen ist, an denen sich die Geister scheiden können und sollen, ist „die mythische Denkform durch die fast unbegrenzte Vereinigungsfähigkeit heterogener Elemente gekennzeichnet“. Das Dogma hat Anhänger, es erzeugt Häretiker, es erzeugt Unreine, es fordert von den Abweichlern Bußrituale. Der Mythos dagegen „fordert keine Entscheidungen, keine Bekehrungen, kennt keine Apostaten, keine Reue“ (269).
Das liegt darin begründet, dass der Mythos eine „eigentümliche Form der Freiheit“ hat, die „er einem Verzicht auf Wahrheit verdankt“ (266). Das also ist der springende Punkt: Der Logos ist im Verlauf seiner Geschichte, da, wo er nicht Mythen aufnahm, zum Dogma erstarrt, d.h. zum kompromisslosen Wahrheitsverkünder. Doch da, wo der Mythos – oder wie der Parteigänger O. Marquard sagt: die vielen Mythen – unter Verzicht auf Wahrheitsbehauptung an seine Stelle tritt, ist die Freiheit garantiert. Auf der einen Seite verbünden sich – so suggerieren Blumenberg und Marquard – Wahrheit und Terror, auf der Gegenseite Mythos und Freiheit. Ganz offenkundig handelt es sich um einen ästhetischen Freiheitsbegriff, von dem sich beide Autoren leiten lassen. Die Arbeit am Mythos, die den alten Ernst abträgt, verschafft ästhetischen Genuss, insofern der Zwang, Druck und Schrecken der Wirklichkeit erträglich gemacht und viele neue Möglichkeiten eröffnet sind. „Der ästhetische Genuss besteht in der ausgespielten Distanz zu dem, was als unmöglich Gewordenes hinter ihm liegt.“ (684) Im Hintergrund dieser Konzeption steht der Satz Nietzsches „Wir haben die Kunst, damit wir an der Wahrheit nicht zugrunde gehen“, der nach postmoderner Lesart denn auch (ganz im Sinne Blumenbergs) bedeutet: „Wir haben Distanz zur Wahrheit, damit wir sie nicht unmittelbar haben müssen“37.
Die ästhetische Position ist noch deutlicher bei O. Marquard zu erkennen. Mythen gehören zu dem, ohne das der Mensch nicht leben kann. Sie sind aber nicht als Vorstufen der Wahrheit aufzufassen, sondern als das, was uns die Wahrheit aushalten lässt. Denn diese ist für sich entweder lebensfremd abstrakt oder unlebbar grausam. „Da dürfen dann nicht nur, da müssen die Geschichten – die Mythen – herbei, um diese Wahrheiten in unsere Lebenswelt hereinzuerzählen oder um sie in unserer Lebenswelt in jene Distanz zu erzählen, in der wir es mit ihnen aushalten.“38
Leicht ist hier dieselbe Struktur wie in der Konzeption Blumenbergs erkennbar: Die Wahrheit oder die Wirklichkeit ist dem Menschen unmittelbar ein Schrecken, etwas nicht Auszuhaltendes, etwas Grausames. Deswegen bedarf es des Mythos oder der Mythen, um sich von ihr zu distanzieren. Die Philosophie proklamiert so die Notwendigkeit des Mythos und versteht sich offenbar selbst als eine Form des Mythos, jedenfalls dann, wenn man die Erklärung eines Philosophen ernst nehmen soll: „Und so … erzähle ich denn: Geschichten und spekulative Kurzgeschichten und andere Philosophiegeschichten und Philosophie als Geschichten und weitere Geschichten und – wo es den Mythos betrifft – Geschichten über Geschichten; und wenn ich nicht gestorben bin, dann lebe ich noch heute.“39
So lustig diese Rede ist, so schlimm ist sie auch. Schlimm deswegen, weil hier im Namen der Philosophie auf das verzichtet wird, was sie selbst ausmacht, was zu ihrem Wesen gehört: auf den Anspruch auf Wahrheit. Der Verzicht auf diesen Anspruch ist für die Philosophie schlechthin ruinös und – möglicherweise – darüber hinaus dem menschlichen Bewusstsein überhaupt unzumutbar. Die so empfohlene, überall Wahrheitsterrorismen witternde Polymythie ist ein „humanisierender Prozeß“ genannt worden.40 Ist sie das wirklich?
Der Ausgangspunkt dieser postmodernen Position ist auch derjenige der platonischen Philosophie, wo der Gegensatz zwischen Mythos und Logos erstmals anspruchsvoll formuliert wurde. Er besteht in der Annahme, dass der Mensch ohne Mythen nicht leben kann, dass er der Geschichten bedarf. In der Tat! Aber doch nicht irgendwelcher, sondern nur der wahren. Es mag sein, dass angesichts schrecklicher Wirklichkeit, z.B. des Todes, nur Geschichten etwas nützen, aber doch nur wahre. Was in der Lebenswelt gilt, ist auch in der Philosophie nicht anders: Wir brauchen nicht irgendwelche Philosophiegeschichten, sondern nur die wahren.
Mit anderen Worten gesagt: Der Anspruch auf Wahrheit kann gar nicht suspendiert werden, schon gar nicht durch Geschichten, weil auch sie von uns daraufhin befragt werden, ob sie wahr sind oder nicht. Nun ist der Begriff der Geschichte mindestens doppeldeutig. Der Mensch ist als Wesen der Freiheit Subjekt der Geschichte, ja er ist sowohl in die vielen individuellen wie auch in die eine große Universalgeschichte verstrickt, insofern er verschiedene Rollen spielt, aber er ist auch der Erzähler der Geschichten. Als diesem Erzähler aber ist ihm nicht an irgendeiner beliebigen, sondern nur an der jeweils wahren Geschichte gelegen.41 Die Wahrheit ist das eigentlich und immer schon, das zuerst und zuletzt Gewollte. Wenn aber Wahrheit, dann auch Logos. Wer so am Logos und am Wollen der Wahrheit festhält, den wird der Vorwurf, das führe zuletzt zum Terror, nicht treffen. Denn er weiß, dass die Anerkennung der Wahrheit eine Sache der Freiheit ist und dass es wirkliche Freiheit ohne das Wollen der Wahrheit nicht gibt. Er wird sich im Gegenteil fragen, ob nicht jene Rede, nach der die Furcht vor der terroristischen Wahrheit durch Geschichten vertrieben werden soll, auch nur ein Mythos ist, der, weil er nicht wahr ist, möglicherweise mehr Schrecken verbreitet als manch anderes Wirkliche. Kurzum: Die Rehabilitierung des Mythos in dieser postmodernen Perspektive hat einen hohen Preis, der zu hoch ist, als dass er von der Philosophie gezahlt werden könnte. „Also“ – um eine Formulierung des Neukantianers O. Liebmann zu verändern – „muß“ – zumindest in Sachen des Mythos – „auf Platon zurückgegangen werden.“ Denn durch die platonische Philosophie ist jenes Bewusstsein von Wahrheit in unsere Welt gekommen, das sich notwendig an den Logos gebunden weiß, an den Dialog, an das Miteinanderreden. Der Logos oder Dialogos ist der Ort der Wahrheit, insofern hier allein die gelebte Überzeugung, das lebensweltlich Selbstverständliche, dann, wenn es auf ein anderes gleicher Art trifft, verantwortet werden kann. In dieser Hinsicht ist es gerade nicht der Mythos, sondern allein der Logos, der das Schlimmste, das unvermittelte non-verbale Aufeinandertreffen solcher Vorurteile oder Selbstverständlichkeiten verhindert. Deswegen muss der Logos oder Dialog, in dem sich die Gesprächspartner gegenseitig als nach der gemeinsamen Wahrheit strebende anerkennen, auch als der Vermittler wahrer Freiheit angesehen werden. Nun impliziert – wie Platon besonders deutlich im Dialog Gorgias dargelegt hat – das Wollen der Wahrheit schon eine bestimmte moralische Haltung, die Platon als die Bereitschaft, sich widerlegen zu lassen, kennzeichnet.42 Zur Wahrheit gehört – so kann man sich diese These Platons verdeutlichen – immer auch, und zwar als ein konstitutives Element, die Möglichkeit der Kritik. Wo diese freilich immer zeitlich begrenzte Möglichkeit nicht gegeben ist – das gilt für alle Bereiche des Lebens, in privaten wie in öffentlichen, in politischen wie religiösen Angelegenheiten –, da ist keine Wahrheit.
Dieser Begriff des Logos, der universalen Wahrheitsanspruch erhebt und zugleich von sich her die Möglichkeit der Kritik und somit die freie Annahme oder Ablehnung der Wahrheit eröffnet, liegt auch noch jener Form der Rede zugrunde, die wir hier pflegen, indem nach einem Vortrag die Möglichkeit der Diskussion und damit der Kritik gegeben ist. Eine solche Einrichtung beruht ja offenkundig auf der Voraussetzung, dass alle, die einen solchen Logos hören, die Wahrheit als das bonum commune wollen. Platon hat dieses Suchen nach der gemeinsamen Wahrheit und das Sich-Öffnen für mögliche Kritik als das Wesen des Logos bestimmt, nämlich im Gorgias 505e–506a, wo es heißt: „Wollen wir es jedoch so machen, so denke ich, wir müssen auch alle aus allen Kräften uns bemühen zu erfahren, was wahr ist in der Sache, wovon wir sprechen, und was falsch; denn es ist für alle insgemein gut (koinon agathon), daß dies ans Licht komme. Ich also will es durchgehen, wie ich glaube, daß es sich verhält. Wenn aber einen von euch dünkt, ich stimmte mir selbst bei, wo ich nicht sollte: so müßt ihr dazwischentreten und widerlegen. Denn nicht, als wüßte ich es, sage ich, was ich sage, sondern ich suche es gemeinschaftlich mit euch; so daß, wenn mir derjenige etwas zu sagen scheint, der mir widerstreitet, ich es zuerst einräumen werde.“
1 Ersterscheinung in: Binder/Effe [1990] 13–32.
2 Vgl. Nestle [21942] 6.
3 Vgl. Neschke [1983] 120.
4 Dazu vgl. Fränkel [1962] 374.
5 Resp 377a; vgl. Kratylos 408c.
6 Vgl. Burkert [1979] 32: „Mythisches Denken verwendet als Operatoren nicht die Bildung von Klassen oder Mengen und nicht die Dichotomie wahr–falsch, ….“
7 Vgl. Hirsch [1971] 236ff.
8 Vgl. Platon, Die Werke des Aufstiegs, übertr. von R. Rufener, Einl. v. G. Krüger, Zürich 1948, XXXIX.
9 Reinhardt [1969] 219–295, bes. 232, 233, 235, 238, 241, 259, 261f.
10 Pieper [1965] 61 und Kap. VI, 77ff.
11 Zur Kritik an Pieper vgl. Müller [1986] 112 und Beierwaltes [1989] 275.
12 Vgl. Beierwaltes [1989] 282.
13 Nach Blumenberg [1960] 85 hilft dieser Mythos dem Sokrates „aus einer ganz tiefen Verlegenheit um eine wesentliche und unverzichtbare Antwort auf die Frage nach letzter Gerechtigkeit“. Diese Funktionsbestimmung unterstellt, dass der Mythos in der Substanz des Dialogs etwas leiste, was der Logos nicht erreichen könne. Das entspricht aber nicht dem platonischen Verständnis des Logos. Der Mythos malt nur einen Bereich aus, der der sinnlichen Anschauung entzogen ist. Deswegen ist übrigens auch das Höhlengleichnis in der Politeia kein Mythos, schon gar nicht eine „absolute Metapher“, wie Blumenberg behauptet, denn es wird von Platon selbst geradezu Wort für Wort „in Logizität aufgelöst“.
14 Vgl. z.B. I. von Loewenclau [1958]. Auch nach Christ [1984], der sich ganz unkritisch der Position Reinhardts anschließt, beginnt der Mythos da, wo der Logos aufhört, und erzählt das Unsagbare. Außerdem sei der Mythos „ironisch“. Nichts davon ist bei Platon belegbar!
15 Wenn Brisson [1982] in der „Unverifizierbarkeit“ das Charakteristikum des Mythos im Vergleich zum als Urteil verstandenen Logos sieht, wird er weder der platonischen Logosauffassung noch dem auch im Mythos enthaltenen Wahrheitsanspruch gerecht. Zur Kritik an Brisson vgl. auch Kranz [1986] 147.
16 Kranz [1986] 76. – Zur Funktion des Politikos-Mythos vgl. auch Oesterle [1978] 37.
17 Vgl. Kranz [1986] 77–79.
18 Vgl. Beierwaltes [1989] 277.
19 Zum Ernst des Logos und Spiel des Mythos vgl. Hirsch [1971] 252f.
20 Vgl. Edelstein [1949] 467: „Reason to Plato is supreme; myth is subservient to reason.“
21 Vgl. Beierwaltes [1989] 281.
22 Vgl. Krüger (wie Anm. 8) XLI.
23 Besonders sei hier neben dem genannten Aufsatz von Edelstein verwiesen auf Müller [1986] 110–125.
24 Vgl. Verbeke [1986] 239–263.
25 Beierwaltes [1989] 280, vgl. 274, kritisiert einerseits eine „totale Rationalisierung des Mythos“ in der Platon-Interpretation der Spätantike, durch die er „zur ‚bloßen‘ Metapher des Gedankens“ bzw. zum „Ornament der Reflexion“ degradiert würde. Andererseits jedoch könne die „Sache“ des Mythos logisch formuliert werden (277). Der Mythos soll einerseits einen „Bedeutungsüberschuß“ haben, ein Stimulans sein, aber „der Sache nach“ doch nicht mehr als der Logos enthalten. Das kann nur bedeuten, dass der „Bedeutungsüberschuß“ nicht zur „Sache“ des Mythos gehört. Er enthält ein „Mehr“, aber doch nur für die Phantasie. Wenn die „Sache“ des Mythos, also seine Wahrheit, auch logisch formuliert werden kann, scheint er für die Darlegung der Wahrheit, die im auf der Ideenschau gründenden Logos erfasst wird, nicht unbedingt notwendig zu sein, sondern nur unter der Bedingung sinnlichen Sehens. Genau das aber wollten auch die Neuplatoniker ausdrücken.
26 Vgl. Plotin Enn. III.5.9,24ff. Vgl. auch Olympiodor, In Platonis Gorgiam Commentaria 250,18.
27 Salustios, De diis et mundo IV,8.
28 Olympiodor, In Gorg. 232,1: πανταχο τοίνυν δε καταφρονεν τν μύθων καὶ ἐπείγεσθαι ἐπὶ τὴν ἀλήθειαν καὶ ταύτην διώκειν.
29 Ebd. 237,19.
30 Vgl. Damascius, In Phaedonem I §466.
31 Damascius, In Phaed. II §129.
32 Damascius, In Phaed. II §130; §525. Zur neuplatonischen Mytheninterpretation vgl. auch Theiler [1970] 133–138 und Burkert, Art. „Mythos, Mythologie“, HWPh Bd. 6, 282.
33 Schlegel [31971] 502.
34 Zu dieser Entwicklung vgl. Horstmann, Art. „Mythos, Mythologie“, HWPh Bd. 6, 288ff.
35 Vgl. Blumenberg [1971], 11–66; ders. [1984].
36 Vgl. Marquard [1971] 528.
37 Vgl. Sloterdijk [1986] 84.
38 Marquard [1981] 94–95.
39 Ebd. 111.
40 Vgl. Taubes [1983] 460. Mit Recht rückt Taubes, der die „Funktion vom Mythos in ethischer Absicht“ erkunden will, die Position Marquards in die Nähe der von Nietzsche her ermöglichten „Suspension des Ethischen“, von der man freilich sagen muss, dass sie ästhetischer, nicht religiöser Natur ist. Zur Kritik an Marquard und Blumenberg vgl. auch Timm [1983] 441.
41 Zu diesem Doppelsinn des Begriffs Geschichte vgl. Marquard [1986] 72ff., wo freilich nicht deutlich wird, wie man sich eine Teilung jener „Mächte“, die die Erzählungen der Geschichten sind, soll vorstellen können und inwiefern diese Teilung über die „Verzweiflung“ hinweghelfen soll.
42 Zu den moralischen Implikationen des Miteinandersprechens nach der Lehre Platons vgl. Kobusch [1987].