Читать книгу Durch die Hölle in die Freiheit - Gregor Kocot - Страница 7
Ein Albtraum über den Tod
ОглавлениеDas war wahrscheinlich der erste Traum in meinem Leben, der mir tief in Erinnerung blieb. Ich war damals vielleicht drei Jahre alt. Ich träumte nämlich, dass ich in einem Bett mit dem Tod schlief. Er sah aus wie ein rötlicher, abscheulicher enthaupteter menschlicher Kopf. Das war ein sehr grausames Erlebnis, und ich bekam dann eine große Angst. Ich war von der Angst sogar gelähmt. Ich wusste aber, dass mir niemand zu Hilfe kommen konnte, und daher blieb mir nichts anderes übrig, als diesen grausamen Albtraum weiterlaufen zu lassen. Diese unglaubliche Begegnung machte mich zunehmend einsam und hilflos, aber dafür strahlte sie eine mysteriöse Anziehungskraft aus. Es schien so, als ob sich mein Gegenüber mit mir anfreunden und sein Geheimnis mit mir teilen wollte. Ich lag neben dem Tod, und allmählich wurde er mir immer vertrauter. Mit der Zeit ließ meine Panik langsam nach. Der Tod war nicht so grausam, wie er am Anfang aussah. Er guckte mich so an, als ob er mir mein Leben aussaugen wollte, aber gleichzeitig machte er nichts zu diesem Zweck. Ich kam mit der Situation immer besser zurecht und fing an, darüber nachzudenken, wie ich diese Kreatur überlisten konnte.
Zum ersten Mal in meiner sorgenfreien Kindheit dachte ich über mein Schicksal nach, und zwar gerade als ich in einer großen Not war. Mir war klar, dass niemand mir helfen kann, auch meine Eltern nicht. Ich gab keinen Schrei von mir. Ich rief nicht um Hilfe. Wozu denn? Niemand war imstande mir zu helfen, weil ich mit den Kräften zu tun hatte, die nicht aus dieser Welt stammten. Bis dahin hörte ich von diesen Kräften gar nichts und hatte absolut keine Ahnung, dass so etwas überhaupt existiert. Jetzt musste mich niemand davon überzeugen, dass sie tatsächlich da waren, weil ich in ihrer Reichweite lag und ihre Wirkung am eigenen Leib erfuhr. Mit dem Verstand des Kindes spürte ich und nahm die Realität genauso wahr, wir die Erwachsenen sie wahrnehmen. Auch zu diesem Zeitpunkt wurde mir die Welt der Kindheit genommen, und ich wurde in die Welt der Erwachsenen eingeführt. Und vielleicht noch weiter: Ich wurde in die furchtbare Zukunft gebracht, die mich schon kaum erwarten konnte, und wollte mich für einen Augenblick anschauen.
Ich wusste damals gar nicht, dass Gott existierte, aber ich träumte davon, aus dieser Not gerettet zu werden. Das konnte man mit einem Gebet vergleichen. In meinen Gedanken wandte ich mich an etwas, was ich nicht nachvollziehen konnte, in der Hoffnung, dass die Hilfe ankommen würde. In dieser katastrophalen und hoffnungslosen Lage tauchte die Chance für die Rettung auf. Mit diesem Hoffnungsschimmer war mein grauenhafter Traum vorbei. Dieser erschreckende Traum, der meine frühe Kindheit peinlich erschütterte, kam zu mir nach vielen Jahren wie ein Bumerang in vollem Schwung und mit aller Macht zurück, diesmal aber als grausame Realität.
Jahre später wurde mir klar, dass dieser Traum ein deutliches Anzeichen dafür war, was mich erwartete und was für stürmische Abenteuer, oder besser gesagt, grausame und beinahe katastrophale Schicksalsschläge unvermeidlich auf mich zukamen. Jedoch konnten sie mir nichts Schlimmes antun, genauso wie in dem Traum. Was wollte mir, einem kleinen Kind, die Vorsehung Gottes dadurch vermitteln? Wenn ich diesen Traum in Erinnerung rufe, dann ist mir klar, dass die furchtbaren und tödlichen Vorkommnisse, die sich vor meinen Augen abspielen, kein Zufall sind – vielleicht? Oder vielleicht wollte Gott dafür sorgen, dass mir nichts Schlimmes passiert, wenn ich keine Angst kriege?
Bisher erzählte ich niemandem von diesem Traum. Ich brauchte das nicht zu erzählen. Er war mein Geheimnis, welches ich ganz schnell vergaß. Der Albtraum stellte sich mir dann vor Augen, als der Tod erst recht anfing, mir ins Gesicht zu grinsen, um mich konsequent und gnadenlos zu zerstören und von dieser Welt zu nehmen.