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ОглавлениеNoch einmal zurück zum Highway 61
Creem
Juni 1974
Nachdem ich den in der letzten Ausgabe erschienenen Bericht über die Dylan/Band-Konzerte in Oakland verfasst hatte, tauchte mein findiger Bruder Steve mit einem guten, unbearbeiteten Mitschnitt von einer der beiden Shows auf, der mich zu einer Fußnote veranlasst, und zwar nicht nur zu den Konzerten, sondern auch zu dem wahrscheinlich geplanten Livealbum.
Das Tape macht klar, dass fast all das Gute, das ich über die Performances zu sagen hatte, in die zehnte Potenz erhoben werden muss. Die Musik war ungezügelter, als ich sie in Erinnerung hatte, und Dylans Gesang war noch aufregender. Trotz der beträchtlichen musikalischen Unterschiede bezweifle ich kein bisschen, dass das, was Dylan und die Band 1974 gemacht haben, genauso denkwürdig war wie das, was Dylan und die Hawks 1965 und 1966 gemacht hatten, oder dass ein Livealbum mit Aufnahmen von dieser Tournee das gleiche unbändige Feuer entfachen wird wie das klassische Live-at-Albert-Hall-Bootleg und dass dieses Album mit einer vollkommen neuen Art von Humor und Selbstvertrauen aufwarten wird. Als ich über die Konzerte schrieb, war ich mir nicht sicher, ob die Musik auf Schallplatte wirklich rüberkommen würde – Dylans Präsenz, und die der Band, war ein Teil des Ganzen, und womöglich ein wesentlicher Teil. Das Tape beweist, dass ich unrecht hatte. Die Musik strahlt eine Power aus, die ich noch nicht einmal ansatzweise beschrieben habe. Es mag sein, dass Dylans Präsenz, obgleich sie ein Teil der Musik war, diese Kraft auch überschattet hat.
Es ist möglich, dass sich nichts davon auf dem offiziellen Vinyl wiederfinden wird – nicht, wenn Dylan oder Robertson oder wer immer die Produktion des Livealbums überwacht, der natürlichen Versuchung nachgibt, das abzumildern und zu verfeinern, was in Wirklichkeit eine ungestüme, völlig entfesselte Angelegenheit war. Wenn man beim Aufnehmen eines Erdbebens auf einer perfekten Stereokanaltrennung beharrt, so erhält man möglicherweise ein professionelleres Produkt, doch es wird nicht wie ein Erdbeben klingen. Zu viel Präzision, zu viel Balance und der Versuch, bei der Abmischung Dylan stärker in den Vordergrund und die Band in den Hintergrund zu rücken – wie es Bob Johnston bei den Isle-of-Wight-Tracks von Self Portrait getan hat –, werden der Musik das Leben austreiben. Daher eine Bitte: Seid auf den Gesamtsound aus, selbst wenn das bedeuten sollte, dass die einzelnen Tonspuren nicht sauber voneinander getrennt werden. Versucht die Vehemenz der Musik zu bewahren! Bügelt die Verzerrungen und Unsauberkeiten nicht aus, damit sich die Songs tatsächlich so anhören, wie sie performt wurden! Wenn ihr unbedingt etwas in den Vordergrund mischen müsst, dann das Schlagzeug!
Und lasst uns nicht bis Weihnachten warten!