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In China eine Tradition

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Um das Ideal des Bürgersoldaten verfolgen und so entwickeln zu können, dass daraus eine Rekrutierungspraxis in den modernen Armeen wird, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: zum einen das Vorhandensein eines gewissen nationalen Staatsbürgersinns und zum anderen die Erfahrung des Massenkrieges. Kurz nach den Napoleonischen Kriegen war keine dieser beiden Bedingungen wirklich gegeben. In den Jahren nach 1815 gab es weniger große Kriege, die das nationale Territorium bedrohten; und die mit den subversiven Idealen der Revolution assoziierte Idee der Staatsbürgerschaft war noch nicht zur vollen Reife gelangt. Selbst Frankreich, das sich der stärksten Bürgersoldaten-Tradition rühmen konnte, tat sich schwer damit, in Friedenszeiten diese Rekrutierungstechnik anzupassen. Während der Restauration fürchtete die Obrigkeit die großen Bürgerarmeen, und so wurde die Wehrpflicht ab 1818 auf eine kleine Minderheit jeder Altersklasse beschränkt. Unter den Großmächten forderte nur Preußen den Jungen weiterhin die Absolvierung eines Militärdienstes ab. Es dauerte ein halbes Jahrhundert, bis andere westliche Staaten aus der Notwendigkeit zu einer umfangreichen Mobilmachung heraus wieder auf die Massenwehrpflicht zurückgriffen: während des Sezessionskrieges in den Vereinigten Staaten, als erst die Konföderierten und dann auch die Nordstaaten die Wehrpflicht einführten, und im Deutsch-Französischen Krieg 1870 beim Einmarsch in Frankreich. Preußen ging als Sieger aus dem Konflikt hervor, und in der Folge wurde es von Frankreich und den anderen Ländern imitiert; allgemeiner tendierten die besiegten Staaten dazu, aus den Siegen ihrer Gegner ihre Lehren zu ziehen. Auch außereuropäische Staaten nahmen sich an Preußen ein Beispiel und gaben dafür alte, in ihrer Geschichte verwurzelte Traditionen auf. In Japan beispielsweise führte die Regierung 1873 eine nationale Wehrpflicht ein, die alle Männer zwischen siebzehn und vierzig Jahren dazu verpflichtete, drei Jahre aktiven Wehrdienst und danach zwei Jahre Dienst in der aktiven Reserve zu leisten, gefolgt von weiteren zwei Jahren in der nicht operativen Reserve. Diese Wehrpflicht beendete das Privileg der Samurai, Waffen zu tragen, was im größeren Kontext der Meiji-Revolution zu sehen ist, in deren Verlauf die aristokratische Elite, die Japan regierte, ihren Erbstatus weitgehend einbüßte. Japan zog sogar deutsche Militärberater hinzu, um bei der Umstellung zu helfen. Doch die Kriege machten keine Massenarmeen nötig. Die zahlreichen Kolonialkriege des 19. Jahrhunderts in Indien und in Afrika wurden auf eine sehr andere Weise geführt, wobei die kolonialistischen Staaten sich vor allem auf die in den Kolonien selbst aufgestellten Truppen stützten, die von Offizieren aus dem Mutterland befehligt wurden. Britisch-Indien zum Beispiel wurde von einer mächtigen, durch die East India Company rekrutierten regulären Armee verteidigt, die zur Blütezeit des britischen Raj mehr als 150 000 Mann zählte. Nur eine Minderheit von ihnen stammte aus England.

Bestimmte asiatische Gesellschaften hatten seit Jahrhunderten auf Bürgersoldaten zurückgegriffen, bevor die imperialen Armeen an ihren Küsten auftauchten. Der Fall des chinesischen Kaiserreichs hilft, daran zu erinnern, dass die Wehrpflicht in Kriegszeiten in Wahrheit wenig mit Moderne oder Demokratie zu tun hat. Praktisch zwei Jahrtausende zuvor hatten die Han- und die Tang-Dynastie umfangreich davon Gebrauch gemacht, natürlich ohne dass diese Entscheidung irgendetwas mit einer staatsbürgerlichen Vorstellung zu tun gehabt hätte. Die Bürgersoldaten wurden Söldnern vorgezogen, weil sie die innere Ordnung weniger bedrohten. Im militärischen System der Han-Dynastie wurden alle zwanzigjährigen Männer für den Militärdienst verzeichnet und konnten in einem Alter zwischen 23 und 56 Jahren für den aktiven Waffendienst einberufen werden. Theoretisch musste jeder Mann jährlich einen Monat Training nach der Ernte absolvieren; darüber hinaus musste er einmal in seinem Leben ein Jahr lang in der Hauptstadt und drei Tage in einem Grenzposten dienen. Mit der Zeit wurde das System brüchig: Immer öfter kam es vor, dass sich die Einberufenen mit klingender Münze freikauften. Dieses außer Gebrauch gekommene System wurde dann im 20. Jahrhundert wiederbelebt: Als China 1937 von Japan besetzt wurde, war eine der ersten Reaktionen der nationalistischen Partei, eine neue Bürgerarmee aufzustellen. Alle Männer von sechzehn Jahren an erhielten die Aufforderung, bei der ihrem Wohnort nächstgelegenen Einheit von Bürgersoldaten vorstellig zu werden, um dort ein militärisches Training zu absolvieren, das in kurzen Trainingseinheiten zwischen der Ernte stattfand. Ziel des Programms war den Behörden zufolge, das Nationalbewusstsein zu wecken, kriegerische Einstellungen zu fördern und die Männer auf die Einberufung vorzubereiten. Nach 1949 stützte sich das kommunistische China ebenfalls auf eine Wehrpflichtigenarmee. Seiner Ideologie entsprechend griff das Land selbstverständlich auf das eigene Volk, auf Bürgersoldaten zurück, um die Nation gegen imperialistische Angriffe zu verteidigen.

Eine Geschichte des Krieges

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